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Thomas Lippmann zu TOP 4: Aktuelle Debatte "Drittel-Bilanz der Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt"

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

20 der vorgesehenen 60 Monate der Kenia-Koalition sind fast vorbei und man mag sich nach der bisherigen Bilanz nicht vorstellen, dass die Politik in diesem Land noch einmal 40 endlose Monate lang von den inneren Querelen und Blockaden der Koalitionäre und von Stillstand und Rückschritt geprägt wird. Seit ihrem Start ist die Koalition in ständigen inneren Konflik-ten mit sich selbst beschäftigt, weil nicht zusammenwachsen will, was nicht zusammengehört.

Große Teile der CDU-Fraktion demonstrieren inzwischen immer ungenierter ihren Unwillen über die ungeliebte Zwangsehe und zeigen offen ihre Lust, die Koalitionspartner durch den Schulterschluss mit der Rechtsaußen-Fraktion zu strietzen - oder zu „striegeln“, könnte man nach den letzten Vorfällen auch kalauern. Kein Antrag scheint ihr dafür zu schlecht, kein An-lass zu nichtig, wie u.a. an der Zustimmung zur Linksextremismus-Enquete zu sehen war.

SPD und Grüne sehen sich offenbar nicht in der Lage, das nötige Gegengewicht aufzubauen, um die politischen Experimente der CDU auf der rechten Flanke zu kompensieren. Und auf der Brücke des schlingernden Schiffs steht ein Kapitän, der nicht steuert, sondern zuschaut, wie sich seine Deckoffiziere und die Mannschaft gegenseitig drangsalieren. Zu keinem einzi-gen Eklat in dieser Koalition, zu keinem einzigen der drängenden und ungelösten Probleme in diesem Land hat man bisher ein Wort von Herrn Haseloff gehört. Es ist erschreckend, in welchem Zustand sich Koalition und Regierung befinden und was mit diesem Land unter schwarz-rot-grün passiert.

Das Versagen der Justizministerin in der Affäre um die verfassungswidrige Einflussnahme ihres Staatssekretärs auf ein laufendes Gerichtsverfahren und bei der Aufklärung der Um-stände, die zum Feuertod von Oury Jalloh geführt haben, sind noch in guter Erinnerung. Letzterer entwickelt sich zum Waterloo für diese Landesregierung, denn über die Dramatik um einen toten Mitmenschen und seine Angehörigen hinaus hat er das Zeug, den Ruf des Landes, seiner Polizei und Justiz und nicht zuletzt der Bauhausstadt Dessau zu ruinieren. Das Agieren der Ministerin im Rechtsausschuss und ihre Aussageverweigerung im letzten Plenum lassen größte Zweifel an ihrer Amtsführung aufkommen. Da muss man auch nicht erst auf die überfällige Rücktrittsforderung aus der Opposition warten, da muss ein Ministerpräsident selbst reagieren.

Oder schauen wir zum Finanzminister, der weder den Willen noch das ökonomische Ver-ständnis aufbringt, um mit der Finanzpolitik seines Vorgängers tatsächlich zu brechen. Er organisiert weiterhin den Personalmangel im Land und trägt somit maßgeblich die Verant-wortung für den Niedergang des Schulsystems und die anhaltenden Defizite bei der Polizei und in den anderen Landesbehörden. Durch den Bearbeitungsstau in den Verwaltungen aber auch durch den viel zu späten Haushaltsbeschluss und die sinnlose Haushaltssperre werden wichtige Investitionen blockiert. Kaum die Hälfte davon kann realisiert werden, wodurch dem Landeshaushalt auch Zuweisungen vom Bund und der EU in dreistelliger Millionenhöhe entzogen werden. Eine katastrophale Bilanz, die der Finanzminister dennoch feiern wird, weil er Rücklagen bilden kann. Die wird er am Ende auch brauchen, denn durch weitere Aus-gabenbegrenzung und Personalverknappung sorgt geradezu dafür, dass die von ihm erwar-teten schlechten Zeiten am Ende auch tatsächlich kommen könnten.

Über die Arbeitsverweigerung des Bildungsministers mussten und müssen wir aus aktuellen Anlässen hier im hohen Haus in fast jeder Sitzung debattieren. Eine glatte Fehlbesetzung in ihrem Kabinett, Herr Haseloff. Um sich als der fröhliche Kumpel durchs politische Geschäft zu hangeln, dafür ist das Schulministerium nun einmal ungeeignet. Die Volksinitiative wird heute vor dem Landtag erneut die unhaltbaren Zustände in den Schulen anprangern und ihre Forderungen präsentieren, weil sie täglich die Folgen von Tatenlosigkeit und Fehlentscheidungen ausbaden müssen.

