Wir haben kein Flüchtlingsproblem, sondern ein Verteilungsproblem
Zur gestrigen MPK mit Bundeskanzler Scholz betont Henriette Quade, migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE:
„Viel ist Bund-Länder-Beschluss die Rede von Überforderung und dringendem Handlungsbedarf. In der Tat haben wir dringenden Handlungsbedarf: Wenn Kommunen sich aus finanziellen Gründen zwischen Schulsozialarbeit und Jugendtreff entscheiden müssen, zwischen Kinderchor und Theaterförderung, zwischen Schul- oder Kitasanierung, ist das nicht die Schuld von Geflüchteten.
Wir haben in Deutschland kein Flüchtlingsproblem, wir haben ein Verteilungsproblem. Seit Jahren werden die Kommunen kaputtgespart. Seit Jahren ist klar, dass die Kommunen mehr Geld brauchen um handlungsfähig zu sein. Das hat nichts mit Geflüchteten, aber viel mit ungerechter Vermögensverteilung und der fehlenden Besteuerung von Reichtum zu tun. Bund und Länder müssen endlich dafür ernsthafte Lösungen vorlegen, statt sich an der Stimmungsmache gegen Geflüchtete zu beteiligen.
Die gestern beschlossenen Maßnahmen in Bezug auf die Finanzierung der Aufnahme Geflüchteter sind überfällig. Auch die avisierte Erleichterung der Arbeitsaufnahme und die Beschleunigung von Verfahren sind grundsätzlich notwendige und von vielen Fachleuten und Betroffenen geforderte Maßnahmen.
Verheerend sind allerdings die Beschlüsse zu weiteren sicheren Herkunftsländern, Grenzkontrollen, Grenzverfahren sowie die Beschreibung des EU-Türkei-Deals als Vorbild für die künftige Asylpolitik: Sie bedeuten Entrechtung, Deals mit Diktatoren, Grenzverfahren, die rechtsstaatliche Standards unterlaufen und humanitär nicht zu rechtfertigenden Elendslagern. Und: sie führen nicht zur Verhinderung von Flucht und Migration, sie machen sie nur gefährlicher und die Betroffenen verzweifelter. Der Griechische Staatsgerichtshof stellte erst im Frühjahr fest, dass das EU-Türkei-Abkommen gescheitert ist und hat den EUGH um Klärung gebeten.
Für die als sicher deklarierten Länder Georgien und Moldau sind Menschenrechtsverletzungen umfangreich dokumentiert. Und: Schon jetzt ist die Quote der von Gerichten gekippten Entscheidungen des Bamf enorm hoch – es braucht also keine Pauschalisierung von Entscheidungen, sondern die umfassende und korrekte Prüfung des Einzelfalls. Mit der jetzigen Planung wird lediglich der Abreitsaufwand für Gerichte erhöht. Bremen und Thüringen weisen zu Recht auf die katastrophale Wirkung des späteren Leistungsanspruchs für anerkannte Schutzberechtigte hin. Er ist integrationsfeindlich und trifft insbesondere Kinder sehr hart. Erneut muss an das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes erinnert werden: Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren!
Erneut werden schutzsuchende Menschen für politisches Versagen in der Vergangenheit verantwortlich gemacht. Wir brauchen weder Leistungskürzungen noch Sachleistungen für Geflüchtete, sondern Lösungen für soziale Probleme wie Armut, Niedriglöhne oder Wohnungsnot, damit niemand zurückgelassen wird. Wir brauchen gute Arbeitsbedingungen für Fachkräfte an Schulen und in der Integrationsarbeit, statt die Kürzung der Migrationsberatungsstellen. Wir brauchen eine Offensive für soziale Gerechtigkeit statt einen Überbietungswettbewerb in der Forderung nach Abschiebungen, Abschottung und sozialer Härte. Den kann nur die Rechte gewinnen und die demokratische, offene Gesellschaft verlieren.“
Magdeburg, 7. November 2023