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Monika Hohmann zu TOP 04: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kinderförderungsgesetzes und des Kinder- und Jugendhilfegesetzes des Landes Sachsen-Anhalt

Mit der Novellierung des KIFÖG ist es gelungen, eine 10-jährige Ungerechtigkeit, den Kindern erwerbsloser Eltern nur einen Halbtagsanspruch zu gewähren,  rückgängig zu machen. Dies kann als Erfolg gewertet werden. Dennoch kommt diese Änderung für uns 10 Jahre zu spät. 10 Jahre Ausschluss von Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe. Wir haben bereits sehr früh einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht, in der Hoffnung, dass wir gemeinschaftlich ein gutes Gesetz heute verabschieden können.

Es ist es uns gelungen, einige unserer inhaltlichen Positionen der Koalition nahe zu bringen und sie von unseren Überlegungen zu überzeugen. Da wäre erstens die Einführung des Ganztagsanspruches ab 01.08.2013 für alle Kinder, unabhängig vom Erwerbsstatus der Eltern zu nennen. Ich erinnere daran, dass die Landesregierung ursprünglich ein Stufenmodell vorsah.

Zweitens war es DIE LINKE, die das Problem der verschleierten Personalschlüssel als einzige Fraktion aktiv angegangen ist. Wir haben mit unserem Gesetzentwurf die Personalschlüssel gerade gerückt. CDU und SPD haben nun zumindest den verräterischen Satz mit der neunstündigen Personalbemessungszeit aus dem Gesetz gestrichen.

Und letztlich ist es schön zu sehen, dass nun auch die Koalition die Beteiligung der Eltern auf Landesebene mitträgt.

Es musste schon mit Verwunderung festgestellt werden, dass, sehr geehrter Herr Minister, von ihrem Referentenentwurf kaum etwas übrig geblieben ist. Eigentlich schade, da in diesem Entwurf durchaus positive Ansätze zu erkennen waren. Einige dieser Anregungen haben auch wir mit unserem Gesetzentwurf verfolgt, nur mit dem Unterschied, wir sind dabei geblieben.

Ich möchte nun auf wesentliche Schwerpunkte aufmerksam machen, die für uns nach wie vor sehr wichtig sind und die wir in unserem Änderungsantrag heute nochmals einbringen.
Nach wie vor ist es für uns entscheidend, dass sich die pädagogischen Rahmenbedingungen für die Erzieherinnen verbessern. Unserem Änderungsantrag ist zu entnehmen, dass wir uns nicht mehr bei den Personalschlüsseln quer stellen. Sie haben in der Berechnung Ihrer Fachkraftanteile eindeutig keine – wie von uns gefordert – achtstündige Bemessungszeit zu Grunde gelegt – dies hat das Ministerium im Ausschuss auch bestätigt. Denn dann wären die Kosten auf über 80 Millionen Euro gestiegen. Aber, Ihr Vorschlag stellt eine Verbesserung der derzeitigen Situation dar. Deshalb sagen wir: Okay.

Im Gesetzentwurf der Landesregierung sollten die Personalschlüssel keine Korrektur erfahren, sondern Minister Bischof hatte den Erzieherinnen Vor –und Nachbereitungszeiten versprochen. Diese hätten nach Auffassung des Ministers auch zur Verbesserung des Personalschlüssels genutzt werden können. Gut, das wäre eine flexible Lösung gewesen, aber die Anhörung hat uns gezeigt, dass mehr Verbindlichkeit in Richtung Personalschlüssel gefordert wird. Diesen Schwenk haben Sie, verehrte Kollegin Grimm-Benne, nun radikal vollzogen und sämtliche Vor- und Nachbereitungszeiten zugunsten der Personalschlüssel gestrichen. Wir meinen, das war etwas zu radikal, wie auch die Reaktionen aus vielen öffentlichen Veranstaltungen zeigen.
Mit der verbindlichen Einführung des Bildungsprogramms: Bildung elementar stehen ErzieherInnen vor einer großen Herausforderung. Um diese in einer hohen Qualität umsetzen zu können, fordern wir in unserem Änderungsantrag Zeit für mittelbare pädagogische Tätigkeiten, in Form von 3 Vor- und Nachbereitungsstunden pro Woche und VZE einzuplanen. Was wäre so schlimm daran gewesen, einen Kompromiss zwischen einer Verbesserung der Personalschlüssel und einem Kontingent für mittelbare pädagogische Arbeiten zur Entlastung der Erzieherinnen zu schaffen? Ich kann es Ihnen sagen: Schlimm wäre daran für Sie gewesen, damit im Grunde unserem Vorschlag zu folgen – und das geht ja nun gar nicht.

Weiterhin sehen wir es sehr kritisch, dass die Sprachstandfeststellung mit Beschluss des Gesetzes abgeschafft werden soll. Hierüber haben wir in den Ausschüssen mehrfach diskutiert. Dies hatte zur Folge, dass jetzt im Gesetz ein Halbsatz zur Sprachförderung aufgenommen wurde: „Unter besonderer Beachtung der Sprachförderung“. Aus unserer Sicht ist dieser Teil inhaltlich nicht untersetzt. Zugleich möchte ich betonen, dass mit dem Wegfall der Sprachstandfeststellung es auch keine Evaluation des Verfahrens geben wird. Dies vor dem Hintergrund, dass ja  im derzeitigen Gesetz zum 01.08.2013 eine Evaluation vorgesehen war, die dem Landtag hätte vorgelegt werden sollen.  

