Pflegekosten in Sachsen-Anhalt – Realitäten nicht schönreden

Zu den aktuellen Aussagen der Ersatzkassen, wonach Sachsen-Anhalt die niedrigsten Pflegekosten bundesweit hätten, betont Nicole Anger, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Landtag:

„Diese pauschalen Aussagen spielen der Ministerin politisch in die Karten – sie entlasten sie jedoch nicht von ihrer Verantwortung. Die Aussage ist verkürzt, sie suggeriert Entwarnung und ignoriert wesentliche Aspekte der Realität vieler älterer Menschen in Sachsen-Anhalt.

Die Pflegekosten mögen im bundesweiten Vergleich niedriger erscheinen, doch diese Zahl ist ohne Kontext irreführend. Kein Wort zu den jüngst veröffentlichten Zahlen über die besonders niedrigen Renten in Ostdeutschland. Kein Wort zu fehlenden Alterseinkünften aus Vermögen oder Betriebsrenten – eine Realität, die besonders viele Menschen im Osten betrifft. Und kein Wort zu den überlangen Bearbeitungszeiten bei der Hilfe zur Pflege, die Betroffene und ihre Angehörigen oft monatelang im Ungewissen lassen. In dieser Situation hilft es wenig, wenn die nominalen Pflegekosten als „günstig“ deklariert werden – sie bleiben für viele unbezahlbar.

Besorgniserregend ist die Entwicklung bei der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII. Die Zahl der Anträge ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen – allein in Magdeburg von 867 im Jahr 2022 auf über 1.140 im Jahr 2025. Gleichzeitig wachsen die Wartezeiten drastisch. In Wittenberg liegt die durchschnittliche Bearbeitungsdauer mittlerweile bei knapp 9 Monaten – fast ein Dreivierteljahr indem Pflegebedürftige und Angehörige auf die Leistung warten müssen. Viele beantragen diese aus Scham gleich gar nicht. Diese Zahlen zeigen deutlich, dass sich immer weniger pflegebedürftige Personen ein Platz im Altenheim noch leisten können.

Das ist untragbar. Wer auf Hilfe zur Pflege angewiesen ist, braucht schnelle, verlässliche Unterstützung – keine monatelangen Verwaltungsverfahren. Auch die flächendeckend steigenden Eigenanteile sind Teil eines Problems, das politisch nicht länger ignoriert werden darf.

Wenn dann noch als „Expertenmeinung“ überwiegend die Perspektiven von Leistungsträgern und Kassen herangezogen werden, bleibt die Lebensrealität der Pflegebedürftigen und ihrer Familien außen vor. Diese Akteure setzen naturgemäß andere Schwerpunkte – nämlich Kostenkontrolle und Systemeffizienz. Doch die entscheidende Frage bleibt unbeantwortet: Reicht das, was Menschen im Alter zur Verfügung haben, um ihre Pflege wirklich würdevoll zu sichern?

Sachsen-Anhalt braucht keine Schönfärberei, sondern eine ehrliche Auseinandersetzung mit den Herausforderungen, vor denen wir im Pflegebereich stehen. Wer echte Lösungen will, muss bereit sein, auch unbequeme Realitäten anzuerkennen. Doch stattdessen lehnt die Ministerin ein Landespflegewohngeld immer wieder ab. Sie hat es in der Hand, den Menschen im Land Unterstützung zu bieten, statt dauerhaft auf den Bund zu zeigen.“

 

Magdeburg, 23. Juli 2025