Man hört morgens Radio oder schlägt die Zeitung auf und fällt jedes Mal fast vom Stuhl, welche PR-Gags der Regierung gerade wieder die Runde machen. Da werden Physikstunden gehalten oder der 1.000 Neulehrer begrüßt. Damit verhöhnen sie die Beschäftigten und die Eltern, die in der von ihnen geschaffenen Realität untergehen. Nutzen sie ihre teure Arbeits-zeit, um zu regieren und nicht um Spaß zu haben und den Klassenkasper zu geben.

Nicht viel anders ergeht es einem, wenn der Staatsminister ausheiterem Himmel seine abstrusen Positionen zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen zum Besten gibt. Hohn und Spott innerhalb der Koalition und bundesweit waren der Lohn dafür und dass unser Bundesland medienpolitisch völlig isoliert dasteht.

Und dann haben wir noch einen Innenminister, der als „MP im Wartestand“ zwar immer einmal gern die Gelegenheit ergreift, die eine oder andere üble Attacke der AfD mit durch-aus klaren Worten zurückweisen, was ihn aber nicht daran hindert, in anderen Auseinandersetzungen – etwa bei den Diskussionen über Linksextremismus, über die Abschiebung von Flüchtlingen oder wie ganz aktuell um das HaSi in Halle – mit den Argumenten der Rechten zu spielen. Wer meint, sich in verantwortlicher Position solcher Argumente nach Belieben bedienen zu können, hat seinen Anteil daran, wenn rechtes Gedankengut gesellschaftsfähig wird und sich weiter ausbreitet.

Von Aktivitäten unseres Ministerpräsidenten, die das Land voranbringen, erfährt man ei-gentlich gar nichts. Im Gegenteil, dort wo es darauf ankommt, sich am Verhandlungstisch durchzusetzen und die Interessen des Landes konsequent zu vertreten – etwa beim Länderfinanzausgleich oder bei den Regionalisierungsmitteln – bringt er immer wieder die rote Laterne mit ins Land. Von einer lame Duck kann man wohl auch nicht mehr Engagement erwarten. Aber angeblich „läuft ja alles nach Plan“. Nach welchem Plan eigentlich Herr Haseloff? Wir erkennen nur Planlosigkeit bis hin zur Agonie.

Inzwischen muss man ja sogar schon ehr von einer „Bermuda-Koalition“ sprechen, denn das Versenken von Themen steht geradezu als Synonym für die Arbeit von Regierung und Koali-tion. Aus dieser Dreiecksbeziehung, aus diesem Sumpf von Uneinigkeit, Missgunst und Ignoranz kommt kaum ein Gesetz oder ein Antrag wieder heraus oder man erkennt anschließend den Inhalt nicht mehr wieder.

Immerhin konnte die Bordkapelle zum Reformationsjubiläum laut, lange und viel zu teuer aufspielen. Was aber wäre aus Sachsen-Anhalt zu hören gewesen, wenn uns die Geschich-te diesen Ball nicht zur besten Zeit zugespielt hätte? Man würde nur noch das überlaute Knirschen im Gebälk der Koalition hören. Die Instabilität ist so groß, am Pulverfass dieser Koalition sind so viele Lunten gelegt, dass das Gebäude jederzeit und von jeder Seite zum Einsturz gebracht werden kann, wenn es nur einer will.

Und nur darum geht es noch in dieser Koalition - ob und wie lange man durchhalten kann und will. Es geht nicht um Inhalte, nicht um gemeinsame Ziele, nicht um eine Perspektive oder gar um eine Vision für das Land und seine Menschen. Es geht um die Verwaltung der Macht - also genau darum, was bei den Menschen Politikverdrossenheit erzeugt. Statt sich zusammenzuraufen und diesem Land eine Zukunft zu geben, ist offensichtlich nur noch der eine des anderen Teufel. „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, das ist die politische Maxime in dieser Zweckgemeinschaft.

Das Kinderfördergesetz und wirksame Maßnahmen gegen Kinderarmut, ein Nachtragshaus-halt für 2018 und ein modernes Personalvertretungsgesetz, die Seilbahn für Schierke und das Jagdrecht für den Wolf, das Schulgesetz, das Förderschulkonzept und nicht zuletzt immer wieder die Personalausstattung in den Schulen - die Agenda der politischen Minenfelder dieser Koalition ließe sich beliebig fortsetzen. Die Zeit dieser Debatte reicht dafür heute nicht aus, aber wir werden die Liste der unerfüllten Versprechen, der Rückschritte und blo-ckierten Vorhaben zusammenstellen und veröffentlichen.

So wie im ersten Drittel darf es nicht weitergehen. Wenn sie diese Spielchen mit der AfD nicht beenden, wenn die Koalitionspartner nicht aufhören, sich bis aufs Blut zu quälen, wenn sie die Probleme dieses Landes weiterhin ignorieren und aussitzen, dann ist ihr Regierungs-projekt gründlich gescheitert und muss im Interesse der Menschen beendet werden. Da hilft auch keine Schönfärberei in seliger Weihnachtsstimmung. Ihr Wählerauftrag heißt, das Land zu gestalten und nicht, die eigene Macht zu verwalten.