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Thomas Lippmann zu TOP 4: Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2019

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

nun haben wir ja heute schon viel Prächtiges über diesen zweiten Haushalt der Kenia-Koalition gehört, der uns schon im Vorfeld vor allem als eines angepriesen – als ein Rekordhaushalt. Das ist im Übrigen bereits der 15. Rekordhaushalt in der Geschichte des Landes. Inflation und wachsende Steuereinnahmen sorgen dafür, nicht das Geschick und der Erfolg der Landesregierung. Und den-noch muss man sagen, es ist leider erst der 15. Denn um die Leistungsfähigkeit des Staates zu er-halten oder sogar zu steigern, muss schlicht jeder neue Haushalt ein Rekordhaushalt sein. Doch genau das – nämlich die Sicherung der Erfüllung der staatlichen Aufgaben – ist in den letzten 20 Jahren im Wesentlichen nicht gelungen.

Denn real ist das Haushaltsvolumen immer wieder gesunken, in jedem zweiten Jahr sogar in absoluten Zahlen. Und in den anderen Jahren meist dadurch, dass die Steigerungen zu gering waren, um zumindest die Inflation und die Tarifsteigerungen auszugleichen. So ist es auch jetzt. Die Erhö-hung des geplanten Haushaltsvolumens betrug im noch laufenden Doppelhaushalt von 2017 zu 2018 noch nicht einmal 1 Prozent. Im Haushalt 2019 soll das Haushaltsvolumen auch nur um etwas mehr als 1 Prozent gesteigert werden. Das reicht schon allein für die erwartbaren Tarifsteige-rungen nicht. Bund und Kommunen zahlen seit diesem Jahr ihren Beschäftigten 3% mehr. Es wäre töricht zu glauben, dass die Länder im Jahr 2019 deutlich darunter abschließen, aber eingeplant sind nur 2%. Es wird also schnell deutlich, dass in diesem Haushalt einige ungedeckte Schecks stecken.

Und wie immer, wenn auf der Einnahmenseite wieder einmal die politische Resignation gesiegt hat, wird auf der Ausgabenseite gekürzt. So soll u.a. die ohnehin zu niedrige Investitionsquote er-neut planmäßig abgesenkt werden. Nimmt man dann noch den schleppenden Mittelabfluss in 2017 und 2018 in den Blick, dann wird klar, dass selbst dieses magere Haushaltsvolumen gar nicht vollständig zur Finanzierung der Aufgaben des Landes und der Kommunen eingesetzt werden wird. Nach allen bisherigen Erfahrungen wird es auch 2019 keinen Haushaltsabschluss in der jetzt ge-planten Höhe geben, sondern er wird wieder um mindestens 500 Millionen Euro geringer ausfallen und deutlich unter 11 Mrd. Euro liegen. Sie sind also nicht einmal in der Lage, das Geld vernünftig und zielführend auszugeben, das ihnen zufließt. Sie legen uns zum zweiten Mal in Folge einen Haushalt vor, der in seinem realen Volumen rückläufig ist und der damit deutlich hinter den Erfordernissen für dieses Land zurückbleibt. Und dennoch brüstet die Landesregierung sich damit, einen Rekordhaushalt aufgestellt zu haben.

Dieser sogenannte „Rekordhaushalt“ sehr geehrter Herr Minister Schröder und liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Koalitionsfraktionen ist nicht nur in höchstem Maße unambitioniert und ohne politische Schwerpunkte, er offenbart vor allem eines: Den Blick aus einer Zwergenperspek-tive – es ist ein Zwergenhaushalt. Wozu wird also so massiv betont, dass es sich um einen „Re-kordhaushalt“ handelt? Was soll damit erreicht werden, dass man diese Selbstverständlichkeit so überhöht? Es soll uns offensichtlich den Blick auf den Horizont verstellen. Es soll jede Überlegung im Keim ersticken, das nach dem scheinbaren Höhenflug des 2019er Haushalts noch etwas kom-men könnte.

Die Botschaft ist also: Das, was hier vorgelegt wurde, ist das Maximum dessen, was überhaupt möglich und vorstellbar ist. Mehr geht auf keinen Fall – alles andere ist der Ruf nach dem Füllhorn, unrealistisch, unfinanzierbar, linker Populismus, was auch immer sie noch so an Formulierungen draufhaben. Und es ist die Botschaft: Nach diesem unerwarteten Gipfelsturm geht es wieder bergab. Werdet also nicht übermütig, richtet euch nicht darauf ein, haltet die Taschen zu und sorgt für die bevorstehenden schlechten Zeiten vor. Der Klassiker einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Und die ungebrochene Fortsetzung der austeritären Politik der letzten 10 Jahre in diesem Land. Wenn so richtig zu wenig Geld da ist, darf man natürlich keines ausgeben und wenn einmal etwas weniger zu wenig da ist, darf man auch keins ausgeben. Denn dann wird ja erzählt, dass es wieder weniger werden wird. Mehr kann es auf keinen Fall werden. Was für ein ökonomischer Unsinn!

