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Thomas Lippmann zu TOP 07: Vorgesehene Ausstattung der Schulen mit Pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im kommenden Schuljahr gewährleisten

Unser Finanzminister wurde im Zusammenhang mit den Problemen bei der Haushaltsaufstellung in den Medien zuletzt mehrfach mit den Worten zitiert, dass der Koalitionsvertrag zwar gelte, aber die vereinbarten Ziele nicht alle gleich, sondern einige auch erst später umgesetzt würden. Seit dieser verheißungsvollen Ankündigung fragen sich nun natürlich viele im Lande zu Recht, welche Ziele es denn sind, die von der späteren Umsetzung betroffen sein werden und was das eigentlich bedeutet, „nicht gleich, sondern später“.

„Später? Wann ist das?, hab‘ ich ihn gefragt, er hat nur gelacht und hat später gesagt.“ Dieser Text eines bekannten Schlagers aus den 70er Jahren geht mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf. Vielleicht erinnern sich ja die Älteren unter uns daran und wissen auch, wie die Geschichte im Lied ausgeht: Sie verlässt ihn, denn, so die Sängerin, „später, da kann es zu spät für mich sein.“ Wir dürfen also gespannt sein, wie lange die Koalitionspartner diese Hinhaltetaktik des Finanzministers aushalten werden.

In Bezug auf die vereinbarten Neueinstellungen von Pädagogischen Mitarbeiter*innen hat der Finanzminister jedenfalls schon mal klargestellt, dass diese in seiner Agenda zur Kategorie „später oder gar nicht“ gehören sollen. Auf unserer Besuchertribüne sitzen heute Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrer und Betreuer, die von diesen Entscheidungen unmittelbar betroffen sind. Ich empfehle vor allem den Finanzpolitikern, zu ihnen zu gehen und mit ihnen zu sprechen.

Sie können nicht auf nebulöse Versprechen für eine unbestimmte Zukunft warten. Diese Kinder und Jugendlichen sind Schutzbefohlene, die heute unserer besonderen Hilfe und Unterstützung bedürfen und die um ihre Zukunft betrogen werden, wenn sie ihnen verwehrt wird. Sie haben es aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht leicht, ihren selbstbestimmten und gleichberechtigten Weg ins Leben zu finden. Damit ihnen dies ermöglicht wird, brauchen sie in ihren speziellen Schulen nicht nur ausreichend Lehrkräfte, sondern eben auch Pädagogische Mitarbeiter*innen, Therapeuten und Betreuer. Sonst sind sie den Anforderungen im Schulalltag nicht gewachsen, sie leiden körperlich und können die ihnen möglichen Bildungsziele nicht erreichen.

Diese unverzichtbaren pädagogischen und therapeutischen Hilfen, die ihnen bisher zur Verfügung standen, wurden ihnen jetzt in einer bisher beispiellosen „Nacht-und-Nebel-Aktion“ genommen. Der Grund für diesen Kahlschlag liegt allein darin, dass der allgemeine Mangel an Pädagogischen Mitarbeiter*innen, der längst in allen Einsatzbereichen herrscht, nicht etwa schrittweise beseitigt wird. Nein, er wird einfach nur neu verteilt. Der rigide Personalabbau bei den Pädagogischen Mitarbeiter*innen wird ungebremst fortgesetzt, obwohl die Koalition mit ihrem Koalitionsvertrag eigentlich Besserung gelobt und Versprechungen gemacht hat.

Sehr geehrter Herr Minister Tullner, auch wenn es vermutlich so ist, dass sie nicht die Hauptverantwortung für diesen Zirkus um die Einstellung von Pädagogischen Mitarbeiter*innen tragen. Aber so können sie sich auf gar keinen Fall aus dieser Affäre herausstehlen – dass die Schwachen und Hilfebedürftigen gegeneinander ausgespielt werden. Das sind ja wirklich Hiobsbotschaften, die hier in den letzten Tagen aus fast allen betroffenen Einrichtungen bei uns angekommen sind. Ich fordere sie auf, die neuen Bedarfsberechnungen für die Förderschulen zurückzunehmen und die auf dieser Grundlage in Gang gesetzten Personalmaßnahmen unverzüglich außer Vollzug zu setzen.

Die Alternative zu diesem unseligen Verschiebebahnhof besteht darin, den Bedarf an den Förderschulen, so wie er sich aus der ursprünglichen Personalbemessung ergab, zur Grundlage für eine Ausschreibung zu machen und endlich neue Mitarbeiter*innen einzustellen. Dies haben wir mit der Ergänzung unseres Ursprungsantrages in der
Drs. 7/306 jetzt auch formuliert. Die 60 Stellen, die unverzüglich besetzt werden sollen, stehen zur Verfügung, denn etwa in diesem Umfang wurden Pädagogische Mitarbeiter*innen in der letzten Ausschreibung auf Lehrerstellen übernommen. Bei der Neubesetzung dieser Stellen können sich die Koalition also nicht hinter den Haushaltsberatungen verstecken, das ist Vollzug des Haushaltes 2016. Denn ob nun Lehrerkräfte von außen eingestellt werden oder auf freigezogenen Stellen neue Pädagogische Mitarbeiter*innen, ist fiskalisch und auch im Gesamtpersonal egal. Wenn sie es also dennoch nicht tun, dann nicht, weil sie nicht können, sondern weil sie es nicht wollen!

