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Monika Hohmann zu TOP 4: Ostdeutsche lebensleistung anerkennen - Gerechtigkeitfonds für DDR-Renten

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

 

die Ankündigung eines Härtefallfonds für DDR-Renten hatte riesige Hoffnungen geweckt. 2018 nahm die damalige Bundesregierung einen entsprechenden Passus im Koalitionsvertrag auf. Das allein war ein kleines Wunder. Zu verdanken war es der Hartnäckigkeit vieler Betroffener. Denn seit drei Jahrzehnten klagten sich Rentnerinnen und Rentner durch die Instanzen, schrieben Briefe an Abgeordnete oder versuchten, öffentlich auf ihre Probleme aufmerksam zu machen. 30 Jahre lang waren auch wir, DIE LINKE, Ansprechpartnerin und politische Stimme. Wir haben in jeder Legislaturperiode Lösungen eingefordert, alle unsere Initiativen dazu im Bundestag wurden mehrheitlich abgelehnt. Dass das Rentenunrecht nun endlich als Thema in der Bundespolitik anerkannt wurde, hatte wohl auch mit dem Doppel-Jubiläum 2019/2020 zu tun, 30. Jahre Maueröffnung und 30. Jahre Wiedervereinigung. Die Parteien der großen Koalition wussten zu diesem Zeitpunkt, Jubelreden kommen im Osten nicht mehr unwidersprochen an.

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren

die Wiedervereinigung war ein Vertrag ungleicher Partner. Zum Nachteil für viele Ostdeutsche bis heute. Zum Vorteil für einige im Westen, noch für sehr lange Zeit.

Die Sensibilität für ostdeutsche Stimmungslagen ist längst wieder vorbei. Wolfgang Schäuble, damals Verhandlungsführer der Bundesrepublik, stellte erst in dieser Woche im Interview klar: Für Kritik am Einigungsvertrag, als Prozess ohne gemeinsame Augenhöhe, habe er „wenig“ Verständnis. Ich darf ihn zitieren: natürlich war das nicht auf gleicher Augenhöhe. (…) Die Menschen in der Bundesrepublik wollten ja nicht in die DDR, (…) sondern die Menschen der DDR wollten in die Ordnung der BRD.“

Das ist doch interessant zu erfahren, wie das der ehemalige Bundestagspräsident, mittlerweile 50 Jahre Abgeordneter im Bundestag, so sieht. „Einigkeit und Recht und Freiheit“ wurde also 1989 gesungen, aber die Ostdeutschen wurden, gänzlich unpatriotisch, als Bittsteller angesehen.

Es reicht mittlerweile nicht mehr, Wählerinnen und Wähler etwas von der Anerkennung ihrer Lebensleistung zu erzählen. Die Ostdeutschen kennen nämlich sowohl ihre Leistungen als auch das, was davon heute anerkannt wird. Sie suchen diese Anerkennung vergeblich in ihrer Lohntüte und im Rentenbescheid. Sie suchen vergeblich nach ostdeutschen Köpfen in Politik, Wirtschaft und Unterhaltung. Nach Geschichte und Geschichten, die etwas mit ihrem Lebensglück und ihrem Lebensleid zu tun haben.

Es ist diese Fähigkeit zum Vergleich, die die westdeutsche Gesellschaft systematisch unterschätzt.

Die heutigen Rentnerinnen und Rentner in Sachsen-Anhalt stehen doch nur deshalb vergleichsweise gut da, weil Frauen und Männer in der DDR dauerhaft und meist vollbeschäftigt waren. Arbeitslosigkeit als Massenphänomen gab es nicht. Gute Facharbeiterrenten sind aber im Westen ungleich höher. Und das hat auch mit den komplexen Regelungen der Rentenüberleitung zu tun. Das gänzlich anders organisierte Sozialsystem der DDR kannte zahlreiche Sonderregeln und Beiträge. Eine Reihe dieser Zusatzansprüche sind verloren, weil sie im westdeutschen Renten-Recht nicht anerkannt oder nach kurzer Übergangszeit gestrichen wurden.