Und so werden uns passend zum Beginn der Haushaltsberatung auch gleich die Hiobsbotschaften in Form der mittelfristigen Finanzplanung mit ins hohe Haus geliefert. Damit soll der Blick wieder nach unten, in den drohenden Abgrund gerichtet werden. Dieses Spiel kennen wir schon von den mittelfristigen Finanzplanungen der letzten 10 Jahre. Mit diesen Prognosen, die bisher nie eingetreten sind, wurde und wird das Land gequält und in Demut gehalten.

Doch am Ende wollen sich die Einnahmen einfach nicht so schlecht entwickeln, wie es uns immer wieder vorher prophezeit wurde. Was sich hier offenbart ist die ängstliche und fatalistische Haltung gegenüber den öffentlichen Finanzen. Seit 20 Jahren wird uns der Absturz der Staatsfinanzen gepredigt. Damit wir so etwas wie „Pawlowschen Reflexe“ entwickeln: Auf keinen Fall mehr Geld ausgeben! Entweder, weil grad keins da ist und wenn welches da ist, dann eben, weil in Zukunft keins da sein wird!

Dieser Mainstream, liebe Kolleginnen und Kollegen wird seit Jahrzehnten bewusst erschaffen. Von einer Gehirnwäscheindustrie a la „Neue soziale Marktwirtschaft“, „Bertelsmann“ und Co. Und nicht nur die Finanzministerien schwenken dankbar auf diesen Kurs ein. Vor allem die privaten Medien tun alles dafür, diese Meinungen zum öffentlichen Allgemeingut zu machen. Auch unsere beiden Regionalzeitungen haben den Ball wieder einmal nicht ganz zufällig unmittelbar vor unseren Beratungen aufgegriffen. Die MZ am letzten Donnerstag mit dem Beitrag „Rote Zahlen am Horizont“ und dem Kommentar „Schluss mit Lustig in der Finanzpolitik“ und die Volksstimme am Dienstag mit dem Beitrag „Rote Zahlen trotz Rekord-Steuern“.

Gegen so ein Trommelfeuer kommt man dann auch mit realen Fakten nicht mehr an. Tatsache bleibt aber, dass zum einen die düsteren Prognosen am Ende meist gar nicht eintreten und zum anderen die Vermögen einzelner Weniger in immer absurdere Höhen steigen. Die unfassbar ungerechte und ökonomisch unsinnige Vermögensverteilung hat die Demokratie inzwischen längst ausgehöhlt und ist zu ihrer größten Gefahr geworden. Es ist mehr als genug Geld vorhanden, auch für Sachsen-Anhalt. Der Horizont für eine gerechtere Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums und damit auch für eine deutlich bessere Ausstattung der öffentlichen Haushalte könnte viel heller und viel näher sein, als uns ständig eingeredet wird.

Nur einmal in den letzten 20 Jahren hat uns die Entwicklung überrollt. Als 2008 die überhitzte Fi-nanzblase geplatzt ist. Allein dieser Bankencrash hat uns etwa ein Viertel der knapp 2 Billionen Euro deutscher Staatsschulen beschert. Über die klagen wir ja ständig, weil sie uns angeblich die Luft zum Atmen nehmen. Auch in Sachsen-Anhalt hat dieser Crash 2008 in der Einnahmeentwicklung Spuren hinterlassen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Schulden sind nur Buchwer-te. Sie haben mit der Realwirtschaft so gut wie nichts mehr zu tun. Denn diesen Staatsschulden steht ein Vielfaches an Kapital- und Investivvermögen gegenüber und das ist gerade seit 2008 stetig angewachsen, wie wir heute im Wirtschaftsteil der Volksstimme nachlesen können. Während also alle ihre Gürtel immer enger schnallen, um mühsam ihre Schulden zu senken, steigt das frei verfügbare Kapitalvermögen ungezügelt ständig weiter an. Es nähert sich in Deutschland inzwi-schen der Grenze von 6 Billionen Euro. Hinzu kommen mehr als 8 Billionen Euro Anlagevermögen. Insgesamt steht also der Verschuldung des Staates von knapp 2 Billionen Euro ein siebenfach hö-heres Vermögen von fast 14 Billionen Euro gegenüber.

