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Kerstin Eisenreich zu TOP 04: Repowering von Windenergieanlagen erleichtern / Faire Windenergie in Sachsen-Anhalt fördern

Die Energiewende ist unbestritten entscheidend für die Erfüllung der Klimaschutzziele. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich dazu verbal bekannt und mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien insbesondere in den neuen Bundesländern und damit auch hier in Sachsen-Anhalt wurde und wird ein wichtiger Beitrag dazu geleistet.

Neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien ist die Akzeptanz vor Ort die entscheidende Säule zum Gelingen der Energiewende. Allerdings haben in Sachsen-Anhalt vor allem externe Investoren Windräder vielerorts wie Pilze aus dem Boden wachsen lassen. So befände sich 2014 über 50 Prozent der Windkraftanlagen Sachsen-Anhalts außerhalb von Eignungs- und Vorranggebieten. Dass das Bürgerinnen und Bürger an Sinn und Nutzen der Anlagen zweifeln lässt, ist nicht verwunderlich.

Um diesem Wildwuchs zu begegnen, wurde in Sachsen-Anhalt versucht, das Repowering von Windkraftanlagen des Erneuerbare-Energien-Gesetz als Anreiz zu nutzen. Dabei ist doch aber das Repowering ein Instrument zur Modernisierung und Effizienzsteigerung, in dessen Anwendung die installierte Leistung gesteigert wird? Sie ist kein Instrument zur Raumordnung.

Daher ist die Umsetzung im Landesentwicklungsgesetz von Sachsen-Anhalt, das 2015 in Kraft getreten ist, absolut widersinnig.  Zwar wurde vorgegeben, sich auf die Erneuerung bestehender Anlagen durch Leistungssteigerung in den Eignungs- und Vorranggebieten konzentrieren zu wollen, aber letztendlich eine Regelung nach der Anzahl von Windkraftanlagen statt nach der Leistung getroffen. Das heißt, dass für die Errichtung einer neuen Windkraftanlage zwei Altanlagen abgebaut werden müssen, die sich außerhalb von Eignungs- und Vorranggebieten befinden. Unter anderem wegen der Regelung zur Anzahl anstelle der Leistung von Windkraftanlagen hat DIE LINKE dieses Gesetz abgelehnt.
Für Investoren gibt es derzeit keinen Grund Altanlagen zu repowern. Die Repoweringregelung im kürzlich verabschiedeten Erneuerbare-Energien-Gesetz wurde gänzlich gestrichen bzw. Anreize für Neuanlagen aufgrund der Ausschreibungsregelung drastisch reduziert. Somit stellt der heutige Antrag der Regierungskoalition eine Hilfskonstruktion zur Stimulierung des Repowerings von Windkraftanlagen dar. Er wirkt weder gegen Wildwuchs, noch treibt er das Repowering voran, weil erneut allein die Anzahl der Anlagen anstatt deren Leistung entscheidend sein sollen. Dies führt übrigens im schlimmsten Fall dazu, dass die Gesamtwindleistung reduziert wird und dies steht sowohl den Zielen des Repowerings als auch der Energiewende insgesamt und allen Bemühungen um die Erfüllung der Klimaschutzziele entgegen.

Fragwürdig ist die Zielstellung des „vollständigen Repowerings“. Was soll darunter verstanden werden? Nun gut, wenn wir uns den Antrag der Koalition ansehen, dürfte die Antwort lauten: Abbau aller Altanlagen außerhalb von Eignungs- und Vorranggebieten und Aufstellung der gleichen Anzahl von Neuanlagen innerhalb von Eignungs- und Vorranggebieten. Das geht meilenweit am Sinn des Repowerings vorbei. Soll der im Antrag formulierte Prüfauftrag sinnvoll verstanden werden, müssen den Regionalen Planungsgemeinschaften in letzter Konsequenz veränderte Kriterien für die Ausweisung von Eignungs- und Vorranggebieten an die Hand gegeben werden.

Doch selbst wenn es gelänge, mehr Anlagen zu repowern, so haben Windkraftprojekte in Sachsen-Anhalt mit zwei grundlegenden Problemen zu kämpfen: Einerseits haben vorwiegend externe Projektierer und Investoren von Windparks kaum zur regionalen Wertschöpfung beigetragen, weil Erlöse aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz und erzielte Gewinne häufig aus den Regionen abfließen. Andererseits treffen Windkraftanlagen bei der Bevölkerung, vor deren Haustür sie stehen, mitunter auf wenig Zustimmung und Akzeptanz. Die Gründe dafür sind offensichtlich. In der Vergangenheit mangelte es oft daran, dass Bürgerinnen und Bürger sowie Kommunen nicht oder nur teilweise von Beginn an in die detailgenaue Diskussion von Projekten einbezogen waren. Eine frühzeitige Ansprache der Bevölkerung oder leicht zugängliche und verständliche Informationen zu Vorhaben waren und sind Mangelware, ganz zu schweigen von möglichen Beteiligungen an Projekten. Ein solches Vorgehen trägt nicht dazu bei, dass die Energiewende gelingt, weil sie von den Bürgerinnen und Bürgern so nicht akzeptiert wird.

