Landwirtschaft der Zukunft muss am Gemeinwohl orientiert sein und mehr regionale Wertschöpfung betreiben
Kerstin Eisenreich, agrarpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, betont in der Landtagsdebatte um Zukunftsperspektiven für die Landwirtschaft:
„Insgesamt steht die Landwirtschaft möglicherweise vor den größten Veränderungsprozessen der letzten Jahrzehnte. Es fehlt jedoch Planungs- und Investitionssicherheit. Gleichzeitig kämpft die Landwirtschaft bereits jetzt mit den Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels. Böden verlieren ihre ökologische Funktion. Konzerne der Lebensmittelindustrie und des Einzelhandels diktieren Preise, die nicht mal im Ansatz die Erzeugungskosten decken, während diese Konzerne immer mehr Gewinne machen. Die Konkurrenz um Agrarflächen nimmt zu und der Boden ist als interessantes Anlageobjekt zum Spekulationsobjekt geworden und dadurch für Landwirtinnen und Landwirte nicht mehr bezahlbar.
Der vorliegende Antrag von den Grünen nimmt eine ganze Reihe dieser Aspekte auf, die auch von der Zukunftskommission Landwirtschaft, der sogenannten Borchert-Kommission und auch vom Bürgerrat Ernährung gemacht wurden. Aber erstens hat meine Fraktion auf der letzten Landtagssitzung einen umfangreichen Antrag mit teilweise ähnlich lautenden Forderungen hier eingebracht. Zweitens verwundert das schon etwas, weil die antragstellende Fraktion im Bund immerhin auch den Landwirtschaftsminister stellt. Aber ich möchte mein Augenmerk auf den Punkt der Einführung eines Tierschutz-Cents richten.
Wir müssen feststellen, dass die Lebensmittelpreise bereits um ca. 30 Prozent gestiegen sind. Eine weitere Erhöhung der Preise durch eine zusätzliche Abgabe ist daher für Menschen mit geringem Einkommen nicht leistbar. Deshalb dürfen die Vorschläge des Bürgerrates und der Zukunftskommission Landwirtschaft hier nicht außen vor bleiben: Die Einführung einer solchen Abgabe muss zwingend von sozialpolitischen Maßnahmen flankiert werden, zum Beispiel die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf einen Warenkorb von gesunden und lebenswichtigen Grundnahrungsmitteln. Das fehlt im vorliegenden Antrag leider.
Es bleibt die Frage, ob diese als Verbrauchssteuer angelegte Tierwohlabgabe tatsächlich zweckgebunden eingesetzt werden kann. Denn eigentlich geht das nach EU-Recht nicht, weil ja auch Importware betroffen ist. Fließt das Geld aber in den Gesamthaushalt, wird immer wieder die Auseinandersetzung geführt werden müssen, damit die Finanzierung für die Landwirtschaft sichergestellt wird.
Der notwendige Umbau der Landwirtschaft funktioniert nur, wenn die Existenz landwirtschaftlicher Betriebe gesichert ist. Sie braucht also langfristige und an den Zielen ausgerichtete Finanzmittel der öffentlichen Hand, die der Bereitstellung öffentlicher Güter dienen, so formulierte es die Zukunftskommission Landwirtschaft. Die Investitionen in diesen Umbau lohnen sich letztendlich für die gesamte Volkswirtschaft, weil dadurch die Folgekosten für Umwelt und Gesundheit zurückgehen werden. Die Landwirtschaft der Zukunft wird sich wahrscheinlich deutlich von der heutigen unterscheiden: Am Gemeinwohl orientierte, mit regionaler Wertschöpfung, Kreislaufwirtschaft, Schutz von Natur und Klima. Sie bleibt aber eben auch eine Landwirtschaft, bei der die dort Tätigen von ihrer Arbeit leben können und deren Produkte bezahlbar sind.“
Magdeburg, 23. Februar 2024