Ich will es deshalb hier noch einmal ganz klar und deutlich aussprechen: Die Staatsschulden sind kein wirkliches Problem. Nicht für den Bund und nicht für Sachsen-Anhalt! Wenn man die Schulden wirklich abbauen wollte, dann könnte man das durch eine andere Steuerpolitik auf der Ein-nahmeseite ohne Probleme und in überschaubarer Zeit erreichen. Dafür gibt es prominente Bei-spiele die auch zeigen, wie durch eine ökonomisch sinnvolle und sozial gerechte Vermögensvertei-lung Gesellschaften stabilisiert und immun gegen nationalistische Propaganda gemacht werden können. Umsetzbare und ökonomisch wirkungsvolle Vorschläge liegen seit mindestens zehn Jahren auf dem Tisch – und werden von den Geldbesitzern mit allen Mittel bekämpft. Die bekannten Stichworte dafür heißen: Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer, Finanztransaktionssteuer, Spitzen-steuersatz bei hohen Einkommen.

Wer dagegen in Zeiten des billigen Geldes und historisch niedriger Zinsen Schulden tilgt und Rück-lagen stärkt, statt in die Zukunft zu investieren, wirft das Geld zum Fenster raus. Geld, das im Mo-ment gar keiner zurückhaben will. Seit Jahren wird die Welt mit Geld geflutet, das die nächste Finanzblase zum Platzen bringen wird. Dann werden wieder Hunderte Mrd. Euro an Buchwerten vernichtet und mit Rettungsschirmen die Staatschulden in die Höhe getrieben. Was also soll in dieser Geldflut das Rinnsal unserer Tilgung? Solange die Exzesse des Finanzmarktes nicht gezügelt werden, ist es das einzig Sinnvolle, in die reale Welt der Menschen zu investieren.

Selbst, wenn die Regierung diese ökonomische Perspektive nicht teilt, so sollte sie doch wenigstens rechnen können. Die Tilgung von 100 Mio. Euro Schulden bringt uns 1 oder 2 Mio. Euro Entlastung. Aber 100 Mio. Euro Zukunftsinvestitionen sind futsch. Statt sich Gedanken zu machen, wo am dringendsten und effizientesten in die Zukunft des Landes investiert werden muss, beschäftigt man sich im Finanzministerium damit, wie in diesen lausigen Zeiten die inzwischen ca. 2 Mrd. Euro an Rücklagen zu verwalten sind. Auf der Suche nach profitablen Anlagen wird dann auch in Waffen, in Klimakiller und Folterstaaten investiert, nur weil dort die Rendite stimmt. 160 Millionen Euro sollen allein 2019 wieder in diese Fonds fließen – Steuergeld, das wir unseren Bürgerinnen und Bürgern in Sachsen-Anhalt vorenthalten und es stattdessen in Kohle und Erdöl oder in Staats-anleihen in Bahrein und in Kasachstan investieren. Wenn der Landesregierung die Ideen fehlen, wofür sie dieses Geld ausgeben soll, dann hat Die Linke dafür viel anzubieten.

Wer 100 Mio. in den sozialen Wohnungsbau investiert, kann mit einer soliden Rendite rechnen und schafft gleichzeitig günstigen Wohnraum in öffentlicher Hand. Investitionen in das Bildungs-system von der Kita bis zur Hochschule erzeugen ein Vielfaches an Renditen. Das ist der Stoff, aus dem die Zukunft gemacht wird. Das sichert Lebensgrundlagen. Das sichert das Angebot an gut qualifizierten Arbeitskräften in Sachsen-Anhalt. Das sichert künftige Steuereinnahmen. Viel schlimmer als die Schulden in den Büchern von Banken sind für die nachfolgenden Generationen eine verrottete und veraltete Infrastruktur, ein ausgedünntes Bildungsangebot und eine sozial ungerechte und gespaltene Gesellschaft mit zunehmenden Spannungen und Konflikten. Das müs-sen sie endlich erkennen, wenn sie die Zukunftsfähigkeit unseres Landes nicht weiter aufs Spiel setzen wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist wirklich höchste Zeit, den sturen Blick von der Ausgabensei-te abzuwenden und endlich wieder die Einnahmen in den Blick zu nehmen. Dass sich genau da, auf der Einnahmeseite, aber nichts tut und auch in absehbarer Zeit nichts tun wird, zeigt, dass die Schulden gar nicht ernsthaft getilgt werden sollen. Durch die relativ mickrigen Rückzahlungen, die man sich ja so mühsam vom Munde abspart, soll lediglich die Erinnerung an den Schuldenberg wachgehalten werden. Denn wenn durch verschiedene Umstände die öffentlichen Haushalte tat-sächlich einmal mit Überschüssen abschließen, wird nicht ein Fässchen zum Feiern aufgemacht, sondern es wird reflexartig nach Steuersenkungen gerufen. Warum? Weil die Schulden so noch auf viele Jahrzehnte als Zwangsinstrument dienen, um immer wieder Druck auf die Haushalte zu machen und sie weiter auszubluten.

