Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

Thomas Lippmann zu TOP 15: Entwurf eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt

Nachdem wir seit dem Sommer bereits verschiedene Debatten über die Schwierigkeiten beim Start in das neue Schuljahr führen mussten, wissen wir nunmehr nach der offiziellen Unterrichtsstatistik mit Gewissheit, dass die Ausstattung unserer Schulen mit Lehrkräften und pädagogischen Mitarbeiter*innen inzwischen einen außerordentlich besorgniserregenden Stand erreicht hat. Und wir erahnen vielleicht, welche Entwicklungen uns diesbezüglich in den kommenden Jahren noch bevorstehen werden.

Die Schulbehörden sind aufgrund der herrschenden Rahmenbedingungen nicht mehr in der Lage, auch nur die akutesten Personalprobleme zu lösen. In 40 Schulen liegt die Unterrichtsversorgung unter 90%. Über eine Unterrichtsversorgung von mindestens 100% verfügt nur noch die Hälfte aller Schulen und auch nur noch an der Hälfte der Grundschulen kann die Ausstattung mit pädagogischen Mitarbeiter*innen als ausreichend gelten. Und das alles mit weiter sinkender Tendenz.

Schon jetzt hat die Koalition das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel einer Unterrichtsversorgung von 103% faktisch aufgegeben. Vielmehr bereitet der Bildungsminister die Schulen, die Eltern und die Öffentlichkeit mental auf eine lange Durststrecke mit erheblichen Einschränkungen des schulischen Angebotes vor. Von der Ausstattung der Grundschulen mit pädagogischen Mitarbeiter*innen und damit von der Aufrechterhaltung der verlässlichen Öffnungszeit hat sich die Koalition ebenso verabschiedet. Und auch von der Gestaltung eines inklusiven Unterrichts zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention.     

In unseren Postfächern stapeln sich inzwischen die Hilferufe aus den Schulen. Deshalb setzt die Fraktion DIE LINKE mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes ihre intensiven Bestrebungen fort, diese Entwicklung nicht einfach hinzunehmen oder die erkennbaren Fehleinschätzungen der Lage und das Ausbleiben notwendiger Entscheidungen der Landesregierung nur zu beklagen. Wie schon mit den Anträgen in den vorhergehenden Sitzungen sollen stattdessen konkrete Wege aufgezeigt und Maßnahmen vorgeschlagen werden, wie dem drohenden Kollaps entgegenzuwirken ist.

Neben der Schaffung der Voraussetzungen im Landeshaushalt – über den werden wir ja dann hier im hohen Haus ab morgen intensiv diskutieren – rückt dabei inzwischen immer mehr die Frage in das Zentrum, wie der erheblich steigende Bedarf an Lehrkräften und pädagogischen Mitarbeiter*innen künftig überhaupt noch durch geeignete Bewerber gedeckt werden kann. Die zähe Auseinandersetzung um die Weiterbeschäftigung der 185 Sprachlehrkräfte zeigt allerdings, dass im Bildungsministerium – aber auch hier in Teilen des Parlaments – offensichtlich noch immer die Auffassung herrscht, der schnell steigende Bedarf an Lehrkräften könne noch über längere Zeit durch grundständig ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer gedeckt werden.
Wie lange sich dieser Glaube noch halten wird, werden wir bald gemeinsam erfahren und durchleben. Denn für eine Deckung des Lehrkräftebedarfes durch ausgebildete Lehrkräfte muss man selbst ausreichend ausbilden – das ist aber in den letzten fünfzehn Jahren versäumt worden. Und selbst jetzt, im Angesicht des offensichtlichen Mangels, tut sich noch immer viel zu wenig – sowohl an den Universitäten als auch in den Seminaren für Lehrämter.

Die Gewinnung und Qualifizierung von Quer- und Seiteneinsteigern sowie die Flexibilisierung der Lehrerausbildung in den Seminaren für Lehrämter wird deshalb für längere Zeit von strategischer Bedeutung für die Sicherung der Unterrichtsversorgung sein. Außerdem sind auch die freien Schulen bei der Lehrkräftegewinnung zu unterstützen, indem unsinnige Restriktionen beseitigt werden. Dafür müssen unverzüglich die schulrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, wie wir sie in diesem Gesetzentwurf konzipiert haben. Insgesamt geht es dabei um drei Regelungsbereiche:

1.    Die Zulassung zum Vorbereitungsdienst:

Alle Seiteneinsteiger, die ohne oder mit nicht ausreichender pädagogischer und didaktischer Ausbildung in den Schuldienst eingestellt werden, müssen einen uneingeschränkten Zugang zum Vorbereitungsdienst erhalten. Gegebenenfalls ist auch über eine Verpflichtung für Seiteneinsteiger im Zuge der Einstellung zu entscheiden. Dieser erweiterte Zugang soll nach einer Ergänzung in § 30 des Schulgesetzes durch das Bildungsministerium durch Verordnung geregelt werden.

