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Thomas Lippmann zu TOP 7c: Lehrkräfte einstellen. Jetzt!

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,

die Unterrichtsversorgung für das kommende Schuljahr kann beim gegenwärti-gen Stand der Vorbereitungen nicht gesichert werden. Und das auch dann nicht, wenn die am letzten Freitag hektisch ins Netz gestellte Stellenausschrei-bung vollständig Erfolg hätte. Bleibt es bei diesen viel zu geringen Neueinstellungen, wird der Personalbestand für den Einsatz in den Schulen weiter absinken. Gleichzeitig muss mit einem weiteren Anstieg der Schülerzahlen um mehrere tausend Schüler gerechnet werden. Beides zusammen wird die Schere zwi-schen dem Lehrkräfteangebot und dem Lehrkräftebedarf allein zum kommenden Schuljahr um bis zu 400 Vollzeitstellen weiter auseinandertreiben.

Denn es ist eben nicht so, dass die Landesregierung am Aufbau des Lehrkräftebestandes arbeitet und damit die Fehler der Vergangenheit beseitigt – es gelingt ihr nicht einmal, den Personalabbau wirksam zu stoppen. Zwar wurden seit dem letzten Sommer bis heute fast 300 Lehrkräfte eingestellt und mehr als 200 Lehrkräfte sind in dieser Zeit auch aus der Elternzeit und aus Langzeiter-krankungen wieder in den Schuldienst zurückgekehrt. Trotzdem ist die Unterrichtsversorgung gegenüber dem Schuljahresbeginn weiter gesunken und liegt aktuell unter 98%. Das Personaldefizit ist unter dem Strich angewachsen, weil gleichzeitig zu den Neueinstellungen extrem viele Lehrkräfte – nämlich etwa 750 – in dieser Zeit ausgeschieden sind oder zumindest mittelfristig für den Ein-satz im Unterricht nicht zur Verfügung stehen.

Das zeigt, dass immer neue Stellenausschreibungen allein überhaupt noch nichts darüber aussagen, ob der Minister seine Hausaufgaben erledigt hat und seine Sachen im Griff hat. Im Moment scheint er ja überhaupt keine seiner Hausaufgaben zu erledigen. Denn er setzt ja nicht einmal unsere Landtagsbeschlüsse um. Er sollte sich z.B. darum kümmern, dass zumindest die letzten verbliebenen Sprachlehrkräfte im Land gehalten werden und er sollte die Ab-solventen unserer Lehrerseminare durch Vorverträge für unseren Schuldienst gewinnen. Er macht es aber nicht oder er kann es nicht. Jedenfalls ist in dieser Richtung nichts passiert und die Leute gehen uns weiter verloren.

Das im Moment schwerwiegendste Versagen ist jedoch die Entwicklung in der Lehrerausbildung an der MLU in Halle. Erst vor zwei Tagen wurde dort im Se-nat entschieden, die Ausbildungskapazitäten für die Lehramtsausbildung wie-der auf nur noch 550 Erstsemestern zurückzufahren. Aus dieser Kapazität las-sen sich aber nicht einmal 400 Absolventen gewinnen und die passen dann auch noch zum Teil nicht auf den Bedarf in den Schulformen und in den ver-schiedenen Fächern. Und dass bei einem Einstellungsbedarf – einschließlich des Bedarfs an den freien Schulen – von jährlich 1.000 Lehrkräften und mehr min-destens über die nächsten zehn Jahre. Das wird unserem Schulsystem letztlich das Genick brechen Diese krasse Fehlentscheidung in Bezug auf die Lehrerausbildung an unseren beiden Universitäten wird sich bitter rächen und wir werden nicht vergessen, wer dafür verantwortlich ist.

Wenn in den nächsten drei Monaten nicht wenigstens ein größerer Teil der gegenwärtig fast 600 langzeiterkrankten Lehrkräfte wieder in den Schuldienst zurückkehrt, wird sich die reale Unterrichtsversorgung zum nächsten Schuljahr auf die Marke von 95% zubewegen. Statt auf dieses Rekorddefizit nun endlich mit einer Einstellungsoffensive zu reagieren, versucht der Bildungsminister, uns mit neuen Bedarfsminderungen eine 100%tige Unterrichtsversorgung vorgaukeln. Aber selbst mit diesem Rechentrick werden sie die 100 Prozent verfehlen.

Das ist die Fortsetzung der Personalpolitik der Vorgängerregierung – allerdings nach dem Prinzip „Überholen ohne Einzuholen“. Denn dieser Aderlass, Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen, der zum nächsten Schuljahr stattfin-den soll, ist größer als das, was Herr Dorgerloh in drei Jahren aus den Bedarfs-zuweisungen gestrichen hatte. Eine wirklich sportliche Leistung Herr Tullner!

Inzwischen formiert sich massiver Widerstand gegen diesen Ausverkauf. Schulleiterinnen und Schuleiter gehen auf die Barrikaden und wehren sich gegen die Einschränkung der Bildungsangebote an ihren Schulen und gegen den Ruin der Gesundheit ihrer Beschäftigten. Elternräte bilden Netzwerke und wenden sich mit einer Flut von Petitionen an uns und seit dieser Woche ist eine Volksinitiative unterwegs, weil es den Leuten reicht und sie nicht mehr bereit sind, die fortgesetzten Einschnitte in die Qualität der Schulbildung weiter hinzunehmen.