Das alles, liebe Kolleginnen und Kollegen, halten wir für falsch. Es ist neoliberales Geschwätz, das man gern in scheinbar eingängigen Weisheiten verpackt. Zum Beispiel, dass man nur ausgeben könne, was man vorher eingenommen hat. Ein Staatshaushalt funktioniert doch aber nicht wie ein Privathaushalt. Er muss alle Bereiche der Daseinsvorsorge stabil und auskömmlich finanzieren, er muss mehr denn je in Bildung und in die Modernisierung der Infrastruktur investieren, er muss Kinder- und Altersarmut bekämpfen und er muss auch immer wieder neuen Akzente für die Förde-rungen zukunftsfähiger Wirtschaftsstrukturen setzen, um die wirtschaftliche Basis zu sichern.

Dafür braucht der Staat ausreichend Geld und das kann und muss er über entsprechende Steuer-gesetze einnehmen. Und wenn Schulden getilgt werden sollen, muss die Einnahmeseite so geregelt werden, dass die öffentlichen Haushalte Überschüsse erzielen, das ist doch ganz klar. Und all das wäre mit einem gerechten und ökonomisch sinnvollen Steuersystem auch möglich. Und dann würden wir unsere Schulden auch nicht erst in 200 Jahren zurückzahlen können, sondern in drei bis vier Legislaturperioden. Wenn wir heute allein die Steuergesetzgebung von Mitte der neunziger Jahre hätten, wäre Sachsen-Anhalt einigermaßen auskömmlich finanziert. Das Haushaltsvolumen läge schätzungsweise bei etwa 13 Mrd. Euro, dann könnte man vielleicht über einen Rekordhaushalt reden. Und davon wären dann mindestens 12 Mrd. Euro auch tatsächlich auszugeben und eben nicht nur knapp 11 Mrd. wie zu erwarten ist und 1 Mrd. Euro wäre ein angemessener Überschuss, der in die Schuldentilgung gehen könnte. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, wäre ein Haushalt mit Perspektive und es ist eben keine linke Spinnerei, sondern es könnte Realität sein, wenn wir in den letzten 20 Jahren nur auf die Steuergeschenke an die Superreichen verzichtet hätten.

Das wäre dann die Grundlage für einen starken Staat, wie wir ihn aus unserer Sicht in der letzten Sitzung diskutiert haben. Dazu muss die Spirale einer immer ungerechteren Vermögensverteilung gestoppt und umgedreht werden. Das ist heute die wichtigste Aufgabe der Politik, wenn unsere Demokratie noch eine Chance haben soll. Dafür muss endlich auch aus den Ländern heraus gestritten werden. Es ist schlicht politisch verantwortungslos, sich in dieser alles entscheidenden Frage hinter Zuständigkeiten zu verstecken, statt sich zu engagieren. Wir brauchen eine Landesregierung, die mit dem Mantra der Ausgabenbegrenzung bricht und die um Mehrheiten unter den Ländern kämpft, um im Bund für eine andere Steuerpolitik zu streiten.

Es ist aber in den letzten 20 Jahren von der CDU und SPD politisch gerade so entschieden worden, dass die öffentlichen Haushalte ausgehungert werden. Damit hat die regierende Politik natürlich einen unmittelbaren Anteil daran, dass sich auf dem Boden von Enttäuschung, Wut und Resignati-on am Ende ein brauner Sumpf entwickeln kann. Die Leute haben es einfach satt, dass ihnen ständig weis gemacht wird, dass alle notwendigen und sinnvollen Dinge nicht realisierbar sind. Weil angeblich kein Geld da wäre. Es ist die Finanz- und Sozialpolitik seit der Regierung Schröder, die Deutschland zu einer Steueroase und zum Billiglohnland gemacht hat. Wir haben kein Schuldenproblem, wir haben Einnahmeprobleme, Investitionsprobleme und Gerechtigkeitsprobleme!

