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Monika Hohmann zu TOP 18: Nichtschülerprüfungen zur staatlich anerkannten Erzieherin/zum staatlich anerkannten Erzieher

Personen, die nicht mehr Schülerin oder Schüler einer allgemein bildenden oder berufsbildenden Schule oder einer Abendklasse sind, können durch eine sogenannte Nichtschülerprüfung einen staatlichen Abschluss erwerben. Bei der Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin und zum staatlich anerkannten Erzieher darf nur an einer Fachschule eine solche Prüfung abgenommen werden. Darauf bereiten zum Beispiel Bildungsträger ihre KursteilnehmerInnen vor. Um dann das geforderte Abschlusszeugnis der berufsbildenden Schule zu bekommen, müssen drei schriftliche und bis zu 11 mündliche Prüfungen abgelegt werden.

In Sachsen- Anhalt haben wir seit zwei Jahren bei dieser Art Prüfung einen sehr hohen Anteil von NichtschülerInnen, die durchfallen. Fast  jeder zweite schafft die Prüfung nicht. Schaut man sich dagegen das Ergebnis von 2010 an, wo noch 93% der TeilnehmerInnen die Prüfung meisterten, kann man sich wohl fragen, wieso wir in den Jahren 2011/12 solch einen Einbruch verzeichnen. Dieser Frage sind wir nachgegangen und haben mit den beteiligten AkteurInnen gesprochen.

Aus Sicht der BBS ist eine erhöhte Anzahl an NichtschülerInnen, welche teilweise nicht die erforderlichen Voraussetzungen mitbringen, eine Ursache. Spricht man dagegen mit den Bildungsträgern, die auf die Nichtschülerprüfungen vorbereiten, so kritisieren sie das Prüfungsverfahren. Dazu muss man wissen, dass es seit zwei Jahren eine Veränderung bei der Erstellung von Prüfungsaufgaben gibt. Vorher mussten die LehrerInnen Prüfungsaufgaben erarbeiten und im Erwartungshorizont  schrieben sie nur Stichpunkte der möglichen Antworten auf. Nun wurde dieses Verfahren seitens des Landesschulamtes verändert. Das heißt, der Erwartungshorizont muss präziser und klar ausformuliert sein. Das ganze paart sich offenbar nun oft mit einer recht formalistischen Anwendung: Passt die Antwort des Prüflings nicht genau und deckungsgleich in das Raster, gibt es keinen Punkt.  Des Weiteren beklagen Bildungsträger, dass die LehrerInnen in den BBS nur ungern die Prüfungen abnehmen, da sie hierfür keine ausreichenden Abminderungsstunden erhalten und die erforderlichen Mehraufwendungen während ihrer Arbeitszeit erledigen müssten. Auch hat sich vor zwei Jahren ein Wechsel der Zuständigkeit im Landesschulamt bzw. Landesverwaltungsamt vollzogen. Sowohl personell als auch lokal. Zuständig für diesen Bereich ist nicht mehr die Stelle in Magdeburg, sondern in Halle.

Ich möchte hier nicht das Szenario der Guten oder Bösen aufmachen, sondern uns liegt daran, diesen Konflikt aufzubrechen und mit allen Beteiligten ins Gespräch zu kommen. Gerade im Hinblick auf die Einführung des neuen Kinderförderungsgesetzes haben wir eine hohe Verantwortung. Nach unseren Berechnungen werden wir wenigstens bis 2016 in eine erhebliche Mangelsituation bei den Fachkräften geraten. Nach dem Zahlenmaterial des MS brauchen die KiTas zur Umsetzung des neuen KiFöG in 2016 fast 1.400 Erzieherinnen und Erzieher mehr als heute. Über 600 KollegInnen werden bis dahin aus Altersgründen ausscheiden. Legt man neben diese Zahlen die voraussichtlichen Absolventenzahlen der Fachschulen (und zwar ohne „Nichtschüler“) entsteht ein Fehl von klar über 600 Fachkräften. Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger werden also dringend gebraucht.  Die Arbeitsagenturen und Jobcenter haben reagiert. Für 2013 wurden in ihrer Bildungszielplanung über 200 Erzieher-Stellen mit Bildungsgutschein beworben. Zum Vergleich: In den Jahren 2004 - 2012 waren es in Sachsen-Anhalt rund 150 Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus den Rechtskreisen der Sozialgesetzbücher III und II, die an den Vorbereitungslehrgängen teilgenommen haben. Wenn ich jetzt an den hohen Prozentanteil derer denke, die die Prüfung nach zwei Jahren intensiver Vorbereitung nicht schaffen, ist das kein gutes Startsignal für diese BewerberInnen. Zur selben Problematik kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu. Nämlich die Voraussetzung für die Zulassung an einer Nichtschülerprüfung. Die Verordnung über die Berufsbildenden Schulen – exakt § 28 – regelt genau, wer zugelassen wird oder auch nicht. Und wenn dann z.B. bei den Jobcentern von Magdeburg und im Jerichower Land zu lesen ist, wer sich eignet, ich zitiere:  „Alle Berufsgruppen bei persönlicher und gesundheitlicher Eignung und regionaler Mobilität“, ist das aus unserer Sicht ein Vortäuschen falscher Tatsachen oder schlichtweg Unkenntnis. Hier gilt es, schnellstmöglich Klarheit zu schaffen. Diese Klarheit nützt leider den Migranten und Migrantinnen im ESF geförderten Projektes „Yes You Can“, die auf die Nichtschülerprüfung zur staatlich anerkannten Erzieherin/ zum staatlich anerkannten Erzieher vorbereitet wurden, nichts mehr.  Von 8 diplomierten  TeilnehmerInnen wurden in diesem Jahr nur zwei zu den Prüfungen zugelassen. Im letzten Jahr war es ähnlich. Und wenn man sich die Erfolgsquote der letzten zwei Jahre ansieht, derer die die Prüfung bestehen, hat das ganze einen bitteren Beigeschmack.