Deshalb soll beim künftigen Ausbau der Windenergie in Sachsen-Anhalt die Frage nach einer direkten oder indirekten Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern, von Gemeinden und lokalen Unternehmen stärker in den Fokus rücken. Oder warum sollen denn nicht unterschiedliche Akteure durch regionale Zusammenarbeit Windprojekte in Eigenregie umsetzen. Dieses Herangehen setzt voraus, dass die Betroffenen von Beginn an über alle Phasen der Projekte vollständig informiert werden. Damit lokale Akteure besser eingebunden und die Akzeptanz von Projekten erhöht wird, schlägt die Fraktion DIE LINKE die Einführung eines Siegels für faire Windenergie in Sachsen-Anhalt vor. Mit diesem Siegel sollen Windenergieprojekte zertifiziert werden, die sich in einer Selbstverpflichtung eine Leitlinie für faire Windenergie zu Eigen machen.

Unserer Auffassung nach soll die Leitlinie folgende Punkte umfassen:

  1. Alle Interessengruppen im Umfeld eines Windparks sind während der gesamten Projektierungsphase zu beteiligen. Das betrifft u.a. Anwohner, Grundeigentümer, Land- und Forstwirte, Gemeinden, kommunale Einrichtungen.
  2. Projektrelevante Informationen müssen transparent und vor Ort zugänglich sein. Sorgen, Fragen und Bedenken auch einzelner Bürgerinnen und Bürger sind zu berücksichtigen z.B. durch Information, Aufklärung, Simulationen, oder auch Befragungen und Abstimmungen, um nur einige zu nennen. Angebote zur Unterstützung und Aufklärung sind ein wesentlicher Teil dieser Forderung.
  3. Allen Betroffenen und Anwohnerinnen und Anwohnern ist die faire Teilhabe an den Projekten zu ermöglichen. Dies betrifft auch Flächeneigentümer, die nicht unmittelbar profitieren. Denkbar sind solche Optionen wie frühzeitige Zahlung von Gewerbesteuern, Zuwendungen für soziale Projekte, die dem Gemeinwohl dienen oder auch Flächenpoolmodelle. Dabei sollten Projekte mehrere indirekte Teilhabemöglichkeiten vereinen, um als fair eingestuft zu werden.
  4. Regionale Energieversorger und regionale Kreditinstitute können sich als Partner an dem Projekt beteiligen. Diese könnten sich einerseits direkt finanziell oder als Vermarktungspartner beteiligen.
  5. Schließlich sollen sich Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Kommunen Sachsen-Anhalts auch direkt finanziell an Windenergieprojekten beteiligen können. Dabei ist das Risiko der direkten finanziellen Beteiligung durch verschiedene Maßnahmen möglichst zu reduzieren.


Diesem Punktekatalog können weitere Optionen hinzugefügt werden. Sie müssen der Erhöhung der Transparenz dienen oder für die Betroffenen und die Anwohnerinnen und Anwohner einen eindeutigen Mehrwert aufweisen.

Bleibt noch zu klären, wer diese Aufgabe übernehmen soll. Unserer Auffassung nach ist die Landesenergieagentur LENA geradezu für eine solche Aufgabe geschaffen. Wir fordern daher die Landesregierung auf, die Agentur als Servicestelle für faire Windenergie zu qualifizieren und weiterzuentwickeln. Sie soll künftig Bürgerinnen und Bürger, Kommunen und Bürgerenergiegenossenschaften informieren, beraten sowie das Siegel an Projekte verleihen.
Wir sehen in diesem Windsiegel die großartige Chance für Sachsen-Anhalt, das Bekenntnis zur Energiewende mit dem ausdrücklichen Willen zu verbinden, die Betroffenen, die lokalen Akteure, Bürgerinnen und Bürger in allen Phasen der Projektierung einzubinden, sie direkt oder indirekt zu beteiligen, die regionale Wertschöpfung zu erhöhen und eben nicht über die Köpfe hinweg die Energiewende durchzusetzen. Wir sollten aus Fehlern der Vergangenheit bei der Energiewende lernen und neue, faire Wege beschreiten.