Die Folgen dieser Finanzpolitik sehen wir derzeit ganz unmittelbar und unverfälscht bei unseren Kommunen! Obwohl zumindest in einigen kommunalen Haushalten ein klein wenig Luft entstanden ist, werden trotzdem dringend notwendige Investitionen nicht angepackt. Stattdessen werden Kassenkredite getilgt und Rücklagen gebildet. Und um es auch hier noch einmal klar zu sagen: Wenn es eine deutlich verbesserte Haushaltslage ermöglichen würde und unverzichtbare Investitionen angeschoben sind, können auch Kredite getilgt und Rücklagen gebildet werden – aber nicht jetzt!

Völlig abwegig ist die Auffassung, dass unsere Kommunen inzwischen sogar schon überfinanziert wären, weil sie z.T. kleine Überschüsse erwirtschaften. Auf diese Frage der Haushaltsüberschüsse komme ich später noch einmal zurück. Zunächst will ich aber an dieser Stelle eine klare Aussage treffen: Unsere Kommunen sind weiterhin in Größenordnungen unterfinanziert und durch die Festschreibung eines Fixbetrages im FAG wird sich die Situation wieder verschärfen. Von einer kommunalfreundlichen Politik dieser Landesregierung kann überhaupt keine Rede sein. Die meisten Kommunen kommen lediglich deshalb im Moment über die Runden, weil sie ihr Personal über jedes vernünftige Maß reduziert und die freiwilligen Aufgaben weitgehend eingestellt haben. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist aber keine Perspektive, das ist nichts, was man fortschreiben kann, wie es die Landesregierung und die Koalition mit diesem Haushalt versucht.

Sie machen bei der Finanzierung der Kommunen mit dem alten Unfug einfach weiter. Mit dem FAG haben sie den Kommunen ab 2016 etwas von dem zurückgegeben, was ihnen zuvor 10 Jahre lang abgepresst wurde. Und nun stellen sie es schon als einen Gewinn dar, wenn in den kommen-den Jahren nicht gleich wieder alles gekürzt wird. Was für ein depressives Signal! Denn natürlich wird das Volumen systematisch wieder kleiner. Wenn die Kommunen die Teuerung und vor allem die Tarifsteigerungen erneut aus eigener Tasche tragen müssen, können sie das wieder nur durch Personalabbau, Verzicht auf freiwillige Aufgaben oder die Aufnahme neuer Kassenkredite kompensieren. Ihr kaum gewonnener Gestaltungsspielraum ist sofort wieder dahin.

Stattdessen machen sie mit dem Förderunwesen weiter. Stolz verweisen sie darauf, dass zusätzlich zu den FAG-Mitteln fast noch einmal die gleiche Summe aus vielen anderen Haushalten in die Kommunen fließt. Aber eben nicht als Grundfinanzierung, sondern nur im Rahmen unterschied-lichster Projektförderungen mit meist bürokratisch aufwändigen Antrags- und Genehmigungsver-fahren. Und da sind dann ja auch noch so große Blöcke dabei wie die KiFöG-Finanzierung, was letztlich eine Pflichtaufgabe ist. Ich war in der letzten Woche bei den Hauptversammlungen so-wohl des Städte- und Gemeindebundes als auch des Landkreistages und ich kann von daher nur feststellen: Zufriedene Kommunen sehen anders aus. Ändern sie das FAG grundlegend: Schichten sie einige 100 Mio. Euro aus dem Bereich der Projektförderung um, dynamisieren sie das Volumen mindestens im Umfang der Inflation und der Tarifsteigerungen und legen sie für die Verteilung gerechtere Kriterien zugrunde, die sich weniger an der Einwohnerzahl und stärker an den konkreten Bedingungen in den Kommunen orientieren.

Was gibt es aus unserer Sicht Gutes über diesen Haushalt zu sagen: Nun, sie haben sich bemüht, mit der Einbringung heute eine Beschlussfassung vor dem Beginn des Haushaltsjahres 2019 zu ermöglichen und so eine erneute monatelange Hängepartie der vorläufigen Haushaltsführung zu vermeiden. Allerdings hört man viele Zweifel, ob dieser Zeitplan gelingen kann. Offenbar wurden zuletzt zu viele offene Fragen einfach nur zugekleistert, um heute etwas vorlegen zu können. Wir werden ja dann im Dezember sehen, ob es ein Weihnachtsgeschenk oder dann doch ehr eine Sil-vesterüberraschung gibt. Insbesondere für die von uns institutionell geförderten Vereine und Or-ganisationen wäre es höchst wünschenswert, wenn die Koalition ihre Haushaltsberatungen so in den Griff bekommt, dass dort solide gearbeitet werden kann und nicht erst wieder fast die Lichter ausgehen. Welche Probleme bei Trägern entstehen, wenn das Land den Geldfluss nicht in Gang bringt, sehen wir gerade beim ESF-Programm „Schulerfolg sichern“.

