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Monika Hohmann zu TOP 17: Weitere Rechtsverschärfungen im SGB II verhindern – Grundsicherung menschenwürdig reformieren

Gestern war der Internationale Kindertag. Er ist zugleich ein politischer Kampftag, welcher die Bedürfnisse von Kindern in das öffentliche Bewusstsein rücken soll. Und dies sollte nicht nur einmal im Jahr geschehen, sondern 365 Tage lang. In Sachsen-Anhalt lebt   jedes vierte Kind in einem Hartz-IV-Haushalt. Im Juni 2015 waren es 65.000 Kinder unter 15 Jahren gewesen.  

Dass Sachsen-Anhalt im bundesweiten Vergleich besonders von Kinderarmut betroffen ist, zeigt  eine Datenauswertung meiner Kollegin, Sabine Zimmermann aus der Bundestagsfraktion, anlässlich des internationalen Kindertages.  Im vergangenen Jahr erhielten  bundesweit 1,54 Millionen unter 15-Jährige Hartz-IV-Leistungen, also jedes siebte Kind (14,4 Prozent). In Sachsen-Anhalt war es mit 21,8 Prozent jedes fünfte Kind unter 15 Jahren. Das ist  deshalb so alarmierend, weil in  keinem anderen Land  die Bildungschancen so sehr von der sozialen Herkunft abhängig sind, wie in Deutschland, speziell auch in Sachsen-Anhalt.

Und nun soll das Ganze mit dem sogenannten Rechtsvereinfachungsgesetz der Bundesregierung noch „getoppt“ werden. Mehr als 40.000 Unterschriften hat eine ONLINE-PETITION gegen die Kürzungen bei den Alleinerziehenden in kürzester Zeit erbracht.  Und auch Sachverständige  äußerten sich kritisch zu der geplanten Kürzung von Leistungen des Kinderregelbedarfs bei Alleinerziehenden, wenn sich das Kind vorübergehend bei dem umgangsberechtigen Elternteil befindet. Ihr Fazit: das ist eine „deutliche Verschlechterung“ gegenüber der aktuellen Praxis.
Übrigens wurde diese Petition  am Montag im Rahmen der Anhörung zum Gesetz im Bundestag übergeben.

Die Sachverständigen haben sich am Montag  im Ausschuss für Arbeit und Soziales insgesamt  kritisch zum  Gesetz geäußert und diesem ein miserables Zeugnis ausgestellt: Verschlechterungen für Leistungsberechtigte und mehr Aufwand für die Behörden statt Vereinfachungen, so ihr Fazit. Prof. Stefan Sell, Sozialwissenschaftler und  Direktor des Instituts für Bildungs- und Sozialpolitik der Hochschule Koblenz zitiert: Das Gesetz „macht viele Dinge komplizierter, belastet Leistungsberechtigte zusätzlich und verschärft die heute schon vorhandene Unwucht zuungunsten der Leistungsberechtigten und führt vor allem nicht nur nicht zu einer erkennbaren Entlastung der Jobcenter-Mitarbeiter, sondern wird deren Belastung in der Summe weiter erhöhen.“

Auch die Bundesagentur für Arbeit kommt bezüglich der ursprünglichen Gesetzesintention  zu dem Ergebnis, dass keine Entlastung für die Jobcenter und ihre Beschäftigten zu erwarten sei.

Nach all diesen Informationen und dem Wissen über diese vielen Baustellen im Gesetz, ist es doch nun folgerichtig, dieses vermeintliche Rechtsvereinfachungsgesetz im Bundesrat abzulehnen. Deshalb kann ich nicht nachvollziehen, warum die Koalition dieses in ihrem  Alternativantrag nicht fordert.

Im Punkt 2 unseres Antrages fordern wir die Landesregierung auf, sich im Rahmen einer Bundesratsinitiative für eine umfassende Reform des SGB II mit folgenden Prämissen einzusetzen:


