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Stefan Gebhardt zu TOP 6: Gustav Adolf "Täve"Schur in die Hall of Fame des Sports

In den letzten Wochen wurde in Sachsen-Anhalt eine sehr emotionale Debatte darüber geführt, wer in die sogenannte Halle of Fame des Sports aufgenommen werden soll, kann und darf. Im Konkreten ging es um den Vorschlag des Landessportbundes Sachsen-Anhalt, die ehemalige Radsportlegende und heutigen Ehrenpräsidenten des Landessportbundes Gustav Adolf „Täve“ Schur in diese Hall of Fame des Sports aufzunehmen. Dieser Vorschlag des Landessportbundes Sachsen-Anhalt wurde von allen anderen Landessportbünden der Bundesrepublik unterstützt – konkret: Sie haben diesem Vorschlag zugestimmt.

Nominiert wurde Schur dann für die Hall of Fame vom Deutschen Olympischen Sportbund. Nun könnte man meinen, dass eine solche Nominierung (getragen von allen Landessportbünden) auch umgesetzt wird und einem Spitzensportler wie Gustav-Adolf Schur, auch jene Ehre zu teil kommt, die er verdient hat. Aber bekannter Maßen kam es anders.

Letzten Freitag kam die Meldung, dass die Aufnahme von „Täve“ Schur in die Hall of Fame des Sports von der 93-köpfigen Jury mehrheitlich abgelehnt wurde. Der Landessportbund und auch meine Fraktion wurden von dieser Entscheidung überrascht. Wir haben auf die neue Situation nun mit einem Änderungsantrag zu unserem eigenen Antrag reagiert, dieser liegt ihnen nun vor. Die Fraktion DIE LINKE ist der Auffassung, dass der Landtag sich auch nach der Entscheidung der Jury hierzu positionieren sollte.

Denn: Wenn es öffentliche und auch emotionale gesellschaftliche Debatten in einer solchen Frage gibt, kann man dazu nur schwierig schweigen. Und die emotional geführte Debatte um die Nominierung Täve Schurs war eine politische. Im Zentrum der Auseinandersetzung stand die Frage: Kommt man in die Hall of Fame des Sports auf Grund von herausragenden sportlichen Leistungen, oder geht es darum, dass man eine angenehme politische Meinung vertritt?

Um es klar zu sagen: Meine Fraktion ist klar der Auffassung, dass es sich um eine Hall of Fame des Sports handelt und nicht um eine Hall of Fame der Politik. Es ging um eine Würdigung der Leistungen von „Täve“ Schur als Sportler und nicht als Politiker. Aber die Frage, ob denn die sportlichen Leistungen auch entsprechend anerkannt werden, wenn man politische Positionen vertritt, die eben nicht auf ungeteilte Zustimmung der Entscheider stoßen, ist eine spannende Frage und leider wurde sie am Freitag letzter Woche wie folgt beantwortet: Eigentlich zählen die sportlichen Leistungen. Aber bei „Täve“ Schur gelten andere Maßstäbe. Jemand, der nicht bereit ist, seine eigene Vergangenheit zu leugnen, kann nicht Bestandteil der Hall of Fame des Sports sein. Hier rücken die sportlichen Leistungen klar in den Hintergrund.

Da wir aber der Auffassung sind, dass es sich eben um eine Hall of Fame des Sports handelt, will ich nun auch noch mal auf die Sportlichen Erfolge von „Täve“ Schur eingehen: Wie kam es denn, dass „Täve“ Schur zu einer Radsportlegende wurde?

Mit dem Radsport begann er mit 19 Jahren hier in Magdeburg bei der damaligen BSG Grün-Rot Magdeburg. Bereits 1952 gehörte „Täve“ Schur dem Friedensfahrtteam der DDR an, die Friedensfahrt, immerhin das größte Amateurradrennen weltweit.

Bei der Friedensfahrt ein Jahr darauf belegte er den 3. Platz in der Gesamtwertung und hatte damit großen Anteil daran, dass die damalige DDR-Mannschaft als beste Mannschaft das Rennen 1953 abschloss. Im gleichen Jahr wurde „Täve“ Schur von der Bevölkerung der DDR zum Sportler des Jahres gewählt. Es war das erste Mal überhaupt, dass eine solche Umfrage gestartet wurde. 1954 wurde Schur zum ersten Mal DDR-Meister im Radrennen und belegte Platz 6 bei den Amateur-Weltmeisterschaften. Damit war er bestplatzierter deutscher Teilnehmer.

