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Vorgaben zur Schulentwicklungsplanung korrigieren ‐ Schulnetz erhalten und bedarfsgerecht ausbauen!

Thomas Lippmann, bildungspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke, betonte in der gestrigen Landtagsdebatte "Vorgaben zur Schulentwicklungsplanung korrigieren Schulnetz erhalten und bedarfsgerecht ausbauen!":

"Liebe Kolleginnen und Kollegen,

als das Schulsystem in Sachsen-Anhalt nach der Wende auf das westdeutsche Schulsystem umgestellt wurde, gab es am Anfang noch 1.731 öffentliche Schulen und 11 Privatschulen im Land. Heute, 32 Jahre später, haben davon nur noch 747 öffentlich Schulen überlebt, während sich die Zahl der Privatschulen auf 112 verzehnfacht hat.

Unser öffentliches Schulsystem musste bereits drei große Schließungswellen ertragen und die vierte Welle läuft gerade an. Und das, obwohl unsere weiterführenden Schulen heute durchschnittlich fast doppelt so groß sind, wie sie es nach der Wende zu Beginn der 90er Jahre waren.

Schon in der 1. Wahlperiode wurden innerhalb von nur drei Schuljahren etwa 150 Sekundarschulstandorte geschlossen. Das waren Schulen, die im DDR-Schulsystem als einzügige POS bestanden hatten. Mit Beginn der 2. Wahlperiode nahmen dann die Schulschließungen so richtig Fahrt auf. Diese zweite und größte Schließungswelle lief über mehr als 10 Jahre zunächst durch die Grundschulen und dann zeitversetzt auch durch die Sekundarschulen und Gymnasien. Allein in dieser Phase wurden weitere 650 Schulen geschlossen, was für die Schulträger, die Eltern, die Schülerinnen und Schüler und die Beschäftigten der Schulen jahrelang zu extremen Belastungen und zu einer massiven Verunsicherung geführt hat.

Ein entscheidender Grund für diese zweite Welle war natürlich der Schülerrückgang. Das war aber längst nicht der einzige und auch nicht immer der wahre Grund. Denn schon in der 4. Wahlperiode wurde unter der damaligen schwarz-gelben Regierung das Schulsterben durch schärfere Planungsvorgaben für die Schulentwicklungsplanung zusätzlich verstärkt und beschleunigt – eine unheilige Parallele zu unserer heutigen Situation. Durch willkürliche politische Eingriffe wurde in der 4. Wahlperiode das Schulsterben auf die Spitze getrieben und mit etwa 340 Schulschließungen in nur 4 Jahren Strukturbereinigung mit der Abrissbirne betrieben.

Denn damals wie heute waren und sind die kommunalen Schulträger mit ihren desolaten kommunalen Haushalten kaum in der Lage, den Erhalt und die Sanierung der ganzen Schulstandorte aus eigener Finanzkraft angemessen zu gewährleisten. Aus Kostengründen galt deshalb viele Jahre lang: Nur eine geschlossene Schule ist eine gute Schule.

Der damalige Schulterschluss zwischen dem Kultusministerium und den kommunalen Spitzenverbänden führte dazu, dass 20 Jahre nach der Wende, im Schuljahr 2009/10, bereits die Hälfte aller ehemaligen Schulstandorte geschlossen war. Spätestens jetzt hätte das Schulsterben sein Ende finden müssen. Denn zum einen waren bis dahin ohnehin schon zu viele Schulen geschlossen worden und zum anderen sind die Schülerzahlen seit 2010 wieder kontinuierlich gestiegen – bis heute.

Wir haben heute 26.000 Schülerinnen und Schüler mehr als im Schuljahr 2009/10 und trotzdem wurden in dieser Zeit weitere 130 Schulstandorte geschlossen. Von der Erfüllung unseres schulgesetzlichen Auftrags, für ein regional ausgeglichenes und leistungsfähiges Bildungsangebot zu sorgen, kann schon lange keine Rede mehr sein.

Deshalb muss es endlich aufhören, dass ohne Grund weiter Schulen geschlossen werden! Es ist jetzt wirklich genug! Jede weitere Schulschließung ist eine zu viel! Das anhaltende Schulsterben hat nichts mehr mit sinkenden Schülerzahlen zu tun und es führt auch nicht dazu, dass sich für die Schülerinnen und Schüler dadurch irgendetwas verbessert.

