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Monika Hohmann zu TOP 09: a) Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen / b) Kinder und Jugendliche als Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen - Beteiligung stärken

Uns liegen heute ein Gesetzentwurf und ein Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen zur Beratung vor. Beide Drucksachen widmen sich dem Ausbau von Mitwirkungs- und Beteiligungsrechten von Kindern und Jugendlichen in Sachsen-Anhalt. Ich möchte an dieser Stelle nur kurz auf die Kinderrechtskonvention der UN und die Grundrechtecharta der Europäischen Union verweisen. Insbesondere ist wichtig, dass die UN-Kinderrechtskonvention seit 3 Jahren in vollem Umfang in Deutschland Gültigkeit besitzt. Die Bundesregierung hatte am 15. Juli 2010 ihre ursprünglichen Vorbehalte zurückgezogen.

Fakt ist, über die Stärkung der Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen ist bisher viel geredet worden. Es fanden viele gute Veranstaltungen zum Thema statt und wer will, findet eine Menge an Literatur darüber. Auch insbesondere den landesweit tätigen Jugendverbänden gebührt an dieser Stelle Dank. Sie sind es, die nicht müde werden, die Politik mit sachlicher Kritik wachzurütteln und sich nachhaltig für eine Stärkung der Interessen der Kinder und Jugendlichen einsetzen. Betrachtet man jedoch die Situation, wird man schnell feststellen müssen, dass sich in Sachsen-Anhalt in dieser Hinsicht bisher kaum etwas bewegt hat. Im Gegenteil, angesichts der angekündigten Kürzungen bei Jugendpauschale und Fachkräfteprogramm ist zu befürchten, dass Jugendarbeit, die einen partizipativen Auftrag hat, weiter vor dem Baum gefahren werden soll. Insofern ist es grundsätzlich gut, dass sich Bündnis 90 / Die Grünen auch diesem Thema widmen und entsprechende Drucksachen eingebracht haben.

Meiner Fraktion ist das Thema sehr wichtig. Aus diesem Grund werden wir uns auch nicht gegen die Vorschläge der Grünen stellen. Die Punkte, die sie, liebe Kollegen und Kolleginnen der Grünen, fordern, können wir zu großen Teilen mittragen. In vielen Punkten herrscht Deckungsgleichheit zu unseren Änderungsvorschlägen zum neuen Kommunalverfassungsrecht, das ja auch noch Thema dieser Landtagssitzung sein wird. Wir würden uns deshalb einer Ausschussüberweisung nicht in den Weg stellen.

Verehrte Kollegen und Kolleginnen der Grünen, ein wenig Kritik muss an dieser Stelle jedoch auch erlaubt sein. Beim Lesen ihrer Drucksachen hatte ich einen spontanen Gedanken, oder besser, eine Frage, die sich mir stellte. Ich fragte mich: Ist das alles? Sind Ihre Vorschläge ausreichend, um die Partizipation von Kindern und Jugendlichen tatsächlich ein Stück weit nach vorne zu bringen? Ich denke nein, denn das Machbare haben Sie nicht herausgeholt. Warum greifen sie mit Ihrem Gesetzentwurf das Thema Wahlalter nicht auf? Wenn sie schon an das Kommunalverfassungsrecht herangehen, dann hätten sie auch das passive Wahlalter senken können. Meine Fraktion wird das tun, und zwar mit einem Änderungsantrag zur Kommunalverfassung. Gleiches gilt für das aktive Wahlrecht bei Landtagswahlen. Warum klammern sie dieses Thema aus? Für mich ist das unverständlich, wenn man insbesondere die politische Partizipation von Jugendlichen stärken will.

Ich denke wir sind uns hier im hohen Haus in weiten Teilen einig, dass Kinderrechte in die Landesverfassung aufgenommen gehören. Warum, liebe Kolleginnen der Grünen, fordern sie dies nicht mit Ihrem Gesetzentwurf ein? Schade.
Was halten sie davon, bei der öffentlichen Auftragsvergabe, die Interessen von Kindern und Jugendlichen angemessen zu berücksichtigen? Ich unterstelle mal sehr viel. Dann hätten sie aber das Vergabegesetz ändern müssen. Das tun sie aber nicht.

