Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

Monika Hohmann zu TOP 26: Sprachförderung im Elementarbereich

Zu Beginn meiner Rede möchte ich noch einmal einen Blick auf das Jahr 2001 werfen. Nach dem Pisa- Schock, Deutschland fand sich nur im Mittelfeld wieder, haben sich die Kultusministerinnen und -minister in ihrer Plenarsitzung am 05./06.12.2001 auf sieben Handlungsfelder verständigt. Zu den Bereichen, in denen sie vorrangig tätig werden wollten, gehörten gleich als erstes Handlungsfeld „Maßnahmen zur Verbesserung der Sprachkompetenz bereits im vorschulischen Bereich“ und als weiteres Handlungsfeld „Maßnahmen zur wirksamen Förderung bildungsbenachteiligter Kinder, insbesondere auch der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund“. Der Bildungskonvent  in Sachsen-Anhalt orientierte in seiner Handlungsempfehlung im März 2008 zur frühkindlichen Entwicklung: ich zitiere“ die flächendeckende Einführung von Sprachstandserhebungen für Vier- bis Fünfjährige, in deren Folge, in Abhängigkeit vom Ergebnis, verbindliche Sprachförderkurse angeboten werden. Das Ziel besteht in dem Bestreben, Entwicklungsprobleme beim Spracherwerb frühzeitig zu erkennen und bis zum Schuleintritt abzubauen.“

Warum war mir der Blick in die Vergangenheit so wichtig? Sowohl die Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder als auch die Handlungsempfehlungen des Bildungskonvents für das Land Sachsen-Anhalt gelten  heute noch und gehören umgesetzt.
Wie sieht es derzeit in unserem Land aus? Bis zur Verabschiedung des Kinderförderungsgesetzes im Dezember vorigen Jahres gab es Sprachstandserhebungen flächendeckend in den Kindertagesstätten. Diese sind nun im novellierten Gesetz nicht mehr gefordert. Wer sie dennoch durchführen möchte, kann es tun, aber ohne personelle und finanzielle Anrechnung. Zwar sind die 2,5 Millionen Euro, die für diese Aufgabe bereitgestellt wurden, im Finanzierungssystem des KiFöGs weiterhin enthalten, aber nicht zweckgebunden. Das heißt, es wird für andere Aufgaben genutzt. Zugleich möchte ich betonen, dass mit dem Wegfall der Sprachstandfeststellung es auch keine Evaluation des Verfahrens geben wird.
In ExpertInnenkreisen war diese Maßnahme seitens der Landesregierung und der Koalition heftig umstritten. Ich erinnere daran, dass bei der Schuleingangsuntersuchung in Sachsen-Anhalt  bei ca. einem Drittel der Kinder Sprachstörungen diagnostiziert  wurden.  So heißt es in dem Bericht „Gesundheit, Kinder, Jugendliche in Sachsen-Anhalt“,  herausgegeben vom Ministerium für Gesundheit und Soziales, auf Seite 45: „Die Diagnosehäufigkeit von Sprachstörungen war in Sachsen-Anhalt deutlich höher (32 %) als im Mittel der Vergleichsuntersuchung (21 %).“ Und diese Feststellung sollte uns auf gar keinen Fall beruhigen. Ebenso möchte ich Ihnen aus den Stellungnahmen  der Fachleute, die zu diesem Thema in der  Anhörung zum Kifög vorgetragen wurden, einige Auszüge vorlesen: Frau Prof. Dr. Schlenker-Schulte, Institut für Rehabilitationspädagogik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sagte dazu: „Eine ersatzlose Abschaffung der Sprachstandsfeststellung und Sprachförderung ist bildungspolitisch die falsche Botschaft; denn es entstünde der Eindruck, in Sachsen-Anhalt sei Sprache nicht mehr wichtig.“
Frau Prof. Dr. Rabe-Kleberg: Institut für Soziologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg: „Ich denke, der Umstand, dass der Gesetzgeber und die Regierung Sprachfeststellungsverfahren eingerichtet haben, spricht dafür, dass sie die Verantwortung für diesen entscheidenden Punkt in den Bildungsprozessen bei den Kindern übernommen haben. Würde dies ersatzlos gestrichen, wäre das eindeutig ein falsches politisches und ein falsches fachliches Signal. … Ich rege an, eine Fachkraft für Sprachbildung zu entwickeln, die in den meisten Teams vorhanden sein müsste, die Teams berät und die Beobachtungskontrolle durchführt.“ Ich könnte Ihnen weitere Meinungen von ExpertInnen vorstellen, denke aber es ist  deutlich geworden, worum es uns geht.

