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Kerstin Eisenreich zu TOP 21: Beitragsauseinandersetzungen Einhalt gebieten

Das Jahr 2016 neigt sich seinem Ende und man sollte glauben, dass für die Menschen Besinnlichkeit und Vorfreude bestimmende Gefühle in dieser Zeit sind. Doch weit gefehlt: Bei zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern in Sachsen-Anhalt flattert kurz vor Weihnachten wenig erfreuliche Post ins Haus. Sie erhalten Mahnungen, Forderungen über Säumniszuschläge und abgelehnte Widerspruchsbescheide im Zusammenhang mit den umstrittenen Beitragsforderungen von ihren Abwasserzweckverbänden. Hinzu kommen teilweise falsche und damit überhöhte Zinsfestsetzungen, die jedoch für die Bürgerinnen und Bürger nicht auf Anhieb erkennbar sind. Alle Forderungen sind innerhalb kürzester Fristen zu leisten. Gerichtsvollzieher und die Inkassounternehmen stehen bereit, diese durchzusetzen.

Dieser massive Druck wird bei den Betroffenen kaum weihnachtliche Stimmung aufkommen lassen. Ganz im Gegenteil – Unzufriedenheit, Empörung, Unsicherheit, Angst, Verzweiflung erfassen die Menschen. Eine weitere Zuspitzung des Verhältnisses zwischen den Verbänden und Bürgerinnen und Bürgern sind die Folge. Dabei sollte doch das am 3. Juni verabschiedete 2. Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes genau das Gegenteil bewirken.

Die Praxis hat unsere im Juni geäußerten Befürchtungen bestätigt: Die von der Koalition eingeführte KANN-Vorschrift, nach der die kommunalen Zweckverbände die Zahlungen bis zu einer Entscheidung des Landesverfassungsgerichts über den Normenkontrollantrag zum umstrittenen Paragraphen 18 Absatz 2 des Kommunalabgabengesetzes aussetzen oder Vergleiche anstreben können, hat keine Rechtssicherheit geschaffen, trotz aller Versprechungen.

Erinnert sei in diesem Zusammenhang an den Offenen Brief aus der SPD-Fraktion, der am 3. Juni 2016 an die Mitglieder der Bürgerinitiativen für vertretbare Abwassergebühren in Sachsen-Anhalt versandt wurde. In diesem Schreiben ist folgender Satz zu lesen – ich zitiere – „Wir vermeiden überflüssige Gerichtsverfahren mit ungewissen Prozessrisiken für alle Beteiligten.“ Schaut man heute auf das tatsächliche Geschehen, so reibt man sich die Augen und stellt fest, dass sie es hätten besser wissen können.

Die Gesetzesänderung entfaltete ebenso wenig Wirkung wie die zu Jahresbeginn erlassene Bitte des Innenministeriums an die Verbände, die Vollziehung der Rechtsakte im Zusammenhang mit dem beklagten Paragraphen 18 Absatz 2 des Kommunalabgabengesetzes auszusetzen.

Außerdem wurde die alleinige Verantwortung auf die kommunalen Aufgabenträger abgewälzt. Die im Juni verabschiedete gesetzliche Regelung läuft damit auch dem im Kommunalabgabengesetz verankerte Grundprinzip des Interessenausgleichs zuwider. Denn die aktuelle Situation ist nicht nur ein Ärgernis für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Institutionen, nein sie bringt auch die kommunalen Aufgabenträger in arge Bedrängnis. Diese können und dürfen auf ihre Forderungen, die sie im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen gestellt haben, nicht so einfach verzichten.

Daher ziehen sich Verbände auch auf die Position zurück, die Betroffenen könnten ja klagen. Diese Praxis der Rechtsstaatlichkeit, dass jeder die Möglichkeit hat, sein Recht einzuklagen, die auch hier im Hause immer mal wieder angeführt wird, kann doch nicht die Entschuldigung für die Unzulänglichkeit von gesetzlichen Regelungen sein. Viele Betroffene können sich dies finanziell gar nicht leisten. Und abgesehen davon, kann es auch nicht gewollt sein, die Gerichte sehenden Auges mit Klagen zu überfrachten.
Übrigens gibt es eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg vom Juni dieses Jahres, die den Aussetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburgs bestätigte. Dort hatte die betroffene Partei gegen einen kommunalen Aufgabenträger geklagt und gefordert, die Forderungseintreibung bis zur Klärung der Verfassungskonformität auszusetzen. Nur hat auch diese Entscheidung keine Auswirkung auf die anderen.

Aus Sicht meiner Fraktion bleibt zu fragen, warum Sie Ende Mai, Anfang Juni unseren Gesetzentwurf ablehnten. Es wäre der richtige Schritt zur richtigen Zeit gewesen, doch Sie, sehr geehrte Damen und Herren aus den Koalitionsfraktionen, glänzten einerseits mit Ignoranz gegenüber unseren Vorschlägen. Andererseits war bereits damals absehbar, dass die von Ihnen durchgesetzten Regelungen die Ungleichbehandlung der Bürgerinnen und Bürger, so wie sie jetzt geschieht, gesetzlich legitimieren würden.

Es bleibt dabei. Soll ein Moratorium Wirkung entfalten, muss es gesetzlich verbindlich geregelt sein. Die Fraktion DIE LINKE hatte in dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes (Drs. 7/40) dafür ein Moratorium vorgeschlagen, sie erinnern sich, durch das die Vollziehung aller Verwaltungsakte zum Ausgleich von Vorteilslagen, die unter die Übergangsvorschrift nach § 18 Absatz 2 KAG LSA fallen, bis zur Entscheidung des Landesverfassungsgerichts über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit mit der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt ausgesetzt wird. Nur eine solche verbindliche Regelung hätte Rechtssicherheit herstellen können.
Zudem sollte das Land Verantwortung gegenüber den Aufgabenträgern der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung übernehmen, indem die durch das Moratorium unmittelbar und nachweislich entstandenen Aufwendungen durch das Land zu erstatten gewesen wären. Doch genau das wollten CDU, SPD und GRÜNE in diesem Hause nicht. Die Folgen fühlen und erleiden die betroffenen Bürgerinnen und Bürger.

Durch diese Situation hervorgerufene unbillige Härten müssen endlich ausgeräumt werden. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, sich unverzüglich mit den Zweckverbänden ins Benehmen zu setzen und die Auseinandersetzungen zu stoppen. Bekennen Sie endlich Farbe im Interesse der Bürgerinnen und Bürger und anderen Betroffenen in Sachsen-Anhalt und berichten Sie im Januar 2017 in den Ausschüssen für Recht, Verfassung und Gleichstellung sowie für Inneres und Sport über die Ergebnisse Ihrer Gespräche mit den kommunalen Aufgabenträgern. Sie haben es in der Hand, jetzt, kurz vor Weihnachten und auch kurz vor der am 24. Januar 2017 anstehenden Entscheidung des Landesverfassungsgerichts rechtlichen und sozialen Frieden zu schaffen. Das sind Sie diesem Land und den Menschen, die hier leben, schuldig. Ich werbe um Zustimmung zu unserem Antrag und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.