Und was macht der Minister? Er versucht, das alles auszusitzen, die Probleme immer wieder als Einzelfälle zu bagatellisieren und sich dann am Dienstag auch noch in der ihm eigenen opportunistischen Weise scheinbar an die Seite der Volksinitiative zu stellen. Was war das denn für eine neue Spielart, Herr Tullner? Jetzt kommen sie wohl nicht mehr damit durch, die Probleme schlicht zu bestreiten oder mit dem Finger auf ihre Amtsvorgänger zu zeigen und wollen deshalb den eigenen Leute den schwarzen Peter zuschieben?

Denn nichts Anderes ist es, wenn sie sich in der LPK hinstellen und die Volksini-tiative begrüßen und das als Rückenwind für sich bezeichnen. Rückenwind wo-für? Sie zeigen jetzt mit dem Finger auf ihren Parteikollegen Schröder, der mit Hilfe der Vollzeitäquivalentziele die gescheiterte Personalpolitik aus dem alten Personalentwicklungskonzeptes seines Amtsvorgängers ungeniert fortsetzt und sie zeigen auf ihren Ministerpräsidenten, der sie mit den daraus erwachsenden Problemen genauso im Regen stehen lässt, wie ihre Fraktionskolleginnen und -kollegen aus der CDU.

Ja klar ist es so, dass der Landeshaushalt keine Voraussetzungen schafft, um das Niveau der Unterrichtsversorgung auch nur zu halten, geschweige denn, es zu verbessern. Wir haben das in den Haushaltsverhandlungen ja immer wieder und sehr nachdrücklich thematisiert und entsprechende Veränderungen gefordert. Da war aber von ihnen, Herr Minister, nichts zu hören, sie haben dem Haushalt zugestimmt und ihn verteidigt. Vielleicht meinen sie ja, dass es jetzt schlau ist, sich hinter den Initiatoren der Volksinitiative zu verstecken und Eltern und Lehrer selbst loszuschicken, um für sie die Kastanien aus dem Feuer holen. Aber das ist nur klein, schwach und feige!

Und es ist in höchstem Maße unehrlich und verhöhnt die Betroffenen in den Schulen! Denn wie schon seit dem Beginn des Schuljahres spielen sie ein doppeltes Spiel. Sie beklagen zwar bei jeder Gelegenheit öffentlich, dass es Probleme mit der Lehrerversorgung gibt, tun aber selbst alles dafür, dass es auch so bleibt. Denn nur so können sie den Druck auf die Schulen aufbauen, der es ihnen erlaubt, ihre Bedarfskürzungen zu begründen und durchzusetzen. Angeblich ist kein Geld da, angeblich sind sowieso nicht genügend Leute da und angeblich müssen wir auch immer irgendetwas „moderat“ an irgendetwas anpassen. Aber nichts davon stimmt, es kann alles widerlegt werden. Es sind alles nur Nebelkerzen für die Diskussion hier im Parlament und in der Öffentlichkeit.

Natürlich ist das mit der angeblichen „Effizienzsteigerungen“, wie sie den Bil-dungsabbau ja gern verharmlosend bezeichnen, nicht allein ihr Geschäft. Es ist vor allem das miese Geschäft mit den Vollzeitäquivalentzielen im Haushalt. Denn die sind ja nichts weiter, als der Ersatz für den alten Einstellungskorridor aus dem PEK. Das Risiko, dass Beschäftigte zwar auf dem Papier vorhanden sind, aber nicht arbeiten, weil sie sich in Elternzeit befinden oder Langzeiterkrankt sind, liegt vollständig bei den Fachresorts, während der Finanzminister mit einem Lächeln die Minderausgaben bei den Personalkosten einstreichen kann, weil die ja nichts kosten. Allein in den allgemeinbildenden Schulen reden wir da derzeit über fast 800 Lehrkräfte, die nur auf dem Papier aber nicht vor Klassen stehen.

Das genau ist der Gegenstand unseres Antrages – nämlich kurzfristig bis zum Beginn des neuen Schuljahres durch eine weit geöffnete Ausschreibung zusätzlicher Stellen zumindest das Personaldefizit durch Elternzeit und Langzeiter-krankungen auszugleichen und so zu retten, was noch zu retten ist. Damit ist man dann immer noch weit entfernt von der Sicherung der Unterrichtsversorgung im kommenden Schuljahr: Es könnte aber fürs Erste dafür gesorgt werden, dass der aktive Personalbestand im Unterricht nicht noch weiter sinkt.

Bei der Abstimmung zu unserem Antrag können sie, Herr Minister, kann die Landesregierung und kann die Koalition zeigen, ob sie bereit sind, die Weichen endlich anders zu stellen und das Anliegen der Volksinitiative ernst zu nehmen.

Für die Abstimmung zu unserem Antrag ziehen wir die Ziffer 1 zurück, da sie durch die Veröffentlichung der Ausschreibung vom letzten Freitag obsolet ge-worden ist. Da hat die Ankündigung der Volksinitiative und unser Antrag offen-sichtlich schon einige Steine aus dem Weg geräumt.