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Thomas Lippmann zu TOP 20: Schulnoten sind sind Nachweis für Leistungen im Schulsystem - Defizite transparent machen und planmäßig abbauen

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

vor drei Wochen gab es in unseren Schulen die Halbjahreszeugnisse. Leider haben die inzwischen etliche Lücken und diese Lücken werden immer größer. Wir müssen im Moment davon ausgehen, dass es für mehrere Tausend Schüler*innen nicht in allen Fächern die erhofften Halbjahresnoten auf den Zeugnissen gab, sondern mindestens einmal die Bemerkung „nicht erteilt“. Nun kann es natürlich immer einmal vorkommen, dass ein bestimmter Fachlehrer für ein halbes oder auch ein ganzes Schuljahr nicht zu bekommen ist. In Musik haben wir z.B. schon seit Jahrzehnten einen Mangel und man findet dann im Kollegium meist auch niemanden, der den Unterricht fachfremd übernehmen könnte.

 

Aber das sind unter normalen Umständen die absoluten Ausnahmen. Wenn die Unterrichtsversorgung insgesamt ausreichend ist, betrifft das nur einzelne Mangelfächer und auch nur in ganz wenigen Schulen. Heute hat sich das aber komplett geändert. Der Lehrermangel hat solche Ausmaße angenommen, dass er inzwischen auch gravierende Auswirkungen auf die Erteilung von Zeugnisnoten hat. Nach unserem Eindruck sind aktuell Hunderte Schulen und Tausende Schüler von dem Komplettausfall des Unterrichts betroffen. Und dabei geht es auch längst nicht mehr nur um die typischen Mangelfächer, sondern der Totalausfall kann praktisch in jedem Fach auftreten.

 

Der Bildungsminister weigert sich bisher hartnäckig, sich mit dieser Entwicklung auch nur zu beschäftigen und zumindest auf Nachfrage die Fälle der nicht erteilten Zeugnisnoten zu erfassen und die Dimension offen zu legen. Dennoch ist eine Prognose darüber nicht schwer zu treffen. Vielleicht haben sich ja einige in den letzten Wochen einmal in ihrem privaten Umfeld umgehört. Ich war wirklich irritiert, wie oft von nicht erteilten Zeugnisnoten berichtet wurde – und eben nicht nur in Musik, sondern auch in Sport, in Physik oder in Englisch.

 

Es war natürlich zu erwarten, dass der wachsende Lehrermangel irgendwann solche Konsequenzen haben muss. Mit dem Sinkflug in der Unterrichtsversorgung gelingt es den Schulbehörden immer weniger, den Mangel zumindest gerecht zu verteilen. Und da gibt es inzwischen beängstigende Unterschiede zwischen den Schulformen und erst recht zwischen einzelnen Schulen. Mit der jährlichen Statistik zur Unterrichtsversorgung hatten sich bereits die Hinweise verdichtet, dass es vielen Schulen nicht mehr gelingen wird, in allen Klassen und Fächern den Unterricht so anzubieten, dass sie ihren Schülerinnen und Schülern eine Halbjahresnote erteilen können.

 

Landesweit lag die Unterrichtsversorgung zum Schuljahresbeginn offiziell bei 96,2 Prozent. Eine Zahl, die uns am Beginn der Legislatur noch in helle Aufregung versetzt hätte, die wir heute nur noch resigniert zur Kenntnis nehmen. Ohne die bedarfsmindernden Maßnahmen der letzten Jahre und die viele Mehrarbeit liegt die Unterrichtsversorgung aber real schon unter 90 Prozent. Und im Laufe des Schuljahres sinkt sie erfahrungsgemäß immer weiter.

 

Betroffen sind alle weiterführenden Schulen mit Ausnahme der Gymnasien. Bei den Sekundarschulen, Gemeinschaftsschulen, Gesamtschulen und auch bei den Förderschulen sind inzwischen die Schulen die Ausnahme, die ihr Unterrichtsangebot noch vollständig absichern können. Von den knapp 250 weiterführenden Schulen liegt die Unterrichtsversorgung bereits in 79 Schulen unter 90 Prozent und bei 10 dieser Schulen sogar unter 80 Prozent. Aber auch 46 Grundschulen haben eine Unterrichtsversorgung von unter 90 Prozent. Das sind also offiziell 125 Schulen die weniger als 90 Prozent Unterrichtsversorgung haben – und auch diese Bilanz ist noch geschönt.

