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Kristin Heiß zu TOP 13: Entwurf eines siebenten Gesetzes zur Änderung des Ministergesetzes

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident!

Im Jahr 2014 gab die Europäische Kommission erstmals einen Korruptionsbericht seiner Mitgliedsstaaten heraus. Jeder Mitgliedsstaat erhielt einen eigenen mehrseitigen Bericht, so auch Deutschland. Bemängelt wurde u.a. dass es in Deutschland keine Regelungen für Politikerinnen und Politiker gibt, die eine Wartezeit nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt bis zur Aufnahme einer Tätigkeit in der Privatwirtschaft vorschreibt.

Im gleichen Jahr stellte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hier im Landtag einen Antrag zur Änderung des Ministergesetzes. Gefordert wurde, eine Karenzzeit nach Beendigung des Ministeramtes einzuführen. Der Antrag wurde damals abgelehnt. Eine Begründung war, dass es noch keine Bundesregelung gibt und man diese abwarten sollte.

Ein Jahr später, im Jahr 2015 verabschiedete der Bundestag auf Vorschlag der Bundesregierung eben jenes Gesetz, das Karenzzeiten für Ministerinnen und Minister auf Bundesebene regelt.

Seit 2015 hat nicht nur der Bund, sondern haben auch mehrere Bundesländer Regelungen für ihre Landesregierungen geschaffen. Dazu zählen Brandenburg, Hamburg, Hessen und Schleswig-Holstein. In Thüringen brachte die dortige Landesregierung im November vergangenen Jahres einen Entwurf ein, der momentan in den Ausschüssen diskutiert wird.

Wir haben aktuell also, anders als damals das Parlament, eine Vielzahl erprobter Gesetze zum Thema vorliegen, an denen wir uns orientieren können. Einiges haben wir in unserem Gesetzentwurf aus den Regelungen des Bundes übernommen, einiges aus den Bundesländern und einiges wollen wir ganz anders gestalten.

Was genau steht nun in unserem Gesetzesentwurf?

1. Wollen Mitglieder der Landesregierung, innerhalb der ersten 24 Monate nach dem Ende ihrer Amtszeit eine Tätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes annehmen, haben sie dies der Landesregierung schriftlich mitzuteilen.

2. Die Landesregierung kann die geplante Tätigkeit ganz oder teilweise untersagen. Die Untersagung soll in der Regel die Dauer von einem Jahr nicht überschreiten, kann jedoch längstens für zwei Jahre ausgesprochen werden.

3. Die Landesregierung trifft ihre Entscheidung auf Empfehlung eines beratenden Gremiums.

4. Das Gremium wird vom Parlament vorgeschlagen. Jede Fraktion hat ein Vorschlagsrecht. Die Geschlechterparität ist zu beachten. Das Gremium wird für die Dauer von fünf Jahren von der Präsidentin bzw. dem Präsidenten des Landtages zu berufen.

5. Wird die Aufnahme der Tätigkeit untersagt, wird ein Übergangsgeld für die Dauer der Untersagung gewährt.

Ziel unseres Antrages ist es, konkrete Interessenkollisionen und auch bereits deren begründeten Anschein zu vermeiden.

Der Anschein, dass ein Regierungsmitglied bei einer späteren Tätigkeit in der Privatwirtschaft interne Informationen nutzen könnte, die er oder sie während der Amtszeit erlangt hat, muss verhindert werden. Verhindert werden soll auch, dass schon während der Amtszeit mit Blick auf einen möglichen späteren Job in der Privatwirtschaft anderweitige Interessen eine Rolle spielen.

Die Tätigkeit, die Ministerinnen und Minister ausüben, ist eine Tätigkeit für das Gemeinwohl. Sie können diese Tätigkeit deswegen ausüben, weil die Bevölkerung ihrer Partei Vertrauen geschenkt hat.

Wir möchten mit unserem Antrag verhindern, dass dieses Vertrauen missbraucht wird und dass der Anschein entsteht, dass statt dem Wohl aller Menschen in unserem Land privatwirtschaftliche Interessen oder Eigeninteressen im Vordergrund stehen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Unsere vorgeschlagenen Regelungen in den Paragrafen 8a bis 8d des Ministergesetzes bedeuten eine Einschränkung der Berufsfreiheit. Sie führen aber nicht zu einem Berufsverbot. Die Regelungen sind mit den Anzeigepflichten und Untersagungsmöglichkeit so ausgestaltet, dass die allgemeine Handlungsfreiheit aus Artikel 2 des Grundgesetzes gewährt ist, genauso wie Artikel 12 des Grundgesetzes, der sich auf die Berufsfreiheit bezieht. Es wird außerdem eine größtmögliche Transparenz hergestellt.

Es wird mit der Änderung es Ministergesetzes also kein Berufsverbot, wie es Ministerpräsident Haseloff in der Dezembersitzung befürchtete, geben. Das wäre nämlich gar nicht durchsetzbar – siehe Berufsfreiheit. Es soll auch weiterhin eine Durchlässigkeit zwischen Wirtschaft und Politik in beide Richtungen geben, nur eben mit konkreten Regeln.

Ministerinnen und Minister sollten natürlich nicht ewig Ministerinnen und Minister bleiben, sie sollten auch nach ihrem Wahlamt einen anderen Beruf ergreifen können, gerade wenn die Wahlen alle fünf Jahre dafür sorgen, dass die Regierung (zu mindest zum Teil) neu besetzt wird. Dieses Wechselspiel zwischen Politik und Wirtschaft soll mit einfach verständlichen Regeln ausgestattet sein, um Transparenz zu schaffen und den Betroffenen Handlungssicherheit zu geben.

