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Stefan Gebhardt zu TOP 15: Kultur ins Grundgesetz

Ich hoffe, es besteht in diesem Haus Einigkeit darüber, dass die Kulturpolitik innerhalb der politischen Agenda des Landes kein Randthema darstellt, sondern gerade im Kulturland Sachsen-Anhalt mit im Zentrum stehen sollte. Kultur entscheidet über die Lebensqualität der Menschen,  sie ist die gemeinsame ideelle Lebensgrundlage dieser Gesellschaft und somit ein wesentlicher Bestandteil unserer eigenen Identität. Und, ich denke auch daran besteht kein Zweifel: Kultur ist unverzichtbar für eine lebendige Demokratie. Im Schlussbericht der Enquetekommission Kultur in Deutschland heißt es auch so treffend: „Kultur ist das Fundament, auf dem unserer Gesellschaft steht und auf das sie baut. Es ist Aufgabe der Politik, dieses zu sichern und zu stärken.“

Wenn dem so ist, muss es aus unserer Sicht aber auch Konsequenzen haben.
Und zumindest eine Konsequenz beantragt DIE LINKE hier und heute erneut im Landtag. Nämlich die Kultur als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern und den Artikel 20 b des Grundgesetzes zu ergänzen mit dem Satz: Der Staat schützt und fördert die Kultur.

Ich möchte nun auf einige Argumente zu sprechen kommen, warum DIE LINKE seit vielen Jahren konsequent für eine solche Verankerung im Grundgesetz streitet.
Aus unserer Sicht ist die Aufnahme des Staatsziels Kultur ein wichtiger Schritt, um die vielfältige Kulturlandschaft in Deutschland, die auch künftig auf öffentliche Förderung angewiesen sein wird, zu erhalten. Denn durch die Aufnahme von Kultur als Staatsziel ist der Gesetzgeber aber auch die Rechtsprechung und die Verwaltung stärker als bislang angewiesen, bei Entscheidungen dem Staatsziel, nämlich dem Erhalt und der Förderung von Kultur, auch Rechnung zu tragen. Wie bei anderen Staatszielen auch würde dann die Möglichkeit bestehen, Ermessen- und Beurteilungsspielräume bei Gerichten oder beispielsweise auch bei Finanzverwaltungen zu eröffnen.

Man würde im Grundgesetz die Kultur mit anderen Bereichen gleichstellen. Die Kultur wäre fortan gleichberechtigt mit wirtschaftlichen, sozialen, umwelt- bzw. tierschutzbezogenen Zielen verankert. DIE LINKE ist der Auffassung, dass diese Gleichbehandlung der Kultur notwendig ist - und wir wollen ausdrücklich, dass dieses Signal vom Kulturland Sachsen-Anhalt ausgeht.

Ein weiterer Hintergrund für unseren Antrag ist natürlich auch die reale Situation bei den öffentlichen Kulturausgaben. Diese sind seit Jahren rückläufig, und wenn man konstatiert, dass in den letzten zehn Jahren bundesweit öffentliche Kulturausgaben um über eine Milliarde Euro zurückgegangen sind, ist das schon alarmierend. Nun ist allerdings auch uns völlig klar, dass die Verankerung von Kultur als Staatsziel im Grundgesetz nicht einen einzigen Cent mehr in die öffentlichen Kassen spült. Aber: Die Gewichtung bei den Ausgaben wird dann natürlich eine andere.

Und hier bleibt DIE LINKE dabei, dass die Kultur eben mit den wirtschaftlichen und umweltpolitischen Zielen, die im Grundgesetz verankert sind, auf eine Stufe gehört.
Immerhin geht es um das fundamentale Erbe unseres Landes, und nicht alles lässt sich mit Sparzwängen einfach so begründen.

Wenn sich heute im Landtag eine Mehrheit dafür findet, unserem Antrag inhaltlich zu folgen, würde man auch der Empfehlung der Enquetekommission Kultur in Deutschland gerecht werden. Denn diese Enquetekommission hatte sowohl in ihrem Zwischenbericht 2005 als auch in ihrem späteren Abschlussbericht eben genau jene Forderung erhoben und der Politik eindringlich empfohlen, Kultur als Staatsziel ins Grundgesetz aufzunehmen.