Nur mit dem Hinweis, dass dies alles im fortgeschriebenen Bildungsprogramm umgesetzt werden soll, ist dem aus meiner Sicht nicht genügend Rechnung getragen. Zum einen konnten wir uns bei der Anhörung von Frau Prof. Raabe Kleeberg ein Bild machen, welche Erwartungen sie der Sprachförderung im Bildungsprogramm beimisst und welche Ressourcen dafür notwendig sind. Ich befürchte, dass die finanziellen und personellen Ressourcen hierfür nicht ausreichend bereit stehen.  

Ein weiterer Schwerpunkt den wir nicht mittragen können, ist die Verlagerung der Leistungsverpflichtung von den Gemeinden und Städten auf Landkreise. Warum war der Wechsel aus Sicht der Landesregierung notwendig? Die Landesregierung verband mit ihrem ersten Referentenentwurf die Hoffnung, für das Land Kostentransparenz herzustellen, in dem sich das Land mit seinem Landesanteil an den tatsächlichen Personalkosten beteiligt. Diesen Weg sind auch wir mit unserem Gesetzentwurf gegangen. Jetzt soll ein neues Finanzierungsverfahren eingeführt werden: Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsvereinbarungen nach § 78 ff. SGB VIII. Und diese Verhandlungen kann  nur der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe, d.h. das Jugendamt, führen. Deshalb musste es der Landkreis werden – trotz starker Proteste der Kommunen und ihrer Spitzenverbände.

Ein Eigenanteil, wie ihn freie Träger derzeit aufbringen, ist dem Finanzierungsverfahren nach § 78 ff. SGB VIII fremd. Dies dürfte der wesentliche Grund sein, warum Sie auf dieses Modell der Finanzierung zurückgreifen. Gemeinden und/oder Eltern werden diesen Eigenanteil zukünftig tragen müssen. 2011 betrug dieser nach unseren Berechnungen ca. 13 Mill. Euro. Nach Aussagen der Landesregierung und auch der Koalition ist zu hören, dass mit der Novellierung des Gesetzes das Land alle Mehraufwendungen selbst tragen wird. Trägt das Land auch den wegfallenden Eigenanteil freier Träger? Wohl eher nicht – zumindest wurde dies in den Beratungen nicht thematisiert.

Die Gemeinden verlieren durch die Übertragung der Leistungsverpflichtung auf die Landkreisebene die Vertragshoheit und damit die Steuerungsfunktion über die Kitas vor Ort. Mit den § 78-Vereinbarungen verlieren sie zusätzlich im Grunde die Kontrolle über die Höhe ihres gemeindlichen Defizits, da nicht sie, sondern Landkreis und Kita-Träger die Entgelte verhandeln. Es ist deshalb anzunehmen, dass viele Gemeinden ihr Einvernehmen verweigern und viele Entgeltverhandlungen bei der Schiedsstelle landen werden.

Ein weiterer Punkt der Finanzierungsumstellung ist auch der Tatsache geschuldet, dass sich in absehbarer Zeit ab 2017 die Kinderzahlen im Land reduzieren werden. Damit, so behauptet die Koalition, würden die Gemeinden in einen Interessenkonflikt geraten, wenn es um mögliche Schließungen von Einrichtungen geht. Deshalb soll zukünftig der Landkreis im Benehmen mit den Gemeinden über Kita-Standorte entscheiden. Nur aus diesen genannten Gründen wird eine über 20 Jahre gut funktionierende Aufgabenverteilung rückgängig gemacht. Wir lehnen daher die Übertragung auf die Kreise ab und stellen den Antrag, unseren ersten Punkt im Änderungsantrag namentlich abstimmen zu lassen. Vor dem Hintergrund, dass wir und auch Sie in den letzten Tagen und Wochen verstärkt Resolutionen aus den Landkreisen und Städten bekommen haben, die die zukünftige Praxis in Frage stellen, sehen wir dies als sehr wichtig an. Selbst Landtagsabgeordnete der Koalition kritisieren diese Entscheidung vor Ort. Nun schaffen wir Ihnen die Möglichkeit sich klar zu positionieren.

Mit unserem Gesetzentwurf haben wir genau wie im Referentenentwurf des Ministers eine Finanzierung verlangt, die sich an den tatsächlichen Personalkosten beteiligt. Wir haben weiterhin eingefordert, dass sich die Träger am Tarif des öffentlichen Diensts orientieren sollen. Dies war uns deshalb so wichtig, weil wir wissen, dass bei einigen Trägern nach wie vor Erzieherinnen weit unter Tarif des öffentlichen Dienstes bezahlt werden. Und dies obwohl sich das Land jährlich mit  2% Tarifsteigerungen an der Finanzierung beteiligt. Mit der jetzigen Formulierung im Gesetz, die sehr schwammig ist, werden wir es nicht schaffen Erzieherinnen ordentlich zu bezahlen. Hier ist aus unserer Sicht eine Chance vertan, junge Leute für den Beruf zu gewinnen und dem Fachkräftemangel  entgegen zu wirken.

Zusammenfassend können wir einschätzen, die Novellierung des KiFöG bleibt weit hinter den geweckten Erwartungen zurück. Es wäre mehr machbar gewesen. Alles was wir heute nicht in frühkindliche Bildung investieren, fällt uns in den nächsten Jahren auf die Füße. Dann wird es deutlich teurer.