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Masterplan zur Sicherung der Schulbildung in Sachsen‐Anhalt

Thomas Lippmann, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und bildungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Landtag von Sachsen-Anhalt, hat heute im Landtag ein grundlegendes Umdenken des Bildungsministeriums gefordert und einen Masterplan zur Sicherung der Schulbildung vorgelegt:

„Es gibt genügend junge Menschen, die ein Lehramt studieren wollen, man muss sie nur lassen und ihnen auch ein adäquates Studium anbieten. In jedem Jahr werden hunderte Interessenten an einem Lehramtsstudium von der MLU ferngehalten, weil es jede Menge Zulassungsbeschränkungen gibt. Und es muss auch aufhören, Lehramtsstudierende für ihre fachwissenschaftliche Ausbildung mit den angehenden Fachwissenschaftlern zusammenzustecken. Das muss bei zwei Fächern, zwei Didaktiken und der pädagogischen Ausbildung in vielen Fällen ja zum Scheitern führen. Dass fast jedes zweite Lehramtsstudium ohne Erfolg bleibt, spricht da Bände. 

In der letzten Woche fand die Stichtagserhebung für die Unterrichtsversorgung statt. Die Dimension des Unterrichtsabbaus kann man auch ohne Kenntnis der letzten Statistik mit wenigen Daten begreifbar machen. Denn der Zahl der Schüler:innen an den allgemeinbildenden Schulen, in den letzten zehn Jahren um mehr als 20.000 gestiegen ist, steht ein Unterrichtsvolumen gegenüber, das im gleichen Zeitraum um 20.000 Wochenstunden gesunken ist. Entsprechend dem Anstieg der Schüler:innen-Zahl hätte das Unterrichtsangebot aber um mindestens 36.000 Unterrichtsstunden steigen müssen, um weiter auf gutem Niveau unterrichten zu können.

Dies alles zusammengerechnet ergibt für ein ganzen Schuljahr ein Defizit von mehr als 2 Mio. Unterrichtsstunden, die der heutigen Schüler:innen-Generation gar nicht mehr angeboten werden. Und da kommt der Unterrichtsausfall durch die Abwesenheit von Lehrkräften noch obendrauf. Das sind noch einmal fast 1 Million Unterrichtsstunden, die nicht vertreten werden. 2 Millionen fehlende Unterrichtsstunden entsprechen dem Arbeitsvolumen von etwa 2.200 vollbeschäftigten Lehrkräfte. Das ist mehr als das Zweieinhalbfache der 850 Vollzeitlehrkräfte, die Ministerin Feußner am Dienstag im Volksstimme-Interview zugestanden hat. Es fehlen eben nicht nur 8 Prozent, sondern mindestens 18 Prozent an einer vollwertigen und ungekürzten Unterrichtsversorgung.

Wir alle sind gefordert, dieser bedrohlichen Entwicklung Einhalt zu gebieten. Dafür sind nicht nur neue Anstrengungen und neue Ideen gefordert, gute Bildung kostet auch mehr Geld. Es mag als ein schlechter Zeitpunkt erscheinen, gerade jetzt mehr Geld für Bildung einzufordern. Doch die Krise unseres Schulsystems kann auf keine lange Bank geschoben werden. Diese Krise ist tiefgreifend und existenziell und wir werden noch sehr lange mit ihren Folgen zu kämpfen haben. Es ist deshalb überfällig, dass sich der Ministerpräsident endlich ernsthaft und persönlich für die Sicherung der Unterrichtsversorgung einsetzt. Das Kind liegt im Brunnen und Ministerin Feußner wird es da ohne seine Unterstützung nicht herausbekommen. Und damit sind keine weiteren Schulbesuche oder ein paar eigene Unterrichtsstunden gemeint. Auch die aufwändig inszenierten Gespräche zu einem Schulfrieden haben offenbar nichts gebracht.

