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Thomas Lippmann zu TOP 14: Pädagogische Angebote während der verlässlichen Öffnungszeiten an Grundschulen und an Ganztagsschulen weiter auf gutem Niveau sichern

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Schule ist mehr als guter Unterricht! Pädagogen wissen, dass man Schülerinnen und Schüler in der Schule nicht nur mit Lernstoff füttern kann, sondern dass die Schule auch Lebensort ist, der Zeit und pädagogische Angebote für die Entwicklung der ganzen Persönlichkeit bie-ten muss. Deshalb haben wir nach unserem Schulgesetz seit 15 Jahren Grundschulen mit verlässlichen Öffnungszeiten, die am Anfang sogar einmal feste Öffnungszeiten waren, und deshalb unternehmen wir seit ebenso langer Zeit Anstrengungen, teilweise mit Unterstützung seitens des Bundes, um in den weiterführenden Schulen Ganztagsangebote aufzubauen und weiterzuentwickeln.

Seit wir in unseren Schulen den organisierten Mangel an Lehrkräften und pädagogischen Mitarbeitern inzwischen unmittelbar zu spüren bekommen, hört man vom zuständigen Mi-nister immer wieder, dass man sich jetzt nur noch auf das Erteilen von Unterricht konzentrieren müsse und man sich dafür von liebgewordenen Gewohnheiten aus den Zeiten des Personalüberflusses verabschieden müsse. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehen wir ausdrücklich anders. Wer glaubt, Schule auf das Stundengeben reduzieren zu können, hat von Pädagogik schlicht keine Ahnung. Und er weiß auch nichts über die Entwicklung in unse-ren Schulen in den letzten Jahrzehnten.

Betroffen von dieser Kehrtwende in der Schulpolitik der Landesregierung sind vor allem die Grundschulen mit ihrer verlässlichen Öffnungszeit von täglich 5,5 Zeitstunden. Betroffen sind aber auch die Förderschulen für die Schülerinnen und Schüler mit geistigen Behinderungen und mit Körper- und Sinnesschädigungen. Sie brauchen vor und nach dem Schulunterricht und in den Ferien in einem verlässlichen Umfang in ihren Schulen außerunterrichtliche pädagogische Angebote für eine qualifizierte Betreuung und sinnstiftende Gestaltung ihrer Freizeit, die ihnen außerhalb der Schule kaum geboten werden können. Betroffen sind aber zunehmend auch die weiterführenden Schulen, die sich als Ganztagsschulen profiliert und entsprechende Konzepte erarbeitet haben.

Sie alle brauchen für ihre außerunterrichtlichen Angebote pädagogisches Personal, das bis vor etwa drei Jahren auch noch in ausreichendem Maße vorhanden war und das nun in gro-ßen Schritten abgebaut wird. Damit hebt das Bildungsministerium die verlässlichen Öff-nungszeiten der Grundschulen faktisch schrittweise auf, obwohl der Anspruch im Schulgesetz weiterhin normiert bleiben soll und es entzieht auch den bisher genehmigten Ganztags-schulen perspektivisch die Grundlagen. Im Bereich der Grundschulen war Sachsen-Anhalt mit den verlässlichen Öffnungszeiten bisher bundesweit vorbildlich und hatte dadurch insgesamt auch gute Bildungserfolge vorzuweisen. Diese Erfolgsbilanz wird enden, u.a. weil die verlässliche Öffnungszeit an vielen Schulen schon nicht mehr realisiert werden kann.

Eine solche Entwicklung ist ein klarer Rückschritt, völlig gegen den nationalen und internati-onalen Trend. Alle Studien weisen auf die Bedeutung von ausreichend Zeit für die Bildung der Kinder und Jugendlichen hin und fordern mehr statt weniger Ganztagsangebote. Mit unserem Antrag soll der Landtag ein klares Signal setzen, dass diese Abwicklung der Ganz-tagsangebote gestoppt und das bisher erreichte Niveau nicht nur gesichert, sondern weiter ausgebaut wird. Dazu werden neben den schon bekannten Forderungen, durch mehr Neueinstellungen für einen ausreichenden Personalbestand bei den Landesbeschäftigten zu sor-gen, auch neue Wege zur Sicherung der pädagogischen Angebote aufgezeigt.

Im ersten Teil des Antrages stehen die Grundschulen mit ihren verlässlichen Öffnungszeiten im Fokus. Hier soll sich der Landtag zunächst dazu positionieren, dass die Kinder in der Zeit außerhalb des Unterrichtes nicht nur beaufsichtigt und aufbewahrt, sondern pädagogisch angeleitet und gebildet werden. Das Bildungsministerium vertrat hier zuletzt im Bildungs-ausschuss die Auffassung, dass die verlässliche Öffnungszeit auch ohne pädagogische Mitar-beiter/innen, ohne Unterrichtsdeputat der Lehrkräfte und auch ohne finanzielle Mittel für die Nutzung von Angeboten durch Dritte abgesichert werden könnte. Die Lehrkräfte, die mit 27 Wochenstunden Unterricht völlig ausgelastet sind, sollen die Zeit vor und nach dem Un-terricht außerhalb ihrer Unterrichtsverpflichtung – also praktisch ehrenamtlich – ausgestalten. Genauso wie die Eltern und Großeltern oder auch ehemalige Lehrkräfte, die aus purer Verzweiflung um Hilfe gebeten werden.

