Solidarität mit Menschen auf der Flucht – konkrete Unterstützungsmaßnahmen umsetzen
Henriette Quade betont heute in der Landtagsdebatte um Solidarität mit Menschen auf der Flucht und konkrete Unterstützungsmaßnahmen in Sachsen-Anhalt:
„Der Krieg gegen die Ukraine ist in vollem Gange. Jeden Tag gibt es Tote und Verletzte sowie Zerstörungen und Grausamkeit. Jeden Tag werden mehr Menschen zur Flucht gezwungen. Es ist nichts anderes als Doppelmoral, den inhumanen Umgang mit Geflüchteten und den systematischen Rechtsbruch an der polnisch-belarussischen Grenze, das seit Jahren herrschende Elend für Geflüchtete auf den griechischen Inseln und die akute Gefahr für afghanische Ortskräfte nicht ebenso als Handlungsauftrag zu begreifen, wie die Not der Ukrainer*innen jetzt. Es ist nötig, die Menschen, die aus Russland fliehen, sei es als Oppositionelle oder als Deserteure, zu schützen und aufzunehmen. Wer die Politik Putins verurteilt, muss denen eine Chance geben, die sich ihr entziehen wollen und gegen sie arbeiten. In Halle wurde ein Mann attackiert, weil er Russisch sprach. Vereine und Verbände bekommen hasserfüllte Nachrichten. Russ*innen werden attackiert. Diese Angriffe sind nicht zu rechtfertigen, sie sind furchtbar und sie müssen aufhören!
Solidarität, Hilfsbereitschaft, enorme Arbeitslast und auch Kreativität prägen die Arbeit der letzten Wochen. Wir brauchen jedoch mehr Unterkünfte für die Erstaufnahme, dauerhaften Wohnraum und Sprachkurse, Kinderbetreuung, Kitaplätze und Schulplätze. Akuter Handlungsbedarf im Moment besteht bei der Erschließung von Wohnraum und insbesondere bei der Ausstattung der Wohnungen mit Möbeln. Dafür braucht es eine schnelle, verlässliche und den tatsächlichen Kosten entsprechende finanzielle Absicherung. Wir sehen ganz klar den Bund in der Pflicht, für diese finanzielle Absicherung zu sorgen – es ist die Aufgabe des Landesregierung, sich auf Bundesebene für eine entsprechende Regelung einzusetzen und dafür zu sorgen, dass die Kommunen handlungsfähig bleiben.
Dass Menschen in Turnhallen und Notquartieren untergebracht werden müssen, kann nicht ausgeschlossen werden. Wir sollten aber alles tun, um das zu vermeiden. Ferienwohnungen, Jugendherbergen und ähnliche Einrichtungen kommen dafür in Frage und auch weitere Hotelkapazitäten. Die Übernahme der Kosten und Vertragsgestaltung für die Hotelbetreibenden muss realistisch sein. Außerdem müssen wir Voraussetzungen schaffen, dass die Anmeldungen bei den Ausländerbehörden schnell stattfinden können. Wir sehen bereits sehr lange Wartezeiten bei den Ausländerbehörden – es ist zu erwarten, dass sich diese noch verlängern werden. Rein formale Termine sollten deshalb zumindest vorübergehend zurückgestellt werden. Möglich wäre dies mit einer automatischen Verlängerung von Aufenthaltstiteln.
Eine besondere Herausforderung ist die Tatsache, dass viele Frauen, Kinder und ältere Menschen unter den Flüchtenden sind. Hier braucht es effektive Schutzmechanismen gegen Ausbeutung, sexualisierte Gewalt und die Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen. Auch das gehört zu den Lehren der Jahre 2015 und 2016. Zum anderen ist der emotionalen und psychischen Ausnahmesituation, in denen sich Frauen und Kinder befinden, deren Familienmitglieder sich noch im Kriegsgebiet befinden, Rechnung zu tragen. Die Landesregierung muss schnell ein Verfahren entwickeln, mit dem auch den besonderen Bedürfnissen von Geflüchteten mit chronischen Erkrankungen, Behinderungen und Älteren entsprochen werden kann. Dazu gehört die Erfassung des Impfstatus, ein schnelles Impfangebot gegen Corona, Masern und TBC, verbunden mit Aufklärung und Information in der jeweiligen Muttersprache. Die Anlauf- und Beratungsstellen sowie Pflegedienste brauchen dafür Unterstützung.
Die Arbeit von Frauenberatungsstellen, Migrant:innen-Organisationen und Sozialverbänden wird entscheidend dafür sein, dass Sachsen-Anhalt seinen Teil zur humanitären Hilfe leisten kann. Ihre Arbeit muss dauerhaft und in größerem Maßstab gesichert werden. Die 55 000 Euro, die jetzt eingestellt werden sollen, werden dafür nicht ansatzweise ausreichen. Die Landesregierung muss für eine umfängliche Kostenübernahme durch den Bund sorgen und die Arbeit der Fachträger endlich dauerhaft und strukturell absichern. Wir haben die Chance, auf Erfahrungen aus den vergangenen Jahren zurückzugreifen, Bewährtes anzuwenden und Fehler zu vermeiden. Lassen sie uns diese Möglichkeiten nutzen und jetzt schnell die notwendigen Voraussetzungen schaffen, um alle, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen müssen, gut und sicher aufzunehmen.“
Magdeburg, 24. März 2022