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Thomas Lippmann zu TOP 15: Schulen mit hohem Anteil ausländischer Schüler*innen besondesr unterstützen

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

vor den Sommerferien hatte die Mitglieder im Bildungsausschuss ein ungewöhnlich deutlicher Brandbrief aus der Gemeinschaftsschule Kastanienallee in Halle erreicht. Er war vom gesamten Kollegium unterschrieben und es ist ein Hilferuf an die Politik. Vorangegangen waren Versuche, mit Hilfe des Bildungsministers und sogar unter Mithilfe des Ministerpräsidenten zu Lösungen zu kommen. Das ist aus Sicht der Kolleginnen und Kollegen aber gescheitert und hat ihren Frust und auch ein Stück weit ihre Verzweiflung verstärkt.

Die geschilderten Probleme bestehen darin, dass an der Gemeinschaftsschule Kastanienallee ein besonders hoher Anteil ausländischer Schülerinnen und Schüler lernt. Er betrug im letzten Schuljahr nach Angaben des statistischen Landesamtes etwa zwei Drittel aller Schülerinnen und Schüler der Schule. Das ist landesweit der höchste Wert unter den weiterführenden Schulen. In Grundschulen liegen liegt der Anteile ausländischer Schülerinnen und Schüler in der Spitze sogar bei über 70%.

Neben der Gemeinschaftsschule Kastanienallee gab es im letzten Schuljahr noch fünf weitere Schulen an denen überwiegend – also mehr als 50% – ausländische Schülerinnen und Schüler unterrichtet wurden. Insgesamt gab es zuletzt 30 Schulen mit einem Anteil ausländischer Schülerinnen und Schüler von 25% oder mehr. Über diese Schulen sprechen wir in unserem Antrag, wenn wir von Migrationsschulen sprechen. Etwa zwei Drittel dieser Schulen sind Grundschulen, das andere Drittel sind Sekundarschulen oder Gemeinschaftsschulen. Etwa zwei Drittel dieser Schulen befinden sich in den beiden Städten Magdeburg und Halle, das andere Drittel verteilt sich auf einzelne Schulen in den Städten Dessau, Merseburg und Stendal aber auch in Salzwedel, Weißenfels und Zeitz.

Bei genauerer Betrachtung kommt man zu der Einschätzung, dass sich an der Zusammensetzung der Schülerschaft in diesen Schulen auf absehbarer Zeit nur wenig ändern wird. Mit der letzten Änderung unseres Schulgesetzes haben wir das Signal gegeben, dass in Abstimmung zwischen Schulträger und Landesschulamt stärker auf eine gleichmäßigere Verteilung der ausländischen Schülerinnen und Schüler hingewirkt werden soll. Dem ist aus Gründen eines besseren Spracherwerbs und einer besseren Integration auch zuzustimmen. Es zeigt sich aber, dass die Möglichkeiten einer Verteilung auf andere Schulen sehr schnell an Grenzen stoßen. Dies zu vertiefen fehlt hier die Zeit, das kann dann aber im Rahmen der Ausschussberatungen geschehen. Für uns bleibt heute festzuhalten, dass es sich bei der Konzentration von ausländischen Schülerinnen und Schülern an ganz bestimmten Schulen um eine systematische Entwicklung handelt, der wir uns politisch stellen müssen und auf die wir reagieren müssen.

Denn selbstverständlich muss jedem klar sein, dass Schulen mit einem so hohen Anteil ausländischer Schülerinnen und Schüler mit ganz spezifischen Herausforderungen konfrontiert sind. Dafür müssen wir Bedingungen schaffen, unter denen auch in diesen Schulen erfolgreich gearbeitet werden kann. Denn diese Schüler natürlich kein schlechteres Leistungsvermögen als ihre deutschen Mitschüler Schüler – ganz im Gegenteil. Die meisten Migranten sind besonders fleißig und lernen außerordentlich schnell. Die besonderen Herausforderungen bestehen auch nicht im Verhalten dieser Schülerinnen und Schüler, wobei die große kulturelle Vielfalt, die in manchen Klassen herrscht, sicher auch zu den speziellen Herausforderungen zählt.

Was diese Schulen aber ungleich mehr leisten müssen als andere Schulen, ist auf der einen Seite der Spracherwerb und auf der anderen Seite der Ausgleich der teilweise extrem unterschiedlichen Schulkarrieren. Denn neben den fehlenden Sprachkenntnissen fehlen oft auch alle anderen schuli-schen Voraussetzungen, um dem Unterricht in einer normalen Klasse folgen zu können. Die Bedin-gungen in den Herkunftsländern und bei Geflüchteten zusätzlich die Dauer der Flucht sind höchst unterschiedlich und lassen so Kinder mit unterschiedlichsten Wissensständen in einer Klasse sitzen. Inzwischen hat der Bildungsausschuss im Rahmen eines Selbstbefassungsantrages zur Situation in der Gemeinschaftsschule Kastanienallee diskutiert, doch greifbaren Ansätze für eine Lösung gab es dabei nicht.