Bevor die Enquetekommission Kultur in Deutschland zu dieser einstimmigen Empfehlung kam, hat sie die Pro und Kontra bezüglich einer solchen Grundgesetzänderung sorgfältig abgewogen. Eine sehr breit angelegte Expertenanhörung wurde durchgeführt, wo auch Verfassungsrechtler mit einbezogen waren. Letztendlich kam es zur eben erwähnten einstimmigen Empfehlung der Enquetekommission und DIE LINKE vertritt ohne Wenn und Aber die Auffassung, dass ein solches Votum von der Politik ernst genommen werden muss und dass diese Empfehlungen auch umgesetzt werden. Als die Enquetekommission sich im Abwägungsprozess zwischen Pro und Kontra befand, wurden selbstverständlich auch Argumente angeführt, die gegen eine solche Grundgesetzänderung sprechen.
Auch mit diesen haben wir uns auseinandergesetzt, und ich will kurz darauf eingehen.

Eingeräumt werden muss, dass die vorgeschlagene Grundgesetzverankerung bzw. Staatszielbestimmung nicht justiziabel wäre. Sie wäre also vor Gericht nicht einklagbar. Dennoch hätte es auch in der Rechtsprechung Auswirkungen, denn es bestünde fortan die Möglichkeit, wie ich zu Beginn meiner Ausführungen bereits erwähnte, rechtliche Spielräume zu eröffnen. Und gerade das wäre aus unserer Sicht ein ungemein wichtiges Signal an alle Ebenen – auch und vor allem an die kommunale Ebene in unserem Land. Wir würden schließlich unsere Gemeinden mit einer solchen Grundgesetzänderung bei der Wahrnehmung ihres eigenen Kulturauftrags unterstützen.

Ein weiteres Gegenargument, mit dem man sich in der Debatte auseinander setzen muss, ist der Fakt, dass die Kultur unter Länderhoheit steht und in fast allen Landesverfassungen auch ein Bekenntnis zur Kultur festgeschrieben ist. Aber eine Verankerung von Kultur als Staatsziel im Grundgesetz würde keinesfalls die Länderhoheit aushebeln. Auch die Enquetekommission kam hierbei zu dem Umkehrschluss, dass mit einer Grundgesetzänderung die Länder in ihren Bestrebungen nach Schutz und Förderung der Kultur deutlich gestärkt würden.

Die Abgeordneten, die in der letzten Legislaturperiode schon Mitglied des Landtages waren, werden sich vielleicht daran erinnern, dass meine Fraktion zu Beginn der letzten Legislatur schon einmal den Antrag stellte, Kultur als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern. Damals, im Jahr 2006, fand unser anliegen keine Mehrheit, obwohl es bundespolitisch zwischen den verschiedenen Parteien eigentlich keinen Dissens zu diesem Thema gab. Die Empfehlungen der Enquetekommission wurden parteiübergreifend positiv gewertet. SPD und Grüne forderten auf Bundesebene die Umsetzung der Empfehlungen der Enquetekommission, das Kulturforum der Sozialdemokratie startete sogar einen bundesweiten Aufruf „Kultur ins Grundgesetz“. Auch aus CDU und CSU war Zustimmung zu erfahren, und die FDP brachte sogar, als sie noch im Bundestag in der Opposition war, einen Gesetzentwurf zu diesem Thema ein. Eigentlich war bei so viel parteiübergreifender Übereinstimmung die damalige Antragstellerin Die Linkspartei.PDS optimistisch, eine Mehrheit für das Anliegen zu erreichen.

Heute ist DIE LINKE noch ein ganzes Stück optimistischer, denn mittlerweile bekennen sich CDU und SPD in Sachsen-Anhalt in ihrem Koalitionsvertrag klar und eindeutig zu einer Aufnahme von Kultur als Staatsziel im Grundgesetz. Wörtlich heißt es im Koalitionsvertrag von CDU und SPD: „In Übereinstimmung mit den Handlungsempfehlungen der Enquetekommission Kultur in Deutschland unterstützen die Koalitionspartner die Bestrebungen, Kultur als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern.“

Das sehen wir auch so. Nur sollte man den Worten auch Taten folgen lassen. Lassen Sie uns als Kulturland Sachsen-Anhalt ein wichtiges Signal aussenden.