Das zweite ist: Sie tun diesmal nicht so, als ob sie die Rücklagen des Landes um mehrere Hundert Millionen Euro anzapfen müssten, um den Haushalt auszugleichen. Sie verlassen sich darauf, dass sie solche Luftbuchungen wie im vergangenen Haushalt ohnehin nicht brauchen. Das sehen wir auch so. Wir sehen aber auch, dass sie bei den Steuereinnahmen diesmal recht sportlich herange-hen und eine deutlich höhere globale Minderausgabe veranschlagen, als wir das bei der Vorstel-lung unserer Haushaltsüberlegungen Anfang August getan haben. Diese globale Minderausgabe wäre im Übrigen schon dadurch überflüssig geworden, wenn sie mehr Druck auf die Bundesregie-rung gemacht hätten, die Haushalte in den östlichen Ländern wesentlich stärker von den eini-gungsbedingten Zahlungen für die DDR-Sonderrenten zu entlasten. Die kosten uns allein 460 Mio. Euro.

Obwohl also unmittelbaren Aufgaben nicht ausfinanziert sind, wollen sie gleichzeitig weiterhin Geld auf die hohe Kante legen. Sehr geehrter Herr Schröder, auch wenn sie ja wahrscheinlich keine Einsicht zeigen werden, diesen Kurs zu verlassen, appellieren wir schon an dieser Stelle an sie, das Land diesmal mit dem Theater einer Haushaltssperre zur Erwirtschaftung der globalen Minderausgabe zu verschonen. Lassen sie den Haushalt 2019 zumindest so recht und schlecht laufen, wie sie ihn am Ende verabschieden werden und lassen sie die Leute, da wo dann Geld geplant ist, zumindest ihre Arbeit machen. Sie werden ihre globale Minderausgabe auch ohne Zwangsinstrumente erwirtschaften – leider, muss ich sagen! Denn die Säge wird wieder überall klemmen und das Geld wird an vielen Stellen nicht im geplan-ten Umfang zum Einsatz kommen. Immerhin loben sie sich einmal nicht für eine hohe Investitions-quote, der sie dann im Haushaltsvollzug wieder hoffnungslos hinterherlaufen. Doch da sind sie nur kleinlaut geworden, Herr Schröder. Denn die notwendige Stärkung der Bauverwaltungen gelingt ihnen auch mit diesem Haushalt nicht.

Ja und dann noch ein Drittes: Sie mussten wohl oder übel einsehen, dass sie und ihre Vorgänger das mit dem Personalabbau doch weit übertrieben haben und eine Umkehr unumgänglich ist. Nir-gendwo können die öffentlichen Aufgaben mehr im erforderlichen Umfang erfüllt werden – nicht in den Schulen, nicht bei der Polizei, nicht beim Forst und auch in den meisten Landesbehörden nicht. Ob ihnen diese Wende in der Personalpolitik tatsächlich gelingen wird, bezweifeln wir, aber wir erkennen zumindest die Einsicht an. Ich will sie daran erinnern, wie oft und wie lange wir diese Situation schon vorausgesagt haben. Jetzt stecken wir bis zum Hals in den Problemen und es wird an ihnen, Herr Finanzminister und am Einsatz ihrer Kolleginnen und Kollegen aus den betroffenen Ressorts liegen, ob noch etwas bewegt werden kann. Denn eigentlich ist es zu spät. Die Regierung im Land der Frühaufsteher hat verpennt. Wir können sie jetzt nur ermuntern, die Sache mit dem Personalaufbau wirklich beherzt anzugehen und dabei alte Zöpfe abzuschneiden. Das sage ich insbesondere in Richtung des Bildungsministeriums und des Landesschulamtes. Hier müssen zur Ausschöpfung der neuen VZÄ-Ziele im kommenden Jahr immerhin bis zu 2.000 Neueinstellungen bei Lehrkräften und pädagogischen Mitarbeiterinnen realisieren werden. Das werden wir uns sehr genau ansehen und mit konstruktiven Vorschlägen unterstützen.