Im Gegenteil – unsere Kinder und Jugendlichen zahlen für diese Schulpolitik einen immer höheren Preis: mit immer weiteren Schulwegen, mit immer mehr Lebenszeit im Schulbus und mit immer größeren Klassen in immer größeren Schulen, die immer öfter zu Schulkombinaten zusammengekleistert werden. Das alles bedeutet für die Schülerinnen und Schüler mehr Stress, weniger Lernzeit, weniger Vertrautheit mit ihrem Lernumfeld und damit schlechtere Leistungen.

Es sind keine pädagogischen Gründe, weshalb die umstrittene neuen Verordnung zur Schulentwicklungsplanung auf den Weg gebracht wurde. Es geht ausschließlich darum, durch die erzwungene Konzentration von Standorten den Lehrkräftebedarf weiter zu senken. Nachdem schon aus den Stundentafeln bis auf das absolute Minimum alles herausgequetscht wurde, müssen jetzt Schulfusionen als Mittel für die Bedarfsabsenkung herhalten.

Das war Übrigens auch vor etwa 10 Jahren schon einmal der Plan, als plötzlich und mit aller Macht etwa 50 Grundschulen geschlossen wurden, obwohl damals schon klar war, dass die Schülerzahlen steigen werden. Und das alles wiederholt sich jetzt bei der inzwischen vierten Schließungswelle, die diesmal vor allem die Gymnasien, aber auch die Gesamtschulen und Gemeinschaftsschulen mit ihren gymnasialen Oberstufen auf das Korn nimmt.

Offenbar kann die CDU einfach nicht aufhören, immer weiter Schulen zu schließen. Anders kann man es nicht erklären, warum jetzt auf einmal ganz normale oder sogar ohnehin schon relativ große Gymnasien, die alle bisher ohne Einschränkungen bestandsfähig waren, plötzlich nicht mehr genehmigungsfähig sein sollen und zu Mamut-Gymnasien fusionieren müssen, obwohl es keinen Schülerrückgang gibt. Um in der gymnasialen Oberstufe größere Kurse zu bilden, reicht eine verbindliche Kooperation in der Oberstufe zwischen den Schulen – aber doch keine Komplettfusionen der Schulen.

Es ging und geht bei den Verschärfungen der Schulentwicklungsplanung in den letzten 15 Jahren immer nur um die Einsparung von Geld oder von Personal – es ging dabei nie um die Bildungschancen der Kinder und Jugendlichen. Doch der Preis für diese Politik ist einfach zu hoch, der Weg der Schulschließungen muss beendet werden.

Und dann spielt auf einmal auch noch der ideologische Abwehrkampf eine Rolle, der sich gegen Schulformen richtet, die den Gymnasien möglicherweise Konkurrenz machen können – gegen die Gesamtschulen und die Gemeinschaftsschulen. Es ist an politischer Willkür kaum noch zu überbieten, wie von der CDU die Verordnung zur Schulentwicklungsplanung missbraucht wird, um sich solche Schulen vom Leib zu halten, die man nicht versteht und die man nicht haben will.

Es ist eine gravierende Fehlentscheidung der Schulbehörden, mit Hilfe dieser Verordnung die Entwicklung von eigenständigen gymnasialen Oberstufen an Gemeinschaftsschulen komplett abzuwürgen. Und es ist ein einmaliger Vorgang, mit welcher Rücksichtslosigkeit die Stadt Halle an der Errichtung einer neuen integrierten Gesamtschule gehindert und zur Errichtung einer Sekundarschule gezwungen wurde. Mit der radikalen Umsetzung der Verordnung wird nicht nur unverhältnismäßig in die Zuständigkeit der Schulträger eingegriffen, es werden vor allem in eklatanter Weise die Bildungsinteressen der Eltern für ihre Kinder mit Füßen getreten.

Wir haben vor diesen Folgen der neuen Verordnung von Anfang an gewarnt. Noch vor der Umsetzung durch die kommunalen Schulträger haben wir vor inzwischen zweieinhalb Jahren hier im Plenum mit unserem Antrag 8/143 bereits entscheidende Korrekturen verlangt. Angesichts der jetzt sichtbaren Verwerfungen und Schäden in unserm Schulnetz erneuern wir unsere konkreten Forderungen heute in modifizierter Form. Wir hoffen, dass die Koalition dieser vierten Welle von Schulschließungen nicht weiter tatenlos zuschaut, sondern zu ernsthaften Beratungen im Bildungsausschuss über notwendige und schnelle Korrekturen bereit ist."

Magdeburg, 22. März 2024