2.    Die Art der Durchführung des Vorbereitungsdienstes:

Die antragstellende Fraktion geht davon aus, dass in den nächsten Jahren immer mehr Lehrkräften im Unterricht eingesetzt werden müssen, die nicht über eine abgeschlossene Lehramtsausbildung verfügen. Damit dieser Weg der Fachkräftegewinnung aber überhaupt erfolgreich beschritten werden kann, müssen diese Beschäftigten nach ihrer Einstellung in den Schuldienst zu vollwertigen Lehrkräften weitergebildet werden. Dies ist unverzichtbar im Hinblick auf den langfristigen erfolgreichen Einsatz dieser Lehrkräfte und die Qualität des von ihnen erteilten Unterrichtes und es dient letztlich auch dem Ziel einer gleichen Bezahlung. Dafür müssen gesonderte Regelungen und Strukturen für einen berufsbegleitenden und – mit Blick auf den bereits begonnenen Unterrichtseinsatz – auch verkürzten Vorbereitungsdienst geschaffen werden.

Ein berufsbegleitender Vorbereitungsdienst ist zwar im Koalitionsvertrag vermerkt (wenn man nachlesen will – auf Seite 69) und durch das Bildungsministerium wird darüber in der Öffentlichkeit auch schon gesprochen. Für einen solchen neuen Weg der Ausbildung in der 2. Phase müssen aber zunächst einmal die schulgesetzlichen Grundlagen geschaffen werden. Das Bildungsministerium soll deshalb durch eine weitere Ergänzung in § 30 ermächtigt werden, die Bedingungen und die notwendige Reduzierung der Dauer und der Anforderungen zu regeln.

3.    Vereinfachung und Erleichterung der Lehrkräftegewinnung für freie Schulen

Last but not least sitzen öffentliche und freie Schulen hinsichtlich der Lehrkräftegewinnung im gleichen Boot und sind mit den gleichen Problemen konfrontiert. Allerdings können diese für die freien Schulen im Unterschied zu öffentlichen Schulen schnell existenzbedrohend werden. Dafür gibt es ja leider schon erste Beispiele und auch weitere Hinweise.

Im zunehmenden Ringen um die Sicherung eines ausreichenden und möglichst gut qualifizierten Lehrkräftebestandes sollen die freien Schulen in die Lage versetzt werden, ihr Unterrichtsangebot auch in Zukunft aufrecht erhalten zu können. Aus den aktuellen Regelungen des § 16a haben sich eine ganze Reihe von Hemmnissen entwickelt, die in den zurückliegenden Jahren den Einsatz von Lehrkräften an Ersatzschulen unnötig erschwert oder sogar verhindert haben, obwohl dies aus fachlicher Sicht völlig unbegründet erscheint.

Es hat sich über die Jahre auch eine Verwaltungspraxis bei der Genehmigung des Lehrkräfteeinsatzes an Ersatzschulen herausgebildet, die sowohl auf Seiten der Schulträger als auch auf Seiten der Schulbehörden – also des Landesschulamtes – einen völlig unverhältnismäßigen und unnötigen Aufwand erzeugt. Dies bindet bei den Schulträgern und beim Landesschulamt erhebliche Personalkapazitäten und erzeugt natürlich bei den Schulträgern entsprechende Kosten, die die Finanzierung der Schulen ohne Not belasten. Es ist deshalb das Ziel dieses Gesetzentwurfes, dass der Gesetzgeber unmissverständlich zum Ausdruck bringt, unter welchen Voraussetzungen die Schulträger freier Schulen Lehrkräfte einstellen und im Unterricht einsetzen dürfen. Die Notwendigkeit, den Unterrichtseinsatz durch das Landesschulamt genehmigen zu lassen, soll auf die wenigen Fälle begrenzt werden, in denen eine Abweichung von den gesetzlich fixierten Voraussetzungen gegeben ist.

Der Antrag geht von dem Grundsatz aus, dass alle Personen, die eine grundständige Lehrerausbildung an einer Hochschule nachweisen können, uneingeschränkt und ohne dass es dazu einer gesonderten Überprüfung und Genehmigung durch das Landessschulamt bedarf, in freien Schulen als Lehrkräfte eingesetzt werden können. Eine Vergleichbarkeit zum beamtenrechtlichen Vorbereitungsdienst unserer heutigen zweiphasigen Lehramtsausbildung ist dafür nicht zu verlangen. Denn der Vorbereitungsdienst in den Staatlichen Seminaren für Lehrämter ist im Rahmen der deutschen Lehramtsausbildung zwar auch Teil der pädagogischen Ausbildung, er dient aber in erster Linie der Sicherung der Laufbahnbefähigung für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis. Dieser Nachweis muss für den Einsatz an freien Schulen nicht gefordert werden.

Darüber hinaus soll es – in Anwendung der Regelungen für die öffentlichen Schulen – den freien Schulen ermöglicht bzw. erleichtert werden, Lehrkräfte bei Bedarf auch außerhalb der studierten Fächer einzusetzen und zwar sowohl kurzzeitig im Vertretungsunterricht als auch längerfristig als sognannte „Neigungsfachlehrer“. Und letztlich sollen auch die freien Schulen unter erleichtern Bedingungen geeignete Seiteneinsteiger gewinnen und beschäftigen können.

Wir hoffen, dass sowohl in der Landesregierung als auch hier im hohen Haus die Auswirkungen des fortschreitenden Lehrkräftemangels endlich wahrgenommen und ernsthaft bearbeitet werden. Wir erwarten, dass im Interesse der Bildung unsere Kinder und Jugendlichen dabei weniger auf die Antragsteller als mehr auf den Antragsinhalt geschaut wird. Wir erwarten eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema der Seiteneinsteiger und mit den dringenden Anliegen der freien Schulen. Dafür beantragen wir die Überweisung in den Ausschuss für Bildung und Kultur.