Warum sollten Jugendliche ab 16 Jahren nicht bei Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden mitentscheiden dürfen. DIE LINKE wird sich dafür einsetzen. Ihr Gesetzentwurf macht dazu leider keine Aussage.
Auch, was die Fragen der Mitbestimmung in der Schule anbelangt, gibt es aus unserer Sicht einiges zu tun. Stichworte sollten hier Drittelparität bei Gesamtkonferenzen, Stärkung der Klassensprecher und verbrieftes Recht für Schülerräte sein. Das Schulgesetz ändern Sie jedoch nicht.

Daneben existieren noch eine ganze Reihe weiterer Baustellen oder Ideen, denen man sich widmen sollte. Hat der Kinderbeauftragte des Landes die Interessen von Jugendlichen ausreichend im Blick? Falls nein, was sollte dann verändert werden?
Wäre es sinnvoll, analog der Regelung des Bundestages eine Kinder- und Jugend-kommission im Landtag einzurichten? Wir denken schon.

Der Landesjugendhilfeausschuss benötigt ein Informations- und Anhörungsrecht in den Ausschüssen des Landtages. Das ist im Übrigen eine alte Forderung meiner Fraktion. Auch diese werden wir auffrischen.
Und, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, am Ende möchte ich noch auf einen Punkt hinaus, der in Ihrem Gesetzentwurf und in Ihrem Antrag gänzlich fehlt. Ich denke, wenn es um die Erreichbarkeit und das Mitmachen von Kindern- und Jugendlichen geht, kann man neue Medien nicht außer Acht lassen. Das Internet spielt schon jetzt eine wichtige Rolle und sollte deshalb auch unter dem Aspekt der Stärkung von Partizipationsrechten und -möglichkeiten für junge Menschen nicht ausgeblendet werden. Was hält den Landtag z.B. davon ab, ähnlich wie der Bundestag es macht, einen Chat einzurichten, der Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit bietet, sich einzumischen und mitzugestalten?

Ich denke, die Fraktion Bündnis90/Die Grünen haben einen Gesetzentwurf eingebracht, der insgesamt zu kurz gesprungen ist. Er wirkt ein wenig wie aus der Hüfte geschossen. Selbst ihre eigenen  vor kurzen verabschiedeten Parteitagsbeschlüsse finden sich in diesen Gesetzentwurf nicht wieder. Stichwort aktives Wahlalter ab 14 bei Kommunalwahlen. Ich sagte es schon: Viele der genannten Punkte wird die Fraktion DIE LINKE in einem eigenen Gesetzentwurf regeln, den wir im Frühjahr nächsten Jahres einbringen wollen. Im Übrigen, wer mag, kann bei Facebook an unseren laufenden Umfragen zum Thema Kinder- und Jugendbeteiligung teilnehmen.

Zum Schluss möchte ich noch einige Sätze zu den  Ombudsstellen in ihrem Gesetzentwurf sagen. Mit dem In-Kraft-Treten des Bundeskinderschutzgesetzes zum 01.01.2012 wurden die Beratungs- und Beteiligungsrechte von Kindern
und Jugendlichen gestärkt bzw. die Möglichkeiten der Beschwerde von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen der Kinder und Jugendhilfe erstmals formuliert. Expertinnen und Experten befinden sich derzeit im Diskussionsprozess, wie dieser gesetzliche  Anspruch zum Wohle der Kinder umgesetzt werden kann. Da geht es beispielsweise darum, wie  sich das fachliche Beraterteam zusammensetzt, wo die Beratungen stattfinden (Erreichbarkeit und niedrigschwelliger Zugang) und wie sich das Finanzierungsverfahren gestaltet. Angesichts des laufenden Prozesses bin ich mir unsicher, ob wir zu diesem Zeitpunkt schon eine Änderung im KJHG LSA vornehmen sollten. Eine ombudsschaftliche Beratungs- und Schlichtungsstelle beim Jugendamt einzurichten, ist auch in Fachkreisen nicht eindeutig geklärt. Auf alle Fälle sollten wir im Ausschuss ein Expertengespräch zu dieser Problematik führen.

Zusammenfassend kann ich sagen, Bündnis 90/Die Grünen haben versucht in ihrem Gesetzentwurf die Rechte von Kindern und Jugendlichen zu thematisieren. Das ist lobenswert. Dennoch vermisse ich ein schlüssiges und nachvollziehbares Gesamtkonzept in diesem Gesetzentwurf.