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Kristin Heiß zu TOP 15: Maßnahmen zur Altersfeststellung bei minderjährigen Ausländern

Wie sieht es denn bei dem hier vorliegenden Antrag aus? Die Fraktion der AfD macht zweierlei Unterstellungen: Erstens, dass das Alter junger Menschen zweifelsfrei bestimmbar wäre. Zweitens, dass es einen massenhaften Betrugsversuch derer gibt, die hier bei uns als junge Menschen Schutz suchen.

Zur Bestimmbarkeit des Alters: Das Deutsche Ärzteblatt hat im Mai 2014 ein Themenheft herausgegeben, das sich mit der Altersdiagnostik bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen beschäftigt. Zu den drei Autoren gehört Prof. Dr. med. Klaus Mohnike. Er ist Leiter der Pädiatrischen Endokrinologie an der Universitätsklinik Magdeburg. Bereits der erste Absatz dieser Expertise ist sehr eindeutig formuliert: „Es ist ein Irrglaube, dass Ärzte das Alter exakt definieren können. Möglich ist nur eine grobe Schätzung. Für die betroffenen Jugendlichen können umstrittene radiologische Verfahren der Altersdiagnostik dramatische Folgen haben.“

Außerdem, und das möchte ich hier mit aller Klarheit sagen, hat der Deutsche Ärztetag im Jahr 2010 zum wiederholten Male beschlossen, dass die Beteiligung von Ärztinnen und Ärzten zur Feststellung des Alters mit „aller Entschiedenheit abzulehnen“ ist. Die Ärzte stellen fest, dass „Röntgen ohne medizinische Indikation“ mit dem ärztlichen Berufsethos grundsätzlich nicht vereinbar ist. Sie vordern also, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der AfD, dass die Ärzte etwas tun, dass gegen ethische Prinzipien verstößt und am Ende sogar mehr schaden als nützen könnte.

Nun zur Betrugsunterstellung: Sie sprechen in der Begründung ihres Antrags ja vom „teuren Missbrauch der Jugendhilfe“ sowie vom „Missbrauch des Jugendstrafrechtes“.
Auch hier kommen fachkundige Untersuchungen nicht nur zu verneinenden, sondern zu gegenläufigen Ergebnissen. Eine Stichprobe der Bayerischen Ärzteinitiative für Flüchtlingsrechte von 2013 kommt zu dem Schluss, dass regelmäßig Jugendliche für erwachsen erklärt werden, obwohl sie es gar nicht sind. Auch anderenorts hat sich schon häufig gezeigt, dass ein später erfolgter Nachweis die ursprüngliche Altersangabe des Jugendlichen bestätigte. Die Flüchtlingsräte in allen Bundesländern kennen genügend Fälle, in denen dieser Nachweis für die Betroffenen zu spät oder leider gar nicht kam. Jugendliche werden wie Erwachsene behandelt und die Unterstützungen der Jugendhilfe wird ihnen vorenthalten.

Und genau an diesem Punkt setzt unsere Kritik als LINKE bei diesem Themenkomplex an: Wir brauchen nicht mehr Repressionen durch gesundheitsgefährdende Untersuchungen und weniger Jugendhilfe – sondern eine bedarfsgerechte Jugendhilfe. Was wir am Beispiel der hier aufgewachsenen jungen Menschen für richtig und wichtig halten, können wir bei den Zufluchtsuchenden nicht völlig ausblenden.

Wenn ein junger Mensch ohne Angehörige mit traumatischen Kriegserfahrungen und dramatischem Fluchtweg nach seiner Ankunft hier pädagogische Begleitung braucht, können wir das diesem Menschen doch nicht vorenthalten, weil er gerade 18 Jahre alt geworden ist.

Und was passiert eigentlich, wenn der Flüchtling als volljährig eingeschätzt wird?
Die Betroffenen werden, statt in Einrichtungen der Jugendhilfe in Gemeinschaftsunterkünfte für Erwachsene untergebracht. Dort findet keine angemessene soziale Betreuung statt, dort gibt es kaum Chancen auf eine Schul- oder Ausbildung.
Um es klar zu sagen: Unbegleitete Flüchtlinge, die angeben, minderjährig zu sein, müssen in der geschützten Umgebung einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht werden. Dort kann in einem Clearingverfahren neben der Feststellung des Jugendhilfebedarfs auch eine Abschätzung des Alters gemäß den Empfehlungen des UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes vorgenommen werden. Demnach sollte nicht nur dem physischen Zustand des Kindes Beachtung geschenkt werden, sondern auch dessen psychischer Reife. Die Untersuchung muss nach den UN-Empfehlungen außerdem wissenschaftlich fundiert, sicher, kindgerecht, vorurteilslos und dem Geschlecht des Kindes angemessen sein. Jedes Risiko für die körperliche und seelische Unversehrtheit des Kindes ist zu meiden und im Zweifel zugunsten des Betroffenen zu entscheiden.

Ich verweise dazu gerne noch mal auf die genannte Fachausgabe des Ärzteblatts.
So oder so dürfte deutlich geworden sein, dass wir Ihren Antrag entschieden ablehnen.