Ich weiß sehr wohl, dass  im neuen Gesetzestext ein Halbsatz aufgenommen wurde, der da heißt: „Unter besonderer Beachtung der Sprachförderung“. Aus unserer Sicht ist dieser Teil inhaltlich nicht untersetzt und daher auch heute Gegenstand unseres Antrages. Nur mit dem Hinweis, dass dies alles im fortgeschriebenen Bildungsprogramm umgesetzt werden soll, wird dem aus meiner Sicht nicht genügend Rechnung getragen.

Gleichwohl gehen wir davon aus, dass Sprachförderung nur nachhaltig gelingt, wenn sie in den gesamten pädagogischen Prozess an den KiTas integriert ist. Spielen, die Welt entdecken - all diese vielfältigen Aktivitäten, die das Leben an einer KiTa ausmachen, sollten gezielt damit verbunden werden, sprachliche Kommunikation anzuregen, gute Sprache vorzuleben, Sprachkompetenz feinfühlig zu entwickeln. Das alles kann nicht nur Sache von Spezialistinnen und Spezialisten oder gesonderter Förderstunden sein – es muss den Alltag prägen. Das heißt auch alle Kolleginnen und Kollegen, die in einer KiTa arbeiten, tragen Verantwortung. Um eine solche Förderphilosophie in jeder KiTa und in der Tagespflege zu entwickeln, bedarf es nach unserer Auffassung eines Konzepts. Es soll das Programm „Bildung elementar“ untersetzen und methodische Hinweise geben. Darauf zielt unser Antrag.
Die individuelle, am Kind orientierte Sprachförderung braucht  ebenfalls eine zusätzliche gezielte Qualifikation des gesamten pädagogischen Fachpersonals. Dazu sind intensive Fort- und Weiterbildungen erforderlich. Diese sind in einem Qualifizierungsprogramm aufzunehmen.

Die Fortbildung sollte dabei  mehr als bisher in den Einrichtungen selbst und orientiert an den realen pädagogischen Prozessen und Aufgaben in den Kitas stattfinden. Die Kolleginnen und Kollegen brauchen, neben der Sensibilisierung der eigenen Sprachkompetenz, Impulse, Anregungen und den Erfahrungsaustausch aber auch gezielte Hilfe zu konkreten Problemlagen.

Darüber hinaus halten wir es für notwendig, die Initiativen des Landes  mit den gemeinsamen Programmen des Bundes und der Länder zu verknüpfen sowie Ergebnisse und Erfahrungen dieser Programme zu berücksichtigen. Ich denke da insbesondere an das Forschungs- und Entwicklungsprogramm BiSS „Bildung durch Sprache und Schrift “ . Es ist ein auf fünf Jahre angelegtes Programm, in dem Verbünde aus Kindertageseinrichtungen und Schulen eng zusammenarbeiten, um ihre Erfahrungen auszutauschen und abgestimmte Maßnahmen der Sprachbildung umzusetzen. Dabei sollen die sprachliche Bildung von Kindern und Jugendlichen sowie die in den Bundesländern eingeführten Angebote zur Sprachförderung, Sprachdiagnostik und Leseförderung im Hinblick auf ihre Wirksamkeit und Effizienz wissenschaftlich überprüft und weiterentwickelt werden. Darüber hinaus unterstützt das Programm die erforderliche Fort- und Weiterqualifizierung der Erzieherinnen und Erzieher sowie der Lehrkräfte.

Leider werden wir bei diesem Projekt ohne Kitas dabei sein, weil wir in diesem Bereich derzeit keine Angebote vorhalten, die evaluiert werden könnten. Wie aus meiner kleinen Anfrage zum Biss- Programm hervorgeht, werden wir  aber im Schulbereich vertreten sein. Außerdem sollen die bisherigen Erfahrungen aus dem Bundes- Programm „Sprachkompetenz stärken, Integration fördern: Offensive Frühe Chancen: Schwerpunkt Kitas Sprache & Integration“  bei der Konzeption beachtet werden. Hier sind in den letzten drei Jahren 103 Kitas aus Sachsen- Anhalt  beteiligt gewesen. Zum Jahr 2014 läuft dieses Programm aus.

Die Sprachkompetenz der Kinder und Jugendlichen ist der Schlüssel für schulischen Erfolg und für eine erfolgreiche Ausbildung.  Die Fraktion DIE LINKE misst daher der Entwicklung der Sprachkompetenz eine zentrale Bedeutung bei. Wir alle wissen, dass schon sehr früh die Beherrschung der Sprache über Teilhabechancen und Bildungserfolg entscheidet.