Den Schulen muss aber geholfen werden und zwar schnell! Dazu sind wir gegenüber den dort lernenden Kindern und Jugendlichen aber auch gegenüber den dort arbeitenden Pädagoginnen und Pädagogen verpflichtet. Wir können nicht länger wegschauen und die Schulen mit den benannten Problemen allein lassen. Der Ministerpräsident war ja an der Gemeinschaftsschule Kastanienallee, aber nach meinen Informationen nicht deshalb, weil es an dieser Schule den höchsten Anteil ausländischer Schülerinnen und Schüler gibt. Er war dort, weil diese Schule einen auffällig großen Anteil an Schulabbrechern – also an Schülern ohne Schulabschluss – hat.

Denn das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die direkte Folge, wenn man an diesen Schulen mit ihrer besonderen Schülerschaft nicht für entsprechende Rahmenbedingungen sorgt. Das muss hier klar ausgesprochen werden: Indem wir diese Jugendlichen ohne die notwendige Unterstützung durch unser Schulsystem rutschen lassen und ihnen damit keine faire Chance geben, sich hier entsprechend ihrer Möglichkeiten zu entwickeln, schaffen wir für sie und für uns die künftigen Probleme. Bei entsprechender Förderung und geeigneten Rahmenbedingungen können die allermeisten dieser ausländischen Jugendlichen am Ende einen schulischen Abschluss erwerben und den erfolgreichen Wechsel in eine berufliche Ausbildung schaffen.

Es ist also eine Frage der Menschlichkeit, der Gerechtigkeit aber auch der ökonomischen Vernunft, das Potenzial dieser Kinder und Jugendlichen bestmöglich zu entwickeln. Da in den hier angespro-chenen Migrationsschulen ausländische Schülerinnen und Schüler in großer Anzahl lernen, ist es möglich und sinnvoll, besondere Strukturen und besondere Rahmenbedingungen für den Unterricht und den Erwerb eines schulischen Abschlusses zu schaffen.

Welche Überlegungen hier weiterhelfen können, haben wir vor Ort diskutiert und in unserem Antrag zusammengetragen. Es sind im Wesentlichen drei Bereiche. An erster Stelle steht in der Schule immer das pädagogische Personal. Wir schlagen vor, im Rahmen der derzeit unbesetzten Lehrerstellen nach speziellen Lehrkräften für diese Schulen zu suchen. Diese sollen als Migrationslehrkräfte vor allem beim Spracherwerb eingesetzt werden aber u.a. auch die Arbeit als Klassenlehrer und weitere schulische Angebote übernehmen. Darüber hinaus schlagen wir vor, die Arbeit der Schulen mit einem besonderen Landesprogramm Schulsozialarbeit zu unterstützen, für das wir im Haushalt die Mittel einstellen müssen.

In unserem Antrag schlagen wir darüber hinaus vor, an diesen Migrationsschulen spezielle Regelun-gen für den Unterricht und den Erwerb schulischer Abschlüsse zu schaffen. Dafür sollen die beste-henden Regelungen zum Nachteilsausgleich und die langjährigen guten Erfahrungen mit den Klassen im „Produktiven Lernen“ für die spezifische Situation der ausländischen Schülerinnen und Schüler genutzt und entsprechend angepasst werden. Sofern es für den Lernerfolg der förderlich ist, soll es die Möglichkeit geben, stabile Lerngruppen mit ausländischen Schülerinnen und Schülern zu bilden.

Letztlich sollen sich die Schulen in einem Netzwerk zusammenzuschließen und sich dort kontinuier-lich über ihre Erfahrungen, Probleme und Lösungen austauschen. Außerdem soll allen Pädagogen dieser Schulen eine spezielle Qualifizierung angeboten werden, um den Anforderungen im Schulalltag bestmöglich gerecht werden zu können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich setzte darauf, dass wir die Herausforderungen in diesen Schulen ernst nehmen und die Vorschläge im Bildungsausschuss zügig und konstruktiv beraten. Wir müssen diese Schulen schnellstmöglich und wirksam unterstützen. Eine monatelange Hängepartie oder nur ein paar leere Versprechungen können wir uns hier nicht leisten.