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Henriette Quade zu TOP 7a: Aktuelle Debatte: Sachsen-Anhalt sicher machen. Ohne Waffen!

Der Titel der Aktuellen Debatte knüpft an den Titel des Berliner Appells „Frieden schaffen ohne Waffen“ an. Meine Partei führt unter diesem Titel ein eigenes Kapitel im Programm, daher begrüße ich es natürlich auch, eine aktuelle Debatte unter der Überschrift „Sachsen-Anhalt sicher machen. Ohne Waffen!“ zu führen. Und in der Tat – wir haben ein massives Problem mit Bewaffnung.

Wir führen nicht die erste sicherheitspolitische Debatte in dieser Legislatur. Und bereits in einer vorangegangenen Debatte habe ich für meine Fraktion gesagt: sicherheitspolitische Debatten sind in Deutschland geprägt von einem verheerendem Wechselspiel aus Alarmismus einerseits und Ignoranz andererseits. Alarmismus weil kaum eine Woche vergeht, ohne dass Gesetzesverschärfungen vorgeschlagen werden, die angeblich einen Sicherheitsgewinn bringen sollen. Mehr Kompetenzen für die Sicherheitsbehörden, weniger Aufmerksamkeit für den Datenschutz, mehr Datenerhebung, der Bürger soll gläsern werden, der Staat soll alles wissen dürfen, alles unter dem Label Sicherheitsgewinn. Und Ignoranz, weil entscheidende Punkte, die ganz augenscheinlich etwas mit Sicherheit zu tun haben, aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen außen vor bleiben.

Das Waffenrecht gehört dazu und in der Tat wäre das eine aus unserer Sicht tatsächlich notwendige Gesetzesverschärfung.

Es ist schon manches zu Zahlen gesagt wurden, ich will das nicht alles wiederholen. Aber einiges will ich dann doch nochmal ins Bewusstsein rufen, weil es, so sehe ich es zumindest, ein durchaus erschreckendes Bild liefert. 120 000 Waffen im privaten Besitz allein in Sachsen-Anhalt. Von 2013 bis heute sind 5000 Waffen dazugekommen und wir reden hier nur von den legalen Waffen.

Auch die Stellen erhebliche Sicherheitsrisiken dar, sie sind gefährlich - wir begehen in diesem Jahr den 15. Jahrestag des Amoklaufes von Erfurt. Der Amokläufer war viele Jahre lang im Schützenverein, er war im Besitz einer Waffenbesitzkarte. 2009 ereignete sich der Amoklauf von Winnenden, bei dem 16 Menschen starben und 11 schwer verletzt wurden mit den nicht sachgemäß gelagerten Waffen eines Sportschützen. Allein diese Beispiele, und es gibt unzählige weitere, zeigen: Waffen im Privatbesitz, auch legale, sind tendenziell gefährlich.

Potenziert wird die Gefährlichkeit, wenn sich politische Radikalisierung, und die Tendenz zur Bewaffnung paaren. Und auch dafür gibt es zahlreiche Beispiele, gerade auch in der jüngsten Zeit aus Sachsen-Anhalt. Bewaffnete Reichsbürger in Reuden, die auf Gerichtsvollzieher und Polizisten losgehen, eine Plattform, die sich " Migrantenschreck" nennt und Waffen vertreibt, zwei Dutzend Rechtsextreme, die in Sachsen-Anhalt legal Waffen führen dürfen.

Über die illegalen Waffen können wir angesichts von immer wieder berichteten Waffenfunden von teils enormen Umfang nur spekulieren. Deswegen ist eine strikte Begrenzung des Waffenbesitzes absolut notwendig, es ist notwendig das Waffenrecht ganz grundsätzlich anzugehen und dabei wird auch drüber zu reden sein, ob tatsächlich alle Waffen die heute zulassungsfähig sind, zulassungsfähig bleiben müssen.