1.    Die Sanktionen in der Grundsicherung sowie Ersatzansprüche aufgrund „sozialwidrigen Verhaltens“ gehören abgeschafft.
Eine Sanktion entspricht einer Kürzung von Grundrechten. Darüber hinaus bin ich  überzeugt: Grundrechte kürzt man nicht.  Jede Sanktion wirkt kontraproduktiv, weil sie die Betroffenen entmutigt und  in die Resignation führt.
Im Übrigen gab es auch zu dieser Kürzungspraxis, sprich Sanktionen, eine Petition die von 90 000 Menschen unterstützt wurde.
2.    Die Konstruktion der Bedarfsgemeinschaften werden zu Gunsten von Individualansprüchen beendet und sämtliche Sonderregelungen für unter 25-jährige Erwachsene aufgehoben.
Es ist positiv zu bewerten, dass die  Koalition in Ihrem Alternativantrag zumindest in Ansätzen unsere Forderungen unterstützen. Auch die Forderung nach einem Passiv-Aktiv-Transfer läuft bei uns bekanntlich offene Tore ein. Fast alle Bundesländer – außer Bayern und Sachsen! – haben auf Bundesebene diese überfällige Reform angemahnt.
3.    Die Regelsätze von Kindern und Jugendlichen müssen sich am tatsächlichen
Bedarf orientieren und soll unter dieser Maßgabe zu einer            Kindergrundsicherung ausgebaut werden. Hierbei sind eigenständige Regelsätze in der Problematik der Mehrbedarfe von Trennungskindern dem umgangsberechtigten Elternteil zuzuordnen, ohne die Regelsätze des Elternteils zu kürzen, bei dem das Kind seinen Lebensmittelpunkt hat. Kinder getrenntlebender Eltern brauchen vieles sogar doppelt, gerade weil sie zeitweise in zwei Haushalten leben( Bett, Kleidung, Spielzeug und andere Alltagsutensilien). Das neue Gesetz sollte eigentlich Bürokratie abbauen. Wir befürchten jedoch, dass das Gegenteil der Fall sein wird, denn die jeweiligen Jobcenter wären mit dem Abzug und der Zahlung der Beträge beschäftigt. Die Alleinerziehenden müssen im Voraus angeben und später dokumentieren, wann und wie lange sich das Kind beim anderen Elternteil aufgehalten hat. Ein groteskes Verfahren, das die Alltagspraxis für alle Beteiligten erschweren wird. Schon jetzt mussten Alleinerziehende mit Einbußen rechnen, wenn ihr Kind Zeit mit dem anderen Elternteil verbringt - doch das wurde von Kommunen unterschiedlich gehandhabt und meist nicht umgesetzt – und das war gut so. Während der letzten Wahlperiode gab es zu diesem Sachverhalt eine Petition. Ich sage es hier noch einmal deutlich:“ Es gibt kein Einsparpotential bei Alleinerziehenden Hartz IV-Familien“. Deshalb werden wir als Fraktion auch die Forderung des Vorsitzenden der Bundestagsfraktion Dietmar Bartsch nach einem "Fünfjahresplan gegen Kinderarmut" mit allen Kräften unterstützen.“
4.    Die Praxis der Zwangsverrentungen wird beendet. Ebenso ist auch der Verweis von Hartz-IV-Leistungsberechtigten vorzeitig mit Abschlägen in Rente gehen zu müssen („Zwangsverrentung“), gleichermaßen eine massive Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen. Zugleich ist es ein administrativ aufwändiges Verfahren. Wir alle wissen, dass die Zwangsverrentung  nichts anderes als ein gigantisches Rentenkürzungsprogramm ist. Eine erzwungene Frühverrentung bedeutet Abschläge auf die Rentenleistungen in Höhe von 0,3 Prozentpunkten pro Monat – auf Rentenleistungen bis zum Lebensende. Die Renten werden auf Dauer bis zu 14,4 Prozent gekürzt, wenn die Rente erst ab 67 voll greift. Das ist völlig unannehmbar: Mit der Rente ab 63 beziehungsweise 65 will die Große Koalition den Zugang für Menschen, die 45 Jahre versichert waren, abschlagsfrei ermöglichen. Gleichzeitig werden Hartz-IV-Beziehende mit horrenden Abschlägen in die vorzeitige Rente gezwungen. Die Mehrzahl der Sachverständigen ist sich darüber einig, dass die Zwangsverrentung abgeschafft werden muss. Der DGB lehnt diesen “Verschiebebahnhof” als “gravierenden Eingriff in Persönlichkeitsrechte” ab. Und die Caritas wirft den Jobcentern vor, sich “ihrer gesetzlichen Pflicht zur besonderen Förderung und Eingliederung älterer Arbeitnehmer zu entziehen”.

Natürlich hätten wir in unserem Antrag noch weitere Punkte aufnehmen können.  Ich bin jedoch froh, dass  unsere Bundestagsfraktion schon seit Jahren unermüdlich  mit parlamentarischen Initiativen  gegen dieses Unrechtssystem ankämpft.
Zusammenfassend kann ich sagen, wir haben heute einen Antrag zum SGB II eingebracht haben, weil wir  als Linke weiterhin hartnäckig  gegen das Hartz-IV-Sanktionssystem kämpfen. So wie wir beim Mindestlohn  konsequent  waren, so werden wir auch in diesem Fall keine Ruhe geben, bis dass das Hartz-IV-Sanktionssystem abgeschafft und durch öffentlich geförderte Arbeit und eine sanktionsfreie Mindestsicherung ersetzt worden ist.