1955 gewann „Täve“ Schur als erster Deutscher Radfahrer die Friedensfahrt. Dies wiederholte er noch mal 1959. Damit war er der erste Radfahrer überhaupt, der das weltweit bedeutendste Amateurradrennen zweimal für sich entscheiden konnte. 1958 wurde „Täve“ Schur Weltmeister. Ein Jahr später verteidigte er den Weltmeistertitel. Ein weiteres Jahr darauf, 1960, avancierte „Täve“ Schur zum Sportidol und zur Radsportlegende, weil er es fertig brachte, seinen Mannschaftskollegen Bernhard Eckstein den Vortritt zu lassen, statt selbst als erster die Ziellinie zu überqueren. Diese Entscheidung von „Täve“ führte schließlich dazu, dass seine Mannschaft die Mannschaftswertung gewann. Er zog es vor, der Mannschaft zum Sieg zu verhelfen und selbst auf den dritten WM-Titel hintereinander zu verzichten. 1960 wurde er dann zum 8. Mal in Folge Sieger der Umfrage „Sportler des Jahres“.

Bei den sportlichen Erfolgen von Täve Schur will ich nicht unterschlagen, dass „Täve“ 1956 und 1960 Mitglied der gesamtdeutschen Olympiamannschaft war und auch hier einmal Bronze in der Mannschaftswertung, sowie Silber im Mannschaftszeitfahren wurde. Ich will nun auf das Nennen von weiteren sportlichen Erfolgen von „Täve“ Schur verzichten, da hierfür selbst die 15 Minuten Redezeit nicht ausreichen würden. Aber die wichtigsten Erfolge und Leistungen von ihm müssen schon benannt werden, wenn klarwerden soll, warum „Täve“ eben für viele ein Idol bzw. eine Sportlegende wurde.

Jeder, der im Osten bzw. in der DDR groß geworden ist, kannte „Täve“ Schur Und viele kennen ihn auch noch heute, was die Debatte um die Nominierung für die Hall of Fame gezeigt hat. Sämtliche Befragungen, Ted-Abstimmungen, Umfragen und Leserbriefe haben auch klar gezeigt, dass „Täve“ nach wie vor große Sympathie bei den Leuten in Sachsen-Anhalt genießt und eine klare Mehrheit der Sachsen-Anhalter ihn sehr gern in der Hall of Fame gesehen hätte. Aber wie gesagt, es kam anders.

Und eigentlich war schon kurz nach der Nominierung von Schur klar, dass es wieder schwer werden wird und man sich auch nicht zu schade war, mit unsachlichen und auch verletzenden Äußerungen, die Aufnahme von „Täve“ Schur zu verhindern. So auch Hall-of-Fame-Mitbegründer und Ex-Sporthilfe-Chef Hans Wilhelm Gäb. Dieser erklärte: »Kein Mensch käme auf die Idee, einen im Sport erfolgreichen Nazi, wenn er auch heute noch die Untaten des Regimes verherrlichte, in die Hall of Fame aufzunehmen. Warum dann Schur?«

Meine Damen und Herren, diese unsäglichen Äußerungen weisen wir ganz entschieden zurück. Eine solche Gleichsetzung von DDR und Nationalsozialismus ist eine ungeheuerliche Verharmlosung der Nazi-Zeit und wird von uns nicht hingenommen. Und auch der Versuch, „Täve“ Schur mit ehemaligen Nazis bzw. Nazi-Verherrlichern gleichzusetzen, ist schäbig, erbärmlich und geschichtsvergessen. Solche Äußerungen leisten dann mit Sicherheit ihren Beitrag dazu, dass „Täve“ nicht in die Hall of Fame kommt, sie sind aber kein Beitrag, um zu einer differenzierten Aufarbeitung auch des DDR-Sports zu kommen.

Aber wenn Herr Gäb schon auf ehemalige Nazis zu sprechen kommt, schauen wir uns doch diese Hall of Fame mal genauer an: Mit Sepp Herberger, Willi Daume, Josef Neckermann, Rudolf Harbig, und Gustav Kilian sind gleich 6 ehemalige Mitglieder der NSDAP und Repräsentanten des Nazi-Regimes vertreten. Genauso wie Sportler, die nachweislich gedopt haben. Auch ehemalige Spitzensportler, die wegen Steuerhinterziehung vorbestraft sind, haben ihren Platz in der Ruhmeshalle des Sports. Hätten für sie die gleichen Maßstäbe gegolten, wie für „Täve“ Schur, hätten diese auch nicht aufgenommen werden dürfen. Aber dann wäre es schnell leer oder zumindest hätte man viel Platz in der Hall of Fame. Oder anders gesagt: Bei ehemaligen NSDAP-Mitgliedern kann man ja mal ein Auge zudrücken, aber bitte nicht bei jemanden, der heute noch lobende Worte zum DDR-Sport findet.

