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Misserfolge am Gymnasium liegen am System – Entscheidung in Klasse 4 überdenken

Nach Daten des statistischen Landesamtes erreichen in jedem Schuljahrgang am Gymnasium durchschnittlich 25 Prozent der Schüler*innen, der zehnten Klassen nicht das Abitur. Die Daten für die Jahrgänge 5 bis 10 legen nahe, dass schon vor dem Übergang in die gymnasiale Oberstufe etwa 15 Prozent der Schüler*innen, das Gymnasium verlassen. Insgesamt bleiben landesweit somit etwa 40 Prozent der Schüler*innen, die in der 5. Klasse an den Gymnasien im Land starten, der Weg zum direkten Hochzugang verwehrt. Zu dieser extrem hohen Rate von Misserfolgen und den Erklärungsversuchen, dies liege an mangelnder Leistungsbereitschaft bzw. zu geringer Leistungsfähigkeit (Bezeichnung durch den Philologenverband als „Dünnbrettbohrer“) erklärt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und bildungspolitische Sprecher, Thomas Lippmann:

„Das Tausendfache Scheitern von Schüler*innen an einer Schulform, die eigentlich besondere Erfolge verspricht, ist ein schlimmer Zustand. Jedes Jahr werden so tausende Schulkarrieren gebrochen und Schüler*innen, die mit guten Noten und einer Gymnasial-empfehlung aus den Grundschulen kommen, schon nach wenigen Jahren mit schlechten Noten und ohne die erhofften Lernerfolge an die Sekundar- und Gemeinschaftsschulen zurückgeschickt.

Es ist ein strukturelles Problem, dass die Gymnasien als einzige Schulform Jahr für Jahr und in beliebigem Umfang Schüler*innen abschulen können, ohne dass sich jemand für die Gründe der Misserfolge interessiert. Das Schweigen des Bildungsministeriums zu dieser „Bilanz des Scheiterns“ spricht Bände. Eine wissenschaftliche Untersuchung ist hier längst überfällig.

Es ist auch bezeichnend, wenn Vertreter des Philologenverbandes das Scheitern von etwa 40 Prozent der Gymnasiasten an dieser Schulform vor allem den Schüler*innen zuschieben und herablassend von „Dünnbrettbohrern “ sprechen. Diese sehr schlichte Art der Ursachenanalyse belegt nicht nur auf bedrückende Weise die oft fehlende Achtung gegenüber den Leistungen aber auch gegenüber den Problemen der Schüler*innen. Es wird dadurch auch die Zuverlässigkeit der Schullaufbahnempfehlungen der Grundschulen in Klasse 4 massiv in Zweifel gezogen.

Obwohl Studien wie z. B. die Pisa-Untersuchungen und eben auch die hier vorliegenden Statistiken darauf hinweisen, dass etwa die Hälfte aller Schullaufbahnempfehlungen in der 4. Klasse bei den 9 bis 10jährigen Kindern eine „falsche“ Prognose über die geeignete Schulform abgeben, halten konservative Bildungspolitiker an dieser frühen Einordnung in die Schullaufbahnen fest und behaupten, diese Empfehlungen wären ausreichend „treffsicher“ und eine gute Grundlage für die frühe Planung der „richtigen“ Schulkarriere. Die Fakten belegen jedoch das Gegenteil.

Einen Ausweg aus dieser Misere eröffnen derzeit nur die Integrierten Gesamtschulen und die Gemeinschaftsschulen mit ihrer späten Trennung der Schulwege. Solange es weiter eine Mehrheit dafür gibt, am gegliederten Schulsystem mit einer frühen Schullaufbahnentscheidung festzuhalten, ist man es den Schüler*innen und den Eltern schuldig, diese Schulformen zu stärken und bedarfsgerecht zu erweitern.“

 

Magdeburg, 24. April 2022