Der Ministerpräsident, der seit 2011 das Land führt, trägt für die beklagenswerten Zustände in unseren Schulen die Verantwortung. Er muss jetzt endlich Farbe bekennen und für einen Kurswechsel sorgen. Deshalb gehört jetzt ein Masterplan für die Sicherung der Schulbildung auf ihren Tisch. Es ist der entscheidende Zeitpunkt, um Verantwortung zu übernehmen und Weichen anders zu stellen. Wir haben unsere Vorschläge im vorliegenden Antrag dazu noch einmal zusammengetragen und bieten unsere Unterstützung an. Ich will der Bildungsministerin einmal den Rücken stärken bei ihrem Einsatz für eine Ausweitung der Lehramtsausbildung in Magdeburg und für die A13-Besoldung für die Grundschullehrkräfte. Nachher werden sicher einige von uns rausgehen zu der Demonstration von Grundschullehrkräften. Deren Ungeduld und der Unmut über die weiter ausstehende Angleichung ihrer Bezahlung ist riesig. Lassen sie unsere Grundschullehrkräfte nicht erneut frustriert und ohne Perspektive für eine gerechte Bezahlung nach Hause fahren. Sorgen sie dafür, dass wir in Sachsen-Anhalt nicht das Schlusslicht bei der A13 für die Grundschulen bilden.

Wir schlagen erneut Anwärtersonderbezüge für alle schulformbezogenen, fächerbezogenen und regionalbezogenen Mangelbereiche vor. Außerdem drängen wir nachdrücklich darauf, dass die schon zweimal beschlossenen Vorverträge mit den Lehrkräften im Vorbereitungsdienst jetzt endlich umgesetzt werden. Die oftmals engen Bindungen zwischen den Auszubildenden und ihren Schulen sollen bewusst gepflegt und für den späteren Einsatz an diesen Ausbildungsschulen genutzt werden. Als zweites plädieren wir dafür, wesentlich sorgsamer mit den Lehrkräften im Seiteneinstieg umzugehen. Es muss alles dafür getan werden, damit möglichst alle über einen berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst zu vollwertigen Lehrkräften werden: Durch den Vorbereitungsdienst pädagogisch qualifiziert und über eine Sonderlaufbahn in der Besoldungsgruppe A13 in ein Beamtenverhältnis übernehmbar und wie alle anderen Lehrkräfte bezahlt.

Drittens wollen wir nachdrücklich darauf hinweisen, dass die Sekundarschule als Schulform im gegliederten Schulsystem nicht mehr erfolgreich weitergeführt werden kann. Sie ist für Schüler*innen und Eltern ebenso wie für neue Lehrkräfte zunehmend unattraktiv und gleitet immer mehr auf das Niveau früherer Hauptschulen ab. Wir schlagen deshalb vor, die Ausbildung für das separate Lehramt an Sekundarschulen aufzugeben und die Ausbildung im Lehramt an Gymnasien auf alle weiterführenden Schulen zu erweitern. Außerdem schlagen wir vor, die Umwandlung bestehender Sekundarschulen in Gemeinschaftsschulen aktiv zu unterstützen und die Gemeinschaftsschule durch weitere innere und strukturelle Reformen so zu stärken, dass sie sich zu einer Schulform entwickelt, die dem Gymnasium gleichwertig ist.

Als letztes wollen wir erneut den Versuch unternehmen, Landesregierung und Koalitionsfraktionen von unserem Vorschlag für einen verbindlichen berufspraktischen Unterricht zu überzeugen. Dieser soll u. a. wegen des wegbrechenden Unterrichtsangebotes in den Schulen der Sekundarstufe I für die 8. und 9. Klassen im Umfang von einem Tag je Unterrichtswoche organisiert werden. Er soll von qualifizierten Trägern der beruflichen Bildung und ggf. auch von ausreichend großen Ausbildungsbetrieben bzw. von berufsbildenden Schulen durchgeführt werden, wobei private Träger dafür eine kostendeckende Vergütung erhalten müssen.“

 

Magdeburg, 13. Oktober 2022