Am Ende führt das alles nur dazu, dass Kinder über längere Zeiten – bis zu 60 Minuten und mehr – und in Gruppen bis zu 100 Schülerinnen und Schüler nur noch beaufsichtigt werden. Das hat mit einer verlässlichen Öffnungszeit nichts mehr zu tun und darf weder den Kindern, noch den Pädagogen und den Eltern weiter zugemutet werden. Wenn wir als Gesetzgeber daran festhalten wollen, dass es weiterhin eine verlässliche Öffnungszeit an unseren Grund-schulen gibt, dann müssen wir auch die Voraussetzungen für pädagogische Angebot schaffen und nicht eine Massenaufbewahrung auf dem Schulhof oder in der Turnhalle organisieren.

Wie das auch dann funktionieren kann, wenn in den Schulen die Lehrkräfte und pädagogi-schen Mitarbeiter/innen knapp werden, hat sich in verschieden Kommunen schon gezeigt. Träger der Horte waren bereit und in der Lage, der Not in den Grundschulen durch die Be-reitstellung der eigenen Beschäftigten abzuhelfen. Allerdings haben sie hier auf ihre Kosten Leistungen des Landes übernommen und dem Land allerdings diese Leistung anschließend entsprechend in Rechnungen gestellt. Natürlich erfolglos, weil es dafür bisher keine Rechtsgrundlage und natürlich auch keine Haushaltsvorsorge gibt. Diese Vor-Ort-Lösungen sind aber absolut naheliegend und sinnvoll. Deshalb soll die Landesregierung genau für diese Lösungen die erforderlichen Grundlagen schaffen.

Was nicht geht ist, kein eigenes Personal und keine Haushaltsmittel bereitzustellen und trotzdem so zu tun, als ob es weiterhin eine verlässliche Öffnungszeit gäbe, nur weil sie im Schulgesetz steht. Eine wesentliche Grundlage für weitere Entscheidungen ist dabei, wie groß der Bedarf ist, der personell und finanziell abzusichern ist. Diese Frage ist seit der Ein-führung der festen Öffnungszeit unbeantwortet. Der Bedarf wurde einfach dem stetig sin-kenden Bestand angepasst. Wir machen in unserem Antrag erstmals einen ganz konkreten Vorschlag für die Bedarfsermittlung. Die Zuweisung von 0,5 Stunden je Schüler, der für die verlässliche Öffnungszeit angemeldet ist, orientiert sich an den Werten, die in den Schulbehörden am Beginn der festen Öffnungszeiten die Planungsgrundlage war.

Etwas anders sieht es derzeit noch an den Ganztagsschulen aus, doch auch hier drohen deutliche Einschnitte bis hin zum Rückbau des bestehenden Systems. Damit beschäftigt sich der zweite Teil unseres Antrages. Noch haben die Ganztagsschulen Zuweisungen an Lehrerwo-chenstunden und pädagogischen Mitarbeiter/innen. Allerdings ist beides in Gefahr, bald zu verschwinden. Der größte Teil der Lehrerwochenstunden ist schon kapitalisiert, weil kein Arbeitsvolumen von Landesbeschäftigten mehr verfügbar ist. Bei den pädagogischen Mitar-beiter/innen ist zu befürchten, dass sie an Förderschulen versetzt werden, wenn der versprochene Stellenaufwuchs auf 1.800 Vollzeitstellen vom Finanzminister weiter verweigert wird.

Die Ganztagsschulen bekommen Probleme mit ihren Konzepten, wenn sie sich alle Angebote nur noch bei Dritten einkaufen sollen. Man sieht jetzt schon, dass das in vielen Fällen nicht klappt und die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel deshalb auch nur etwa Hälfte abgeflossen sind. Besonders in den ländlichen Bereichen sind die Grenzen des Machbaren schnell erreicht. Hier müssen auch künftig mindestens zwei Drittel der Angebote weiterhin durch Landesbeschäftigten abgesichert werden. Ansonsten ist damit zu rechnen, dass bestehende Ganztagsschulen ihre Konzepte aufgeben müssen.

Mit unserem Antrag wollen wir außerdem darauf hinwirken, dass die Bedingungen für die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel deutlich vereinfacht, flexibilisiert und entbürokratisiert werden. Unter den derzeitigen Bedingungen ist der Aufwand für die Schulen zu groß und die Gestaltungsmöglichkeiten zu gering. Auch hier liegen Gründe dafür, dass die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zum Einsatz kommen und trotz verfügbarer Finanzmittel das Ganz-tagsangebot immer weiter ausgedünnt wird.

Wir erwarten von der Koalition, dass die Probleme ernst genommen werden und man die bisherigen außerunterrichtlichen Angebote nicht einfach sang und klanglos den Bach runtergehen lässt. Wir hoffen im Bildungsausschuss auf eine zügige und konstruktive Beratung un-seres Antrages, die am Ende substanzielle Lösungen übriglässt und nicht nur Leerformeln. Die Schulen brauchen jetzt endlich Hilfe von uns und die Schülerinnen und Schüler ein Bil-dungsnagebot, das den Namen noch verdient.