Die Folgen hiervon waren u.a., dass die erarbeiteten Rentenansprüche von Millionen Menschen aberkannt, Versprechen gebrochen wurden und Vertrauen verloren gegangen ist.

Zu den betroffenen Gruppen gehören u.a. in der DDR-geschiedene Frauen, Eisenbahner, Postler, Krankenschwestern, Bergmänner und Balletttänzerinnen.Detail

Besonders Frauen sind von solchen Einbußen betroffen.

Um die Zusatzrenten kämpfen Betroffene seit Jahrzehnten und dann soll mit einer pauschalen Einmalzahlung alles abgegolten sein!? Die DDR hatte für 27 Berufsgruppen zusätzliche Versorgungssysteme, die die Renten aufbessern sollten. Bei der Überleitung des Rentensystems 1990ern wurden bestimmte Ansprüche nicht berücksichtigt. Zehn Berufsgruppen erstritten diese gerichtlich, doch 17 weitere Gruppen erreichten das nicht.

Die CDU/ CSU im deutschen Bundestag hat einerseits berechtigterweise die Umsetzung des Fonds zu Recht kritisiert und die Einstellung sowie Verwendung der schon im Jahr 2021 eingestellten Mittel gefordert

Der Härtefallfonds, der nun endlich, nach weiteren fünf Jahren Verzögerung, nunmehr von der neuen Bundesregierung beschlossen wurde, ist kein Wunder mehr. Nicht mal ein kleines. Er ist eine Enttäuschung. Wieder einmal.

Nach der Verabschiedung des Rentenüberleitungsabschlussgesetz im Jahr 2017 nahm die vorangegangene Regierung die Einführung des Fonds zur Abmilderung von Härtefällen aus der Ost-West-Rentenüberleitung, für jüdische Kontingentflüchtlinge und Spätaussiedler in ihren Koalitionsvertrag 2018 auf und 2021 wurden hierfür 1 Mrd. € in den Haushalt 2022 eingestellt.

Dass der Bund nur 500 Millionen Euro zur Verfügung stellt und nur wenige Personen vom Härtefallfonds profitieren sollen, ist ein Schlag ins Gesicht für ostdeutsche Rentnerinnen und Rentner.

Denn nur die allerwenigsten der Rentnerinnen und Rentner in Ostdeutschland sind anspruchsberechtigt, in Sachsen-Anhalt geschätzt 10 700 Menschen. Aber, der Härtefallfonds zielt ab auf Menschen mit sehr kleinen Renten. Diese Gruppe begrüßt auch eine kleine vierstellige Einmalzahlung. Das sind Rentnerinnen und Rentner aus der ehemaligen DDR und Zugewanderte aus Osteuropa, in der DDR geschiedene Frauen, jüdische Kontigentflüchtlinge, die in sehr bescheidenen finanziellen Verhältnissen leben müssen.

Wir, die Linksfraktion, fordern die Landesregierung heute auf, diesen Härtefallfonds aufzustocken und die Einmalzahlung damit zu verdoppeln. Die geplante Stiftung des Bundes sieht dies ausdrücklich als Möglichkeit vor.

Deshalb freuen wir uns, dass Sie unserem Anliegen in Ihrem Alternativantrag gefolgt sind. Dafür möchte ich mich bei Ihnen bedanken. Vielleicht hat es ja doch etwas genutzt, dass unsere Fraktionsvorsitzende den Ministerpräsidenten persönlich angeschrieben hat.

Ich kann Ihnen versichern, dass die Linksfraktionen in Bund und Landtagen weiter für eine Fondslösung kämpfen werden, die umfassend die berechtigten Anwartschaften und Ansprüche von Berufs- und Personengruppen aus der DDR-Zeit einbezieht. Entschädigungszahlungen sollten dann einen fünfstelligen Betrag erreichen. Die Betroffenen nennen dies einen Gerechtigkeitsfonds. Und wir schließen uns dieser Bezeichnung an. Auf Augenhöhe.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!