Halbautomatische Schusswaffen, die vollautomatischen Kriegswaffen nachgebaut sind, haben keinen „sportlichen bzw. jagdbezogenen Mehrwert“. Ebenso verhält es sich mit großkalibrigen Waffen im Sportschießen. Die Polizeigewerkschaften fordern seit langer Zeit Beschränkung auf kleine Kaliber, wir finden, das ist ein Weg der eingeschlagen werden sollte, wenngleich klar ist, dass es bei der Vielzahl von Waffen im Land eine schnelle Senkung der Zahl nicht von heute auf morgen möglich sein kann.

Eine Amnestie, eine Übergangsregelung und ein Verbot des Neuerwerbs großkalibriger Waffen wäre ein gangbarer Weg. Es ist zu reden über Erbwaffen, über die Interessen von Sammlern und die Interessen von Sportschützen und Jägern. All das wären mögliche Maßnahmen, die zu weniger Waffen führen würden, all das ist hinlänglich im Bundestag debattiert, eine politische Mehrheit dafür zeichnet sich jedoch leider nicht ab.

Und was man eben auch sagen muss: Jedes schärfere Waffenrecht greift nur dann, wenn es auch umgesetzt und kontrolliert wird. Für Adrian Ursache, den Reichsbürger von Reuden, lag eine polizeiliche Empfehlung zum Entzug des Waffenberechtigungsscheines vor. Es lag 6 Wochen lang in der zuständigen Waffenbehörde ohne irgendwelche Konsequenzen. Das zeigt: wer über Waffenrecht redet muss auch über die Situation der Waffenbehörden reden, muss über Personalausstattung in den Kommunen reden und über aufgabengerechte Finanzausstattung der Kommunen, die müssten das nämlich vor Ort umsetzen.

Und wir mussten dieser Tage eben auch sehen: Wir haben nicht nur ein ernsthaftes Sicherheitsproblem mit Waffen in Privatbesitz. Wir haben auch eines -und es wird sich noch heraus stellen, wie groß es ist- bei Menschen, die beruflich, im Auftrag unser aller Sicherheit, mit Waffen zu tun haben.

Über Monate soll sich ein Oberleutnant der Bundeswehr als Flüchtling ausgegeben und mindestens einen Anschlag geplant, Todeslisten geführt und Waffen und Munition gehortet haben. Wir wissen, dass er nicht der erste war, wir wissen dass er nicht allein war. Wie groß sein Netzwerk war und ist, wissen wir noch nicht. Wie konkret Anschlags- und Mordpläne waren, wird sich noch zeigen. Was jedoch bereits jetzt klar ist: Seine rechtsextreme, rassistische und gewaltbereite Orientierung blieb nicht geheim. Bereits 2014 schrieb er eine Masterarbeit, die bemängelt wurde und ihn als Anhänger nationalsozialistischer, rassistischer Ideale kennzeichnete. Sie führte dazu, dass sich die französischen Prüfer an die deutschen Vorgesetzten des Soldaten wandten und auf die Probleme hinwiesen, ohne dass irgendetwas geschah. Das ist nicht weniger als ein Skandal und es scheint, wir sehen gerade nur die Spitze des Eisbergs. Wenn nun Ursula von der Leyen ein Führungsproblem diagnostiziert, fragt man sich natürlich schon, wer in den letzten Jahren eigentlich an der Spitze des Verteidigungsministeriums stand.

Und wieder erleben wir ein Wechselspiel aus Alarmismus und Ignoranz. Denn tatsächlich war der erste Impuls, der politisch diskutiert wurde, nicht, dass wir in der Bundeswehr schauen müssen, was los ist, sondern dass die Flüchtlinge noch stärker durchleuchtet und unter Generalverdacht genommen werden müssen. Das ist verheerend, das wird Bedrohungen, die es nachweislich gibt, nicht gerecht und das macht deutlich: über Sicherheit und Waffen sollte nicht nur in Aktuellen Debatten geredet werden, sondern es braucht endlich konkrete Schritte.

Es muss anders debattiert werden und es braucht eine tiefgreifende Aufarbeitung der Vorgänge in der Bundeswehr. Eine Begrenzung der Zahl der Waffen ist nötiger denn je. Ich bin sehr gespannt auf die Initiativen der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen auf diesem Gebiet.