Wir schlagen in unserem Gesetzesentwurf vor, dass ein Gremium geschaffen wird, dass eine begründete Empfehlung zum Umgang mit dem jeweiligen Fall ausspricht. Das Gremium soll für eine Dauer von fünf Jahren von der Präsidentin bzw. dem Präsidenten des Landtages berufen werden.

Andere Bundesländer und der Bund haben sich ebenfalls ein Gremium für diese Aufgaben gegeben. Worin wir uns jedoch im Vergleich zu den anderen Regelungen unterscheiden, ist das Vorschlagsrecht für die Mitglieder. In anderen Ländern und im Bund liegt das Vorschlagsrecht bei der Regierung.

Wir finden es jedoch transparenter, wenn das Gremium unabhängig von den Präferenzen der Landesregierung besetzt wird. Das stärkt zum einen das Parlament und erhöht die Akzeptanz der Empfehlung des Gremiums.

Wir möchten, dass die im Landtag vertretenden Fraktionen Vorschläge für die Besetzung des Gremiums bringen. Jede Fraktion soll ein Vorschlagsrecht erhalten. Im Falle einer graden Mitgliederzahl schlägt die größte Fraktion ein weiteres Mitglied vor. Seit dem Jahr 2015 besteht nun im Bund eine Regelung zu Karenzzeiten für Bundesministerinnen und Bundesminister nach dem Ausscheiden aus dem Amt. Ehrlich gesagt, habe ich vor dem ersten Lesen des Gesetzestextes keine großen Erwartungen gehabt, immerhin hat die CDU die meisten Seitenwechsler in ihren Reihen. Seit dem Jahr 2000 sind laut Lobbycontrol 42 namenhafte Landes- und Bundespolitiker auf die Lobbyseite gewechselt. Umso überraschter war ich, als die Ausführungen des Bundesinnenministers, Thomas de Maiziere, CDU zum Gesetzesentwurf las. Ich lasse Sie gern an meiner Lieblingsstelle teilhaben:

„Der Betroffene muss, ... über die angestrebte Tätigkeit informieren, damit das Verfahren beginnen kann. Das können selbstständige Tätigkeiten sein, freiberufliche Tätigkeiten, nichtselbstständige Tätigkeiten. Das können sogar – auch darüber gab es Debatten – unentgeltliche und sonstige Beschäftigungen sein; denn auch unentgeltliche Beschäftigungen, zum Beispiel bestimmte Ehrenämter, können massive Interessenkonflikte beispielsweise mit dem vorherigen Ministeramt auslösen, etwa wenn der Verband Fördermittel von der Bundesregierung bekommt, und zwar aus dem Ressort, aus dem der Minister stammt. Wir haben uns also für einen sehr weiten Anwendungsbereich entschieden, der nicht nur erwerbsorientierte Tätigkeiten nach Ausscheiden aus dem Amt umfasst.“

Sogar ehrenamtliche Tätigkeiten?! Das hätte ich der CDU mit so vielen Seitenwechslern nicht zugetraut. Oder kam die Idee vielleicht von der SPD? Die hat übrigens seit dem Jahr 2000 rund 35 Seitenwechsler zu verzeichnen.

Wir haben mit dem ehemaligen Wirtschaftsminister Möllring nun einen Fall, der bereits für Schlagzeilen gesorgt hat. Für ihn werden die vorgeschlagenen Regelungen für ehrenamtliche Tätigkeiten nicht mehr gelten können. Er genießt Vertrauensschutz. Für alle aktuellen Ministerinnen und Minister dieser Legislatur wird diese Änderung, sollte sie vom Parlament verabschiedet werden, jedoch gelten.

Ich finde, wir müssen jetzt nicht in der Vergangenheit Fälle aus der Mottenkiste holen, um uns gegenseitig zu bekunden, wie notwendig oder überflüssig diese Regelung für Sachsen-Anhalt ist.

Wir müssen als Parlament auch nicht warten, bis ein weiterer Fall kommt, der nicht nur ein Geschmäckle hat, sondern uns erneut ernsthafte Glaubwürdigkeitsprobleme beschert. Dann fängt vielleicht sogar die Landesregierung an, hektisch eine Regelung zu schaffen, um zu zeigen, wie transparent und vertrauensvoll sie zukünftig sein will. Dem können wir schon jetzt vorgreifen, in dem wir diese Gesetzesänderung verabschieden.

Mir ist klar, dass Sie diesen Antrag heute nicht verabschieden werden, sondern ihn in die zuständigen Ausschüsse überweisen werden. Damit sind wir einverstanden. Lassen Sie uns gemeinsam zwischen den Fraktionen über diesen Antrag diskutieren. Wir jedenfalls beantragen eine Überweisung in den Finanzausschuss und in den Ausschuss für Recht und Verfassung.

Erwähnen möchte ich am Ende noch, dass bei den schon verabschiedeten Gesetzestexten in Ländern und im Bund fast alle anwesenden Parteien beteiligt waren und zugestimmt haben. Die Gesetzesänderung im Bund ist von SPD und CDU eingebracht worden. In Hamburg gab es einen gemeinsamen Antrag von SPD, CDU, Grünen und Linken. Der Gesetzesentwurf in Thüringen wurde von der dortigen Landesregierung bestehend aus SPD, Grünen und Linken eingebracht.

Herzlichen Dank!