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Weltflüchtlingstag – Ja zu Menschenrechten, Nein zu GEAS

Anlässlich des morgigen Weltflüchtlingstages erklärt Henriette Quade, Sprecherin für Asyl und Migration der Fraktion DIE LINKE:

„1993 wurde im wiedervereinigten Deutschland der sogenannte Asylkompromiss beschlossen und das Grundrecht auf Asyl ausgehöhlt. Ihm voraus gingen rassistische Pogrome und Hetze gegen Geflüchtete. Den rassistischen Mobilisierungen wurde durch das Entgegenkommen der Politik keineswegs die Grundlage entzogen. Sie wurden sogar bestärkt und befeuert. Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Mölln, Solingen – hier und in vielen anderen Orten brach sich der rassistische Furor Bahn und nahm Menschen das Leben und die Hoffnung auf Sicherheit.

30 Jahre danach haben sich die Mitgliedsstaaten der EU auf die massivsten Verschärfungen des europäischen Asyl- und Flüchtlingsrechts in der Geschichte der Europäischen Union geeinigt. Mit der GEAS-Reform wird das Grundrecht auf Asyl und auf menschenwürdige Asylverfahren faktisch abgeschafft. Hunderte Anwält:innen und Menschrechtsorganisationen wie Pro Asyl wendeten sich an die Bundesregierung, um auf die verheerenden Folgen von GEAS aufmerksam zu machen:

Vorgesehen ist die Einführung verpflichtender Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen. Um diese zu realisieren, müssen die Betroffenen – auch Kinder und Familien – faktisch inhaftiert werden. Die Standards in Asylverfahren würden massiv abgesenkt und die Rechtsschutzmöglichkeiten eingeschränkt. Es droht eine Verallgemeinerung der menschenunwürdigen Zustände wie im Lager Moria, welches symbolisch für das System der Entrechtung steht und das Politiker:innen noch vor wenigen Jahren parteiübergreifend als „Schande für Europa“ bezeichneten.

Mit der pauschalen Einstufung von Staaten als „sicher“ wird die individuelle Schutzbedürftigkeit von Menschen erst gar nicht mehr geprüft. Entsprechende Länder müssen die Genfer Flüchtlingskonvention nicht unterzeichnet haben und Schutzsuchende sollen sogar auf Staaten verwiesen werden können, die sie nie betreten haben.

Hinzu kommt: Nach wie vor gibt es keinen Vorschlag für eine solidarische Verantwortungsteilung in der EU. Die Pläne der Kommission sehen vielmehr vor, am gescheiterten Dublin-System und dem Prinzip der Zuständigkeit der Ersteinreisestaaten festzuhalten und es sogar noch zu verschärfen. Es ist zu befürchten, dass diese Staaten auch künftig Pushbacks durchführen, um nicht für Asylverfahren zuständig zu werden. Der Tod hunderter Menschen wie in der letzten Woche vor Pylos ist unmittelbare Folge von Pushbacks und der Politik der Abschottung Europas.

Die Bundesregierung trägt diese Pläne mit und hat ihnen durch ihre Zustimmung den Weg geebnet. Es ist unehrlich und bigott, wenn insbesondere die Grünen jetzt auf Änderungsmöglichkeiten durch das Europäische Parlament verweisen: Grundsätzliche Änderungen sind hier nicht zu erwarten. Was am 8. Juni verhandelt wurde, passierte auch auf Grundlage von Dossiers, die bereits im Parlament beschlossen wurden.

Dass mit einer SPD-Innenministerin und einer Grünen Außenministerin realisiert wird, was CSU-Hardliner Seehofer – auch wegen des Widerstandes von SPD und Grünen – nicht umsetzten konnte, ist ebenso bezeichnend wie skandalös. Nichts anderes als ein zivilisatorischer Dammbruch ist es, wenn aus einer Partei, die für sich in Anspruch nimmt die bürgerliche Mitte zu repräsentieren heraus erklärt wird, die Menschenrechtskonvention sei nicht mehr zeitgemäß. Dass die CDU-Landesinnenministerin bei den Verschärfungen voran schreiten will und mehr Staaten, in denen massive Menschenrechtsverletzungen dokumentiert sind, als „sicher“ einstufen will, stellt einmal mehr die Frage nach christlichen und humanitären Grundwerten.

Zugleich ist nicht ein einziges konkretes Problem der Kommunen im Bereich der Finanzierung und Infrastruktur für die Aufnahme von Geflüchteten gelöst. Statt die Mauern um die Festung Europa höher und höher zu ziehen, wären Landes- und Bundesregierung hier gefragt, endlich die Voraussetzungen für solidarische Finanzierung und Integration zu verbessern.

Am Weltflüchtlingstag lautet die bittere Wahrheit: 30 Jahre nach dem Asylkompromiss und in einer Welt, in der auf Grund von Kriegen, Menschenrechtsverletzungen, Armut und Hunger und den Folgen des Klimawandels mehr Menschen fliehen müssen als je zuvor, sind Menschenrechte in der Europäischen Union und in der Bundesrepublik offensichtlich nicht mehrheitsfähig. Es ist gut und notwendig, dass sich dagegen gesellschaftlicher Widerstand regt. Wir unterstützen die Proteste gegen die Europäische Asylrechtsreform und die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl. Ja zu Menschenrechten, Nein zu GEAS!“

 

Magdeburg, 19. Juni 2023