Teilhabe und Inklusion brauchen Verlässlichkeit – Sozialministerium lässt Menschen mit Behinderung weiter im Stich
Zur Anhörung der Leistungserbringer und der Leistungsberechtigten im Ausschuss für Soziales im Landtag vom vergangenen Freitag zu den Folgen des gekündigten Landesrahmenvertrages der Eingliederungshilfe stellt Nicole Anger, Sprecherin für Menschen mit Behinderung der Fraktion die Linke fest:
„Vor über einem Jahr hat das zuständige Sozialministerium den Landesrahmenvertrag einseitig gekündigt. Bis heute liegt kein neuer, gemeinsam mit den Leistungserbringern abgestimmter Vertrag vor. Auch nach dem zuletzt angekündigten Termin – Ende März – fehlt weiterhin jede neue Entwicklung. Wieder einmal hält das Ministerium seine selbst gesetzten Fristen nicht ein.
Besonders schwer wiegt: Zwischenzeitlich hat das Ministerium eine Rechtsverordnung erlassen – ebenfalls ohne Beteiligung der Leistungserbringer. Damit wurden Fakten geschaffen, die gravierende Einschnitte für die Unterstützungsleistungen von Menschen mit Behinderung bedeuten. Diese Unsicherheit haben Vertreter:innen der Werkstätten im Ausschuss deutlich benannt. Sie haben eindringlich ihre Ängste geäußert – Angst, ihre Arbeitsplätze zu verlieren, Angst, ihr Zuhause verlassen zu müssen. Sie fühlen sich nicht mitgenommen im Prozess. Informationen in leichter Sprache fehlen bis heute – ein klarer Hinweis darauf, dass hier über Menschen mit Behinderung gesprochen wird, aber nicht mit ihnen.
Noch immer ist ungeklärt, wie der zukünftige Personalschlüssel in der Eingliederungshilfe aussehen soll. Das Ministerium plant weiterhin drastische Reduktionen. Doch klar ist: Weniger Personal bedeutet zwangsläufig weniger Qualität – sowohl in besonderen Wohnformen als auch in der ambulanten Unterstützung. Deshalb haben bereits über 50 Einrichtungen Klage eingereicht – im Namen von rund 18.500 Menschen mit Behinderung. Das ist mehr als die Hälfte aller Leistungsberechtigten. Dass ein Menschenrecht wie Teilhabe über den Klageweg eingefordert werden muss, ist ein gesellschaftspolitischer Skandal.
Wir fordern die Sozialministerin mit Nachdruck auf, ihren Kurs zu überdenken. Der bisherige Weg gefährdet die Rechte, die Lebensrealitäten und die Zukunft vieler Menschen mit Behinderung in unserem Land. So sieht Inklusion nicht aus. Wer Strukturen abbaut, die Sicherheit und Verlässlichkeit geben, ohne vorher inklusive Alternativen zu schaffen, geht einen gefährlichen Irrweg. Dezentralisierung ohne barrierefreien Wohnraum, Arbeitsmarktintegration ohne tatsächliche Bereitschaft von Unternehmen zur Beschäftigung – das sind Scheinlösungen, keine Fortschritte.
Wir stehen für eine inklusive Gesellschaft – aber dafür braucht es echte Beteiligung, transparente Kommunikation und den politischen Willen, Teilhabe nicht nur zu versprechen, sondern sie auch umzusetzen.“
Magdeburg, 7. April 2025