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und von der SPD: Ihr seid in dieser bunten Koalition diejenigen, die wissen, dass das so nicht weitergehen kann. Ihr müsst dafür sorgen, dass die Pädagogischen Mitarbeiter*innen nicht immer weiter zur finanzpolitischen Manövriermasse in Haushaltsverhandlungen degradiert werden. Ihre Arbeit ist in den Schulen genauso unverzichtbar, wie die Arbeit der Lehrkräfte. Damit die Schulen ihre Aufgaben erfüllen und die Schülerinnen und Schüler ihre Bildungsziele erreichen können, müssen auch Pädagogische Mitarbeiter*innen in ausreichender Zahl und mit entsprechender Qualifikation zur Verfügung stehen. Ich nehme hier gern eine sprachliche Anleihe bei Herrn Minister Stahlknecht aus der gestrigen Debatte um den Weltfriedenstag mit dem Bezug auf die Finanzierung der Bundeswehr. Die Ausbildung und der Einsatz einer ausreichenden Anzahl von gut ausgebildeten Lehrkräften, Pädagogischen Mitarbeiter*innen und Sozialarbeitern in unseren Schulen, die wir für die Bildung und Erziehung unsere Kinder und Jugendlichen brauchen, darf nicht unter Finanzierungsvorbehalt stehen.

Das allerdings war in der alten und es ist wohl auch jetzt in der neuen Landesregierung noch immer nicht angekommen. Denn erwähnt man in den zuständigen Häusern die Zahl von 1.800 Vollzeitstellen, die ja nach dem Koalitionsvertrag für die Beschäftigung von Pädagogischen Mitarbeiter*innen „dauerhaft bereitgestellt werden sollen“, erntet man nur ein mitleidiges Lächeln. Hinter vorgehaltener Hand erfährt man dann, das sei doch nur eine Vision, aber nichts für eine Umsetzung in absehbarer Zeit.
Tut mir leid, liebe Landesregierung und liebe Koalitionäre, wenn wir da einem Irrtum aufgesessen sind. Wir dachten natürlich, der Vertrag wäre ernst zu nehmen. Deshalb haben wir detailliert und umfänglich die Aufgaben und nächsten Schritte beschrieben, die notwendig sind, um das Berufsfeld der Pädagogischen Mitarbeiter*innen und ihren Einsatz in unseren Schulen inhaltlich und fachlich auf eine solide Grundlage zu stellen. Entscheidend ist dabei die Ausrichtung auf einen Stellenbestand von 1.800 VZÄ und die Verständigung auf ein künftiges Einsatz- und Ausbildungsprofil. Das alles ist überfällig, denn die Probleme in den Schulen lassen sich nicht mehr ignorieren, die Missstände schreien zum Himmel. Es handelt sich hier eben nicht um Aktenberge, die liegenbleiben oder um Zahlen, die man beliebig hin und her schieben kann. Es handelt sich um Menschen. Die müssen jeden Tag in den Schulen mit den Herausforderungen klarkommen müssen. Und die sind in den letzten Jahren nicht geringer, sondern immer größer und anspruchsvoller geworden.

Ich will abschließend eine weitere Konsequenz aufzeigen, die sich aus der Mangelverwaltung im Bereich der Pädagogischen Mitarbeiter*innen ergibt. Denn neben den Förderschulen sind auch die Grundschulen im ganzen Land extrem betroffen. Hier fehlt inzwischen mindestens ein Drittel des benötigten Personals. Das bedeutet, dass auch die Anzahl der Grundschulen immer weiter wächst, die gar keine Pädagogische Mitarbeiterin mehr haben. Als vor etwa 15 Jahren die Grundschule mit festen Öffnungszeiten eingeführt wurde, stand durchschnittlich noch für etwa 60 Grundschüler eine Pädagogische Mitarbeiter*in zur Verfügung. Diese Relation wird sich nach den Bedarfsplanungen des Bildungsministeriums für das aktuelle Schuljahr nunmehr auf etwa 1:130 erhöhen. Damit kann in den meisten Schulen die schulgesetzlich geforderte verlässliche Öffnungszeit von täglich fünfeinhalb Stunden nicht mehr abgesichert werden. Die Kinder können dann in den Zeiten zwischen dem Ende des Unterrichts und dem Ende des Schultages nur noch beaufsichtigt werden – bis zu 60 Minuten und darüber hinaus. Das kann weder den Kindern noch den Lehrkräften auf Dauer zugemutet werden.

Das im Koalitionsvertrag versprochene Arbeitsvolumen von 1.800 VZÄ für Pädagogische Mitarbeiter*innen muss den Schulen zur Verfügung gestellt werden. Ansonsten nimmt die Landesregierung sehenden Auges in Kauf, dass Inklusion scheitert, dass die verlässliche Öffnungszeit nicht mehr zu halten ist und der Bildungserfolg vieler Schüler*innen beeinträchtigt oder sogar in Frage gestellt wird. Damit werden Erfolge unseres Schulsystems grundlegend gefährdet. Herr Haseloff, Herr Schröder, vollziehen sie die versprochene Kehrtwende in der Personalpolitik – jetzt und nicht erst später, wenn es zu spät ist!