Nun muss man nicht viel über die Bedeutung von Zeugnisnoten sagen, denn viele halten die ja ohnehin für das Wichtigste in der Schule. Aber selbst wenn man nicht zu denen gehört, die Noten für so wichtig halten, geben diese vielen Lücken auf den Zeugnissen eine dramatische Entwicklung wieder. Mit den Zeugnisnoten soll ja dokumentiert werden, was die Schüler*innen im zurückliegenden Halbjahr gelernt haben. Und wenn da nichts hingeschrieben werden kann, dann haben sie eben auch nichts gelernt. Tausende Schüler haben im letzten Halbjahr mindestens in einem Fach nichts gelernt. Und in aller Regel können sie das später auch nicht wieder aufholen.

 

Gegen diese Entwicklung müssen dringend Maßnahmen ergriffen werden. Aber dafür muss man erst einmal die Fakten kennen. Vermutlich wird das Ergebnis der Datenerhebung schockierend sein und vermutlich ist das auch der Grund, weshalb es der Bildungsminister auch gar nicht erst wissen will. Statt zu reagieren, steckt er den Kopf in den Sand und verschließt die Augen vor der Realität.

 

Auf eine entsprechende Kleine Anfrage zu den fehlenden Noten auf den letzten Endjahreszeugnisse hat er im November die Antwort komplett verweigert. Er hätte die Daten nicht und er lässt sie auch nicht erheben, weil das für die Schulen zu aufwändig wäre. Es geht dabei um eine Nachfrage, die in fast allen Schulen in fünf Minuten beantwortet werden kann. Und selbst da, wo es vielleicht etwas länger dauern sollte, schafft das die Schulleitung in der Mittagspause.

 

Die Verweigerung der Antwort ist absolut willkürlich. Deshalb streiten wir jetzt vor dem Landesverfassungsgericht, ob die Gründe des Ministers ausreichend sind, um die Antwort zu verweigern. Denn was der Bildungsminister als Begründung für seine Verweigerung angeboten hat, ist absurd und hanebüchen. Es dauert länger, sich so einen Unsinn auszudenken als die Antwort zu verfassen. Angeblich müssten alle 194.000 Schülerakten angefasst und händisch ausgewertet werden. Der Minister brüstet sich ja gern, dass er Ahnung von Schule und Verwaltung hat, aber daran muss man angesichts dieser Begründung ernsthaft zweifeln.

 

Wir können als Abgeordnete nicht hinnehmen, dass uns von der Landesregierung selbst einfachste Datenerhebungen verweigert werden und wir uns vor dem Landesverfassungsgericht unser Auskunftsrecht erstreiten müssen. Deshalb ist es notwendig, dass wir mit diesem Antrag unserem Bildungsminister einen Eintrag in sein Hausaufaufgabenheft erteilen.

 

Es geht aber auch darum, dass sich der zuständige Ausschuss für Bildung und Kultur systematisch mit der weiteren Entwicklung bei den Zeugnisnoten beschäftigen muss und mit dem Ministerium geeignete Gegenmaßnahmen diskutiert. Es reicht also nicht aus, die Daten über ständige Kleine Anfragen zu erfassen. Das Ministerium muss verpflichtet werden, die Daten von sich aus regelmäßig und zeitnah zu erheben und dem Ausschuss eine Auswertung vorzulegen.

 

Wenn der Bildungsminister nicht so uneinsichtig wäre und von sich aus die Fakten auf den Tisch legen würde, bräuchte man weder diesen Antrag noch die Klage vor dem Landesverfassungsgericht. Zu dieser Einsicht fordere ich ihn hier auf. Herr Tullner, ersparen sie sich die Blamage, erst durch das Parlament oder das Verfassungsgericht auf ihre Auskunftspflicht als Minister hingewiesen zu werden und suchen sie den Dialog im zuständigen Ausschuss.