Aber ansonsten kochen sie ihren Haushalt auf kleinster Flamme. Sie haben den Zug 2017 einmal auf eine leicht erhöhte Schiene gesetzt und nun soll er bis zum Ende ihrer Regierungszeit so vor sich hin rollen – hangabwärts versteht sich. Das Unwort für ihre Politik bleibt „Investitionsstau“. Seit Jahren sind die Abschreibungen in den kommunalen Haushalten höher als die Investitionen. Ständig geht mehr kaputt oder wird marode als saniert oder neu gebaut wird. Kaum eine Kommune ist in der Lage, außerhalb von Investitionsprogrammen der EU oder des Bundes seine Schulen zu sanieren oder bei steigenden Schülerzahlen auch einmal wieder neue zu bauen. Das gehört aber zu den grundlegenden kommunalen Aufgaben. Vom Erhalt oder der Errichtung von Sportstätten und Schwimmbädern oder Kultur- und Jugendeinrichtungen gar nicht erst zu reden.

Sie brüsten sich damit, dass fast 30% des Haushaltes an die Kommunen gehen. Das ist auch gut und richtig so, denn in den Kommunen erleben die Bürger die Folgen guter oder eben auch schlechter Politik unmittelbar. Aber das ist kein Verdienst dieses Haushaltes, den sie sich hier ans Revers heften wollen. Diese Verteilung gibt es schon seit Jahren. Sie müssen die finanzielle Basis der Kommunen aber ausbauen, wenn sie die Erwartungen der Menschen vor Ort wieder in den Blick nehmen wollen. Wir reden hier im Haus immer wieder über die Stärkung des ÖPNV, sie aber reichen dafür vorgesehene Mittel in zweistelliger Millionenhöhe nicht an die Kommunen weiter und finanzieren Zuweisungen für den Ausbildungsverkehr aus Mitteln für den Schienenverkehr. Wir und nicht zuletzt auch Teile der Koalition reden über ein landesweites Azubi-Ticket und die Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen – davon sind sie meilenweit entfernt. Sie kürzen den Kommunen die Mittel für den Radwegebau und wegen der Unterfinanzierung der Theater und Orchester um fast 10 Mio. Euro müssen die Kommunen wieder in die eigenen leeren Taschen greifen, wie wir das gerade in Halle sehen.

Nicht anders ist es bei den Krankenhäusern. Hier hat die Landesregierung weder valide Daten noch einen Plan, was getan und aufgewendet werden muss, um unsere Krankenhäuser für die Zukunft fit zu machen. Aber das finden wir ja vielleicht mit Hilfe der Enquete-Kommission heraus, die wir dann morgen einsetzen wollen. Wir haben in der Aktuellen Debatte zur Krankenhaussituation vor dem Sommer nachdrücklich auf die Probleme hingewiesen, die mit der Privatisierung in diesen Bereichen verbunden sind. Und was lesen wir im Haushalt? Die privaten Krankenhäuser erhalten erneut einen deutlichen Aufschlag in der Krankenhausförderung, während die Förderung der öffentlichen Krankenhäuser weiter drastisch zurückgefahren wird. Eine falsche Weichenstellung, mit der Fehlentwicklungen der Vergangenheit verfestigt werden.

Vom z.T. desolaten Zustand einiger Kliniken der beiden großen Uniklinika will ich hier gar nicht reden. Die hierfür vorgesehenen Investitionen verharren auf viel zu geringem Niveau. Die Zeche müssen die Patienten und überlasteten Angestellten zahlen. Es ist höchste Zeit für eine Wende bei den Investitionen im Gesundheitssektor. Wer ein öffentlich verantwortetes, leistungsstarkes und attraktives Gesundheitssystem entwickeln will, muss andere Akzente setzen, als uns mit diesem Haushalt vorgelegt werden.

Was gar nicht geht ist die Rückkehr zu alten Ritualen bei der Finanzierung unserer Hochschulen. Wenn hier der Geldhahn jetzt gleich wieder zugedreht wird, dann war das kurze Luftholen im ak-tuellen Doppelhaushalt nur eine Schnappatmung. Obwohl es zugesagt war, werden die BAföG-Gelder nicht vollständig zur Erweiterung der Hochschulbudgets genutzt. Außerdem werden Tarif-steigerungen und Inflation nicht mehr ausgeglichen. Mit dem Haushalt wird auch kein Signal ge-setzt für den weiterhin notwendigen Ausbau von Studienplätzen im Lehramtsstudium und in der Ausbildung von Medizinern. Wir haben bundesweit das kleinste Hochschulsystem. Zwar fein, aber eben auch klein. Hier sind Signale wichtig und jede Ermutigung ist richtig, dass wir unsere Hochschulen entwickeln wollen und sie nicht erneut in ein Finanzkorsett einschnüren. Wir brauchen prosperierende Hochschulen nicht zuletzt als wichtige Motoren für die wirtschaftliche Entwick-lung. Das geht mit einer solchen Haushaltsplanung aber nicht.

