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Kristin Heiß zu TOP 20: Maßnahmen zur Altersfeststellung bei minderjährigen Ausländern

Sehr geehrter Herr Präsident,

verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bereits im November 2016 hat uns die AfD-Fraktion mit einem fast wortgleichen Antrag beglückt. Jetzt gibt es lediglich minimale sprachliche Aufweichungen. Falls Sie dachten, wir merken das nicht, haben Sie sich getäuscht.

Wie sieht es denn bei dem hier vorliegenden Antrag aus? Die Fraktion der AfD macht zweierlei Unterstellungen: Erstens die Unterstellung, dass das Alter junger Menschen zweifelsfrei bestimmbar wäre. Zweitens – dass es einen massenhaften Betrugsversuch derer gibt, die hier bei uns als junge Menschen Schutz suchen.

Zur Bestimmbarkeit des Alters: Das Deutsche Ärzteblatt hat im Mai 2014 ein Themenheft herausgegeben, das sich mit der Altersdiagnostik bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen beschäftigt. Bereits der erste Absatz dieser Expertise ist sehr eindeutig formuliert. Ich zitiere: „Es ist ein Irrglaube, dass Ärzte das Alter exakt definieren können. Möglich ist nur eine grobe Schätzung. Für die betroffenen Jugendlichen können umstrittene radiologische Verfahren der Altersdiagnostik dramatische Folgen haben.“

Nun zur Betrugsunterstellung: Sie sprechen in der Begründung ihres Antrags ja vom „teuren Missbrauch der Jugendhilfe“ sowie vom „Missbrauch des Jugendstrafrechtes“. Auch hier kommen fachkundige Untersuchungen nicht nur zu verneinenden, sondern zu gegenläufigen Ergebnissen. Eine Stichprobe der Bayerischen Ärzteinitiative für Flüchtlingsrechte von 2013 kommt zu dem Schluss, dass regelmäßig Jugendliche für erwachsen erklärt werden, obwohl sie es gar nicht sind. Auch anderenorts hat sich schon häufig gezeigt, dass ein später erfolgter Nachweis die ursprüngliche Altersangabe des Jugendlichen bestätigte. Die Flüchtlingsräte in allen Bundesländern kennen genügend Fälle, in denen dieser Nachweis für die Betroffenen zu spät oder leider gar nicht kam. Jugendliche werden wie Erwachsene behandelt und die Unterstützungen der Jugendhilfe wird ihnen vorenthalten.

Und genau an diesem Punkt setzt unsere Kritik als LINKE bei diesem Themenkomplex an: Wir brauchen nicht mehr Repressionen durch gesundheitsgefährdende Untersuchungen und weniger Jugendhilfe – sondern eine bedarfsgerechte Jugendhilfe. Was wir am Beispiel der hier aufgewachsenen jungen Menschen für richtig und wichtig halten, können wir bei den Zufluchtsuchenden nicht völlig ausblenden.

Vielleicht habe Sie sich mal die Zahlen für die Aufnahmen von unbegleiteten minderjährigen Ausländern in Sachsen-Anhalt angeschaut. Wir liegen weit unter der Quote. Momentan nehmen wir gerade mal 76 Prozent derer auf, die wir aufnehmen sollten. Das sind in konkreten Zahlen 1.555 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Um die kümmert sich das Land im Rahmen seiner Möglichkeiten.

Unbegleitete Flüchtlinge, die angeben, minderjährig zu sein, müssen in der geschützten Umgebung einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht werden. Dort kann in einem Clearingverfahren neben der Feststellung des Jugendhilfebedarfs auch eine Abschätzung des Alters gemäß den Empfehlungen des UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes vorgenommen werden. So oder so dürfte deutlich geworden sein, dass wir auch diesen Antrag entschieden ablehnen. Vielen Dank!