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Kristin Heiß zu TOP 4: Kinder- und Jugendhilfe modernisieren. Stärkung der Rechte junger Menschen durch ombudschaftliche Beratung

Frau Präsidenten, verehrte Kolleginnen und Kollegen,

die Koalition will mit diesem Antrag ein angekündigtes Vorhaben des Koalitionsvertrages umsetzen.

Der Paragraph 9a des im Bundesrat auf Eis liegenden Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes sieht vor, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe ombudschaftliche Beratungs- und Schlichtungsstellen errichten können.

Leider ist dies nur eine Kann-Regelung, die keinen verpflichtenden Charakter trägt. Das Etablieren von Ombudsstellen sollte aus unserer Sicht zur Pflicht erklärt werden. Daher begrüßen wir das Einrichten von Ombudsstellen in der Kinder- und Jugendhilfe hier in Sachsen-Anhalt ausdrücklich.

In den Tätigkeitsbereich ombudschaftlicher Beratung und Unterstützung fallen alle Aufgaben und Leistungen der Jugendhilfe, die im Paragraph 2 SGB VIII genannt sind. Dieser Leistungskatalog zeigt eindrucksvoll, wie breit ombudschaftliche Arbeit aufgestellt sein muss.

Vor allem Leistungen mit Rechtsanspruch wie Kinderbetreuung, Hilfen zur Erziehung und Eingliederungshilfe, aber auch Inobhutnahmen und die Mitwirkung des Jugendamtes in familiengerichtlichen Verfahren können hohes Konfliktpotential bergen. Denn es handelt sich um sehr folgenreiche Entscheidungen für Kinder und deren Familien.

Ein Management dieser Konfliktlagen ist nicht in einem Ein-Personen-Betrieb zu leisten. Es setzt aus unserer Sicht ein sehr hohes professionelles Niveau und fundiertes fachliches Wissen der Ombudsfrauen und –männer voraus. Neben sozialpädagogischen sind hier insbesondere juristische Kompetenzen und Erfahrungen gefragt.

Liebe Koalition, Sie schreiben in der Begründung ihres Antrages, dass ombudschaftlche Arbeit zu sinkenden Klageverfahren, beschleunigten Verfahren und zu einer Arbeitsentlastung der Jugendämter führen kann. Ja, dies können – neben der Stärkung des Klientels – die wünschenswerten weiteren Resultate ombudschaftlicher Arbeit sein.

Klar muss aber auch sein, dass ombudschaftliche Arbeit, die erfolgreich sein will, immer auch Ressourcen seitens des Jugendamtes und bei den involvierten freien Trägern binden wird. Dieser Aspekt ist wichtig, weil wir damit zur Personalausstattung in der Jugendhilfe und insbesondere der Jugendämter kommen.

Dass es um diese nicht besonders gut bestellt ist, zeigt zum Beispiel die hohe Arbeitsbelastung im Bereich des Allgemeinen Sozialen Dienstes der Jugendämter. Das heißt, auch Jugendämter brauchen Ressourcen, um mit der Ombudsstelle ordentlich zusammenarbeiten zu können.

Neben den genannten Punkten sind weitere Fragen zu klären. Wie ist die Unabhängigkeit der Ombudsstelle am besten zu garantieren? Soll sie bei einem freien Träger oder in der Kommunalverwaltung angesiedelt werden? Wird die Arbeit der Ombudsstellen statistisch erfasst und ausgewertet? Erfolgt eine Rückmeldung in die kommunalen Jugendhilfeausschüsse und in die Jugendämter? Bekommt die Ombudsstelle einen Sitz im Jugendhilfeausschuss? All diese Fragen sollten wir gemeinsam mit Fachleuten der Kinder- und Jugendhilfe in den Ausschüssen diskutieren.

Sie fordern in Ihrem Antrag, dass ein Konzept für ein Modellvorhaben erarbeitet werden soll. Hier ist die Frage: Von und mit wem? Soll das Konzept vom Ministerium, vom Landesjugendamt erarbeitet werden? Und wen binden Sie ein? Wir finden es sinnvoll, hier den Landesjugendhilfeausschuss einzubinden ebenso wie Träger im Land, die sich bereits über Jahre mit diesem Thema beschäftigen. Hier können viele Erfahrungen und Kompetenzen zum Beispiel der LIGA oder der bereits bestehenden Landesarbeitsgemeinschaft zu Ombudschaften einfließen, die einen Erfolg des Modellprojektes fördern.

Vergessen werden darf auch nicht, dass eine Ombudsstelle nicht nur bei Fragen berät, sondern oftmals ihre Arbeit erst bei einer bestimmten Konfliktsituation aufnimmt. Zu diesen Konflikten, zum Beispiel in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, soll es erst gar nicht kommen. Hier ist eine Stärkung der Beteiligungsrechte beispielsweise durch Heimräte sinnvoll. Denn wer sich beteiligen und mitentscheiden kann, hat weniger Grund zur Beschwerde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich abschließend die Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz zitieren. Sie sagt: „Aufgrund der strukturellen Machtasymmetrie innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe besteht eine institutionelle Notwendigkeit für Ombudschaft. Ein ombudschaftliches Angebot muss aber ernst gemeint sein und darf nicht zu legitimatorischer Zeichensetzung verkommen. Schlecht ausgestattete oder auch rein ehrenamtliche Strukturen bergen die Gefahr der Überforderung und damit auch einer (erneuten) Enttäuschung der Ratsuchenden.“ In diesem Sinne stimmen wir der Überweisung zu.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit