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Monika Hohmann zu TOP 03 a): Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kinderförderungsgesetzes und des Kinder- und Jugendhilfegesetzes des Landes Sachsen-Anhalt

Im März 2003 trat das Kinderförderungsgesetz in Kraft. Es wurde mit den Stimmen der CDU, der FDP und der großen Mehrheit der SPD verabschiedet. Mit diesem Gesetz waren 47 Millionen Euro Einsparungen verbunden. Der Personalschlüssel im Kindergarten wurde auf 1:13 verschlechtert, die Personalbemessungszeit wurde verändert, die Tagespflege wurde eingeführt, Hilfskräfte durften in den Kitas arbeiten und vor allem: Seitdem haben Kinder arbeitssuchender Eltern nur einen Anspruch auf Halbtagsbetreuung. Dagegen regte sich Widerstand. Im Januar 2005 kam es zum ersten Volksentscheid in der Geschichte des Landes. Wie alle wissen, scheiterte der Volksentscheid aufgrund zu niedriger Wahlbeteiligung. 2006 brachte meine Fraktion nochmals einen eigenen Gesetzentwurf ein, der den Ganztagsanspruch für alle Kinder forderte. Der Entwurf wurde abgelehnt.

Neun Jahre und vier Monate später stehen wir also heute hier und reden über Ganztagsbetreuung für alle Kinder, unabhängig vom Erwerbsstatus ihrer Eltern. Das ist eine verdammt lange Zeit. Es hat sehr lange gedauert, bis sich bei CDU und SPD der Wert eines gleichberechtigten Zugangs zu frühkindlicher Bildung durchgesetzt hat – Kompliment.

Damit bin ich aber auch bei einer grundlegenden Frage, die letztlich für uns ausschlaggebend war, einen eigenen Gesetzentwurf einzubringen. Die Frage lautet: Was verstehen wir unter einem Ganztagsanspruch? Im Koalitionsvertrag steht dazu nämlich nichts. Zehn Stunden für alle Kinder? Acht Stunden für alle Kinder? Oder einen neuen Acht-Stunden-Anspruch für die derzeitigen Halbtagskinder, wie ihn die Grünen wollen?
 
Insbesondere Pressemeldungen der CDU und, ja, auch der „Buschfunk“, den man so mitkriegt, zeigten, dass wohl größere Teile der Koalition ziemlich uneins in dieser Frage sind. Das hat uns darin bestärkt, mit einem eigenen Gesetz den zehnstündigen Rechtsanspruch für alle Kinder zu fordern und zwar ohne Stufenplan. Alle anderen Lösungen wären entweder der generelle Abbau von Standards oder das Weiterführen der derzeit bestehenden Ungerechtigkeiten nur unter anderen Vorzeichen gewesen. Wir wollen im Übrigen deshalb keine Stufenmodelle, da sich auf absehbare Zeit das finanzielle Volumen des Landeshaushaltes rückläufig entwickeln wird. Das heißt, man sollte das Geld in die Hand nehmen, so lange dies noch relativ unproblematisch möglich ist.

Nach den Dialog-Kita-Reihen des Sozialministeriums war auch Abgeordneten, die sich nicht täglich mit dieser Materie befassen klar, dass eine Novelle des Kinderförderungsgesetzes nicht ohne Verbesserung der pädagogischen Rahmenbedingungen zu machen ist. Wir haben die Anregungen aufgenommen und wollen pro Vollzeitstelle drei Stunden pro Woche für mittelbare pädagogische Arbeit einführen. Dieses Stundenkontingent wollen wir nicht für Leitungsstunden öffnen – das unterscheidet uns vom Entwurf der Landesregierung. Wir wollen, dass diese drei Stunden auch tatsächlich bei der einzelnen Erzieherin ankommen. Wir wissen, dass wir damit hinter den fünf Stunden, die die Landesregierung vorschlägt, bleiben. Wir waren zu diesem Kompromiss jedoch aus Gründen der Finanzierbarkeit gezwungen, weil wir auch die derzeitigen Personalschlüssel verbessern wollen.

Ihnen wird auffallen, dass wir nichts an den momentanen Schlüsseln von 1:6 in der Krippe und 1:13 im Kindergarten ändern. Wir verändern jedoch die Zeit, die Grundlage für die Personalbemessung ist. Einer der Faktoren, der zu den wesentlichsten Einsparungen durch das KiFöG geführt hat, ist die Tatsache, dass eine achtstündige Vollzeitstelle pro Tag mit 9 Stunden gewichtet wird. Das führt zu abgesenkten Fachkraftanteilen pro Kind, die in der Folge dafür verantwortlich sind, dass die derzeitigen Personalschlüssel nicht gelten. Für die Krippe entsteht so ein Personalschlüssel von 1:6,75 und für den Kindergarten von 1:14,62. Dieses Problem ist nicht neu. Wir sagen, eine Vollzeitstelle darf nur mit acht Stunden pro Tag geplant werden. Damit verbessern wir die Fachkraftanteile pro Kind und sorgen dafür, dass die Betreuungsschlüssel, die im Gesetz stehen, auch gelten.