Übrigens wurden für den Vorbereitungslehrgang  auf die Abschlussprüfung für jede TeilnehmerIn ca. 10 000 Euro ESF- Mittel bereitgestellt. Unter den nicht zugelassenen TeilnehmerInnen waren auch LehrerInnen und ErzieherInnen.
Das Projekt lief vom 01.09.2010 bis 28.02. 2013 und richtete sich an Migrantinnen und Migranten mit ausländischem akademischem Abschluss.

Ich möchte anhand weiterer Beispiele, die uns zur Verfügung gestellt wurden, aufzeigen, wie Verwaltungshandeln bei der Zulassung zur Nichtschülerprüfung greift.
Diplomlehrerin mit 3-jähriger Berufserfahrung als Grundschullehrerin
Absage mit der Begründung: Lehrertätigkeit wird nicht als pädagogische Tätigkeit anerkannt, da Lehrer einen Bildungsauftrag und keinen Erziehungsauftrag haben
Teilnehmerin mit Fachhochschulreife; einjährige berufliche Tätigkeit als Praktikantin in einer privaten Kindereinrichtung (Tagespflege)
Absage mit der Begründung: private Kindereinrichtung ist nicht mit einem Kindergarten nach KiFöG  gleichzusetzen
Teilnehmerin Realschulabschluss, mehrere Jahre beim privaten Bildungsträger in der Berufsorientierung mit SchülerInnen der 6/7 Klasse tätig
Absage mit der Begründung: Tätigkeiten mit Schülern sind keine pädagogischen Arbeiten

Diese Beispiele sollten noch einmal verdeutlichen, wie Verwaltungshandeln umgesetzt wird. Ich möchte keinem  zu nahe treten, aber wo steht denn bitteschön geschrieben, dass die einjährige sozialpädagogische Tätigkeit in einer sozialpädagogischen Einrichtung nur in Deutschland und nur mit Kleinstkindern erbracht werden kann? Andererseits muss unter Umständen wohl auch darüber nachgedacht werden, ob alle Kriterien, die die Verordnung über Berufsbildende Schulen bestimmt, noch zeitgemäß und genügend flexibel ist.

Zusammenfassend können wir feststellen, dass das Thema der Nichtschülerprüfungen zur staatlich anerkannten Erzieherin / zum staatlich anerkannten Erzieher äußerst brisant ist. Auch in anderen Bundesländern ist dieser  Sachverhalt nicht neu. Nur haben sich diese  Länder  auf den Weg gemacht, um Lösungen zu finden. Ein erster Schritt war dabei die Einberufung eines Treffens aller am Prozess Beteiligten.

Gemeinsam müssen die Ergebnisse der letzten zwei Jahre hier im Land analysiert werden.  Was hat wirklich zu der deutlich angestiegenen Misserfolgsquote beigetragen? Ich möchte hier nochmals betonen, wir wollen niemandem einseitig den Schwarzen Peter zuschieben. Auch möchten wir unseren Antrag nicht missverstanden wissen, dass wir eine Reduzierung qualitativer Standards befürworten.

Wir halten es angesichts des Fachkräftebedarfs, vor allem in den Kindertagesstätten, für dringend geboten, die  Regelungen  für die genannten Nichtschülerprüfungen zu überprüfen und zu überarbeiten.
Diese Ergebnisse sowie die Schlussfolgerungen der gemeinsamen Beratungen sollen den Ausschüssen für Bildung und Kultur sowie für Arbeit und Soziales noch im ersten Halbjahr 2013 vorgelegt werden.