Schluss mit Sanktionen und Zwangsverrentungen – bedarfsorientierte Regelsätze durchsetzen
Das sogenannte Rechtsvereinfachungsgesetz zum SGB II muss im Bundesrat gestoppt werden. DIE LINKE bringt einen Antrag mit der Zielrichtung ein, das SGB II stattdessen menschlich zu reformieren Dazu erklärt die sozialpolitische Sprecherin der Fraktion Monika Hohmann
Das sogenannte Rechtsvereinfachungsgesetz zum SGB II muss im Bundesrat gestoppt werden. DIE LINKE bringt einen Antrag mit der Zielrichtung ein, das SGB II stattdessen menschlich zu reformieren Dazu erklärt die sozialpolitische Sprecherin der Fraktion Monika Hohmann:
Das SGB II muss fraglos reformiert werden, allerdings im Sinne der betroffenen Menschen und nicht - wie die Bundesregierung es gerade erneut vorhat - gegen sie. Die Fraktion bringt einen entsprechenden Antrag in das Juniplenum des Landtages ein. Wir fordern in unserem Antrag die Landesregierung dazu auf, das sogenannte SGB-II-Rechtsvereinfachungsgesetz im Bundesrat abzulehnen und sich stattdessen im Rahmen einer Bundesratsinitiative für eine umfassende Reform des SGB II unter strengen Maßgaben einzusetzen, die die Mindestsicherung wieder in Einklang mit dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes bringt.
Konkret fordern wir hierzu folgende Punkte ein:
- Sanktionen sowie Ersatzansprüche aufgrund „sozialwidrigen Verhaltens“ in der Grundsicherung sollen grundsätzlich abgeschafft werden.
- Die Konstruktion der Bedarfsgemeinschaften soll zugunsten von Individualansprüchen beendet und sämtliche Sonderregelungen für unter 25-jährige Erwachsene aufgehoben werden.
- Die Regelsätze von Kindern und Jugendlichen müssen sich am tatsächlichen Bedarf orientieren und unter dieser Maßgabe zu einer Kindergrundsicherung ausgebaut werden. Hierbei wollen wir auch, dass in der Problematik der Mehrbedarfe von Trennungskindern dem umgangsberechtigten Elternteil eigenständige Regelsätze zugeordnet werden ohne die Regelsätze des Elternteils zu kürzen, bei dem das Kind seinen Lebensmittelpunkt hat.
- Die Praxis der Zwangsverrentungen muss beendet werden.
Magdeburg, 31. Mai 2016
Zum Hintergrund der SGB-II-Reform:
Der Titel des Neunten Gesetzes SGB-II Änderungsgesetz lautet: „SGB-II-Rechtsvereinfachungsgesetz“. Denn eine „Rechtsvereinfachung“ war von Beginn an das offizielle Ziel, dass sowohl den Hartz-IV-Empfängern als auch dem Personal in den Jobcentern Hoffnung auf vereinfachte Antragsverfahren machte.
In diesem Sinne wurde vor etwa drei Jahren auch eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe der Arbeits- und Sozialministerkonferenz gegründet, die hiernach zahlreiche Vorschläge erarbeitet hat. Allerdings muss betont werden, dass verschiedene Vorschläge dieser Arbeitsgruppe schlicht nicht aufgenommen wurden. Besonders drastisch gestaltet sich dies bei der zunächst geplanten Abmilderung der Sanktionen. Das Votum der Arbeitsgruppe hat sich mit 15 zu 1 deutlich für eine entsprechende Abmilderung ausgesprochen. Im jetzt vorliegenden Gesetzentwurf vom April 2016 hat sich allerdings das Veto der CSU durchgesetzt.
Trotz einzelner tatsächlicher Verbesserungen – wie insbesondere die Rechtsanpassung an die weitgehend geübte Praxis, dass die Entscheide für einen zwölfmonatigen statt sechsmonatigen Zeitraum gelten – hat der Gesetzentwurf der Bundesregierung das Anliegen der Rechtsvereinfachung aus Sicht unserer Fraktion eindeutig verfehlt. So heißt es etwa auch in der Stellungnahme der Jobcenter -Personalräte im Dezember 2015 bereits zum Referentenentwurf: „Wir bewerten die geplanten Maßnahmen in der Summe für nahezu aufwandsneutral, weil den Erleichterungen an anderer Stelle Mehrbelastungen gegenüber stehen.“ Dabei wird insbesondere auch die Sanktionspraxis von den Jobcenterpersonalräten als maßgebliches Problem benannt. Im letzten Satz erläutern sie: „Aber auch die derzeit umständlichen Regelungen bei temporären Bedarfsgemeinschaften und die komplizierte Sanktionspraxis sind ein ständiges Ärgernis mit hohem Aufwand auch für die Jobcenter und die Sozialgerichte“.
Obwohl die beschlossene Stellungnahme des mitberatenden Bundesrates vom 18. März in Drucksache 66/16 Nachbesserungen im Bereich der Sanktionen erwarten lässt, bleibt der Gesetzentwurf in der Gesamtschau problematisch:
Ein Problem aus Sicht unserer Fraktion ist, dass die Zerteilung der Regelsatzleistungen von Trennungskindern zwischen den Eltern als sogenannte temporäre Bedarfsgemeinschaften nicht beendet wird. Der Referentenentwurf hatte eine Änderung des § 7 SGB II vorgesehen, wonach der volle Regelsatz des Kindes an den Elternteil ausgezahlt worden wäre, bei dem das Kind seinen Lebensmittelpunkt hat. Die umfangreiche Kritik, dass hiermit familiäre Konflikte verschärft würden, hat nun zur Streichung dieses Vorhabens geführt. Das Problem der faktischen Mehrbelastung beider Elternteile wurde dabei weder im Referentenentwurf noch im vorliegenden Gesetzentwurf aufgegriffen. Dem Referentenentwurf fehlte schlicht eine Regelung, die dem umgangsberechtigten Elternteil (so er/sie denn ebenfalls im SGB-II-Bezug steht) den ungedeckten Mehrbedarf gewährt.
Ein weiteres Problem aus unserer Sicht ist die Tatsache, dass die Ersatzansprüche aufgrund „sozialwidrigem Verhaltens“ nach § 34 SGB II verschärft werden. Der Gesetzesentwurf nennt in seiner Begründung exemplarisch Fallkonstellationen, wie die Aufgabe einer nicht bedarfsdeckenden Beschäftigung oder die Ablehnung einer Beschäftigung ohne wichtigen Grund. In beiden Fällen greifen allerdings jetzt schon drastische Sanktionen durch die Paragraphen 31 und 32 SGB II. Mit der Verschärfung von § 34 sollen nun auch noch Rückforderungen für die SGB-II-Leistungen inklusive der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung entstehen. Diese „Ersatzpflichten“ sollen mit dem neuen Gesetz auch auf Sachleistungen ausgeweitet werden.
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