Wir verankern Inklusion im Gesetz. Inklusion im Sinne der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen wird in unserem Gesetzentwurf als Ziel und Leitbild formuliert. Grundsätzlich sollen alle Tageseinrichtungen allen Kindern mit und ohne Behinderungen offen stehen und einen universellen Zugang zu Bildung, Erziehung und Betreuung bieten. Kinder mit Behinderungen haben ein Recht auf gemeinsame Förderung. Das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern wollen wir entsprechend stärken. Wir setzen uns dafür ein, die Elternrechte auf Einrichtungs-, Träger-, Gemeinde-, Landkreis- und Landesebene zu stärken. Die Partizipation der Eltern an wichtigen Entscheidungsprozessen wird damit verbessert. Kuratorium und Träger-Elternbeirat erhalten zukünftig ein Mitspracherecht bei der Gestaltung der Essensbeiträge. Die Elternbeiräte der Landkreise und kreisfreien Städte erhalten einen Sitz im kommunalen Jugendhilfeausschuss. Wir wollen einen Landeselternbeirat. Eine Vertreterin oder ein Vertreter des Landeselternbeirates erhält einen Sitz im Landesjugendhilfeausschuss.

Um der mitunter prekären Beschäftigung von Erzieherinnen und Erziehern entgegenzutreten sieht unser Gesetzentwurf vor, dass die Träger von Tageseinrichtungen und Tagespflegestellen die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse am Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) orientieren. Auch wir wollen die Öffnung für Quereinsteiger mit pädagogischen Abschlüssen möglich machen. Jedoch auch Personen, die nicht unbedingt über einen pädagogischen Abschluss verfügen müssen, können nach Einzelfallprüfung durch das zuständige Jugendamt, in einer Tageseinrichtung tätig sein. Das Land soll zukünftig eine Ausbildungsplatzplanung erstellen und diese fortschreiben. Wir erhoffen uns von diesen Maßnahmen, dem sich anbahnenden Fachkräftemangel im Bereich Kinderbetreuung etwas entgegensetzen zu können.

Lassen Sie mich abschließend noch einige Worte zum Gesetzentwurf der Landesregierung und zum Änderungsantrag der Grünen sagen. Die Orientierung an den tatsächlichen Personalkosten haben sie in letzter Sekunde fallen lassen. Sie wollen die Beteiligung des Landes weiterhin auf Basis des TVöD berechnen. Dann müssen sich  weiterhin die Frage stellen lassen, warum das Geld nicht bei den ErzieherInnen ankommt. Im Grunde wäre es konsequent, wenn die Landesregierung dann auch für die Einrichtungsträger die Orientierung am öffentlichen Tarif in ihren Entwurf aufgenommen hätte. Ob man den Landesanteil in Form von Pauschalen nach Betreuungsart auszahlt oder nicht, darüber kann man reden. Diese Praxis hat schließlich jahrelang mit dem KiBeG funktioniert. Gleiches gilt für die Landkreise, die nach Ihrem Entwurf die Leistungsverpflichteten sein sollen. Fraglich ist hier jedoch, ob für die Eltern so kurze und unbürokratische Wege gesichert werden können. Auch darüber kann man reden.

Skeptisch sind wir jedoch bei den von Ihnen geplanten Leistungs- und Entgeltvereinbarungen nach § 78 b bis g SGB VIII. Ja, in den Hilfen zur Erziehung, in der Eingliederungshilfe und im Pflegebereich ist dies das gängige Modell der Finanzierung. Entgeltvereinbarungen sind aber eine komplexe und komplizierte Materie. Glauben Sie, dass alle Tageseinrichtungen und insbesondere auch die Tagespflegepersonen die notwendigen Ressourcen und das notwendige Know-How für derlei Verhandlungen mitbringen? Es wird sich in den Ausschussdiskussionen zeigen, ob ihr Modell in das System der Kinderbetreuung integrierbar ist oder nicht.

Die von Ihnen mit Artikel 3 angedachte Verlagerung der Zuständigkeit für die laufenden Leistungen im Rahmen der Hilfen zur Erziehung auf die örtlichen Träger lehnt DIE LINKE ab. Magdeburg hat die einmaligen Leistungen gerade gekürzt. Dies dürfte einen Ausblick auf die Zukunft der laufenden Leistungen geben, sollte die örtliche Ebene zuständig sein.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Grünen. Es ist schön, dass sich bei CDU, SPD und der LINKEN ein gemeinsames Ziel erkennen lässt, nämlich die Rückkehr zu einem zehnstündigen Ganztagsanspruch für alle Kinder. Sie teilen diesen Konsens nicht, sondern halten auch mit ihrem Acht-Stunden-Vorschlag weiterhin an der strukturellen Benachteiligung von Kindern arbeitssuchender Eltern fest. Wieso, das müssen Sie erklären. Unser Verständnis von Chancengleichheit sieht jedenfalls anders aus. Zumal Sie mit Ihrem Vorschlag rein gar nichts am derzeitigen bürokratischen Verwaltungsaufwand für Einrichtungsträger, Jugendämter und Gemeinden ändern.

Ich bitte um Überweisung unseres Gesetzentwurfs federführend in den Sozialausschuss und mitberatend in die Ausschüsse für Bildung, Finanzen und Inneres.