Denn was genau wurde denn „Täve“ Schur vorgeworfen? Der zentrale Vorwurf lautete: Er redet heute noch den DDR-Sport schön und hat die Behauptung, der DDR-Sport war kriminell, als „Quatsch“ zurückgewiesen. Man erwartete also, dass „Täve“ Schur sich dem Chor anschließt und mit einstimmt, den DDR-Sport insgesamt als kriminell zu bezeichnen. Das ist nichts anderes, als Selbstverleugnung und gnadenloser Opportunismus, was man hier von „Täve“ Schur verlangt!

Wäre es denn ehrlich, wenn er sich hinstellen würde und sagen würde: Ja, der DDR-Sport war kriminell? Nein! Das wäre nicht ehrlich. Denn „Täve“ weiß genau, dass er durch den DDR-Sport zu jener Sportlegende wurde. Und dass „Täve“ Schur nun wieder nicht bereit war, seine eigene Biografie zu verleugnen, hat dafür gesorgt, dass er nicht in die Hall of Fame aufgenommen wurde. Das, meine Damen und Herren, ist ein Schlag ins Gesicht für alle Ostdeutschen, die auch heute zu ihrer eigenen Biografie stehen und sie eben nicht in Bausch und Bogen verdammen.

Und den DDR-Sport insgesamt und pauschal als kriminell zu bezeichnen, ist auch unzulässig, weil ich damit alle Sportlerinnen, Sportler, Trainer, Übungsleiter, Schiedsrichter und Funktionäre des DDR-Sports als kriminell bezeichnen. Und dass diese Pauschalisierung von „Täve“ nicht mitgemacht wird, verdient aus unserer Sicht Respekt.

Nun teilen wir (also meine Fraktion) ausdrücklich nicht alle Auffassungen und Äußerungen von „Täve“ Schur. Dazu gehören seine Äußerungen zum Doping. Heutzutage wissen wir, dass es im DDR-Sport ein systematisches Doping gab und dieser Debatte stellen wir uns und wir haben uns ihr auch schon häufig und konsequent in der Vergangenheit gestellt. Aber Doping zur aktiven Sportlerzeit bei „Täve“ Schur gab es nicht. Als „Täve“ seine Siege errungen hatte, gab es noch kein Doping. Und mir sind auch keine Vorwürfe gegenüber „Täve“ Schur bekannt, dass er in seiner späteren Trainer-Zeit andere zum Doping animiert oder dazu aufgefordert haben soll.

Und mal ehrlich: Schauen wir uns mal den Radsport von heute an und den von damals. Heute einen Radsportler zu finden, der noch nicht des Dopings verdächtigt wurde, hat schon Seltenheitswert. Da man aber nun „Täve“ Schur keinerlei Doping nachweisen kann, mussten jetzt seine Äußerungen zum DDR-Sport als Ablehnungsgrund herhalten. Und dieses Messen mit zweierlei Maß bei der Aufnahme in diese Hall of Fame, das ist es, was die Leute wütend macht. Und zwar zu Recht!

Meine Damen und Herren, der Vorschlag des Landessportbundes zur Aufnahme von „Täve“ Schur in die Hall of Fame des Sports war richtig und hat den ausdrücklichen Respekt meiner Fraktion. Ebenso finden wir es bewundernswert, wie Andreas Silbersack als Präsident des Landessportbundes für die Aufnahme seines Ehrenpräsidenten gekämpft hat. Andreas Silbersack ist nun alles andere als ein DDR-Nostalgiker. Vielmehr ist er ein ausgesprochener Kritiker der DDR und ist selbst in den Westen geflohen. Aber seine Begründung pro „Täve“ Schur will ich gerne noch mal zitieren: „Sportler im historischen Kontext zu bewerten, macht ihre Wertigkeit aus. Das können eben nicht nur gleichlautende Lebensläufe sein.“

Die Ablehnung des Antrags zur Aufnahme von „Täve“ Schur kommentierte Andreas Silbersack wie folgt: »Ich halte diese Entscheidung für einen kapitalen Fehler. Wie mit „Täve“ Schur umgegangen wurde, hätte ich mir in meinen schlimmsten Träumen nicht vorstellen können.«

Diesen Worten vom Präsidenten des Landessportbundes habe ich nichts mehr hinzuzufügen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.