Beim Kindefördergesetz werden wir das Elend im Verlauf dieses Tages noch ausführlicher debat-tieren. Hier zeigt sich wieder einmal, dass der kleinste gemeinsame Nenner dieser Koalition so klein ist, dass keine Problemlösung mehr draufpasst. Sie schaffen mit ihrem neuen KiFöG noch immer keine grundlegende Änderung der Finanzierungsregelungen, es gibt keine wirkliche Verbesserung der Personalsituation, die große Mehrzahl der Eltern wird nicht entlastet, sondern wahrscheinlich weiter belastet und die Gemeinden bleiben weiter als letztes Glied in der Kette die Zahlmeister. Stattdessen sorgen sie durch das erneute Beschneiden des Ganztagsanspruchs für neue Probleme und für neuen Ärger. Sie gießen wieder Geld unkoordiniert in ein System, dessen Finanzierungsströme sie bis heute nicht wirklich beschreiben können. Es wird ein Desaster und es wird ein Dauerbrenner im Land und hier im Landtag werden. Andere Länder machen uns längst vor, wie man Kitas gebührenfrei bekommt und wir stümpern wieder jahrelang herum. Weil bei ihnen die Einsicht und die Bereitschaft fehlen, Bildung auch im Elementarbereich als die zentrale Zukunftsinvestition zu begreifen.

Das setzt sich dann auch beim pädagogischen Personal im Schulbereich fort. Immerhin soll bei Lehrkräften und pädagogischen Mitarbeiterinnen jetzt endlich der Koalitionsvertrag erfüllt wer-den. Allerdings mit zwei Jahren Verspätung und auch nur durch den Druck von fast 100.000 Unter-schriften unter einer Volksinitiative. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Leistung! Aber von der ge-rade im Schulgesetz als Regelaufgabe verankerten Schulsozialarbeit hört und liest man weiterhin nichts. Wir werden ihnen dazu unsere entsprechenden Vorschläge auf den Tisch legen.

Letztlich werden auch mit diesem Haushalt die Beschäftigten im öffentlichen Dienst weiter auf die Beseitigung der bestehenden Ungerechtigkeiten in der Bezahlung warten müssen. Die Koalition hatte ihre Ignoranz gegenüber den berechtigten Erwartungen der Beschäftigten ja schon im Früh-jahr deutlich gezeigt, als unserem umfangreichen Antrag sogar eine Behandlung im Ausschuss verweigert wurde. Zur unserer letzten Sitzung stand nun die GEW mit ihrer berechtigten Forderung nach der A13 für Grundschullehrkräfte vor dem Landtag. Soweit man hört, wird diese von der Koalition weiterhin rundweg abgelehnt. Was glauben sie eigentlich, wie lange sie sich hier wieder Zeit lassen können, bis sie sich dem Konkurrenzdruck aller anderen Länder um uns herum am Ende doch beugen müssen? Wenn sie überhaupt einmal etwas entscheiden, dann sind sie mit diesen Entscheidungen immer um Jahre zu spät. Sie trauen sich keine Entscheidungen zu, weil sie selbst an ihre fatalistischen Finanzprognosen glauben. Sie haben auf diese Weise keine Chance, den Lehrermangel in den Griff zu bekommen. Sie werden grandios scheitern und wir alle werden eine sehr teure Zeche zahlen, nur weil sie noch immer glauben, diesen Berg von Problemen untertunneln zu können. Er wird sie aber erdrücken und die Handlungsmöglichkeiten am Ende noch mehr beschränken.

Wir fordern sie auf, verlassen sie ihre Zwergenperspektive und nutzen sie die finanziellen Spiel-räume für wichtige Investitionen – vor allem beim FAG, bei der Krankenhausfinanzierung, bei der Schulsozialarbeit, mit einem Landesschulbauprogramm und bei der Finanzierung der Hochschulen. Bildung, Gesundheit und starke Kommunen – das sind die Themen, die die Leute umtreiben. Das sind die Themen, die wir hier im Land entscheiden können. Da bieten sie mit ihrem Haushaltsplan nicht einmal halbe Lösungen an. Hier muss und hier kann mehr passieren. Dafür werden wir uns in den Haushaltsverhandlungen einsetzen. Richten sie ihren Blick nach vorn und nicht weiter nach unten. Geben sie diesem Land eine Chance.