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Henriette Quade zu TOP 6b: Linke Szene in Sachsen-Anhalt - Hausbesetzungen in der Hafenstraße 7, Halle/Saale

Anrede,

„Hasi bleibt“lautet der in Halle bekannte Slogan, Herr Ministerpräsident, lassen Sie sich nicht irritieren, es geht nicht um Sie. Es geht um die Hasi in Halle und ich bin guten Mutes, dass dieses Motto sich bewahrheiten wird und die Hasi erhalten bleibt. Der scheinbar obligatorische Linksextremismusantrag der AfD beschäftigt sich also dieses Mal mit dem Projekt Hasi in der Hafenstraße in Halle - hat zwar nichts mit Linksextremismus zu tun, auch nicht mit dem Landtag, aber bitte, auch das können sie haben.

Dass der AfD die Hasi nicht passt, ist nicht mein Problem. Aber wir haben einiges darüber gehört, was angeblich alles in der Hasi passiert und wie schlimm das alles sein soll. Ich will das auch noch einmal beleuchten, weil wir einfach auch viel Unfug darüber gehört haben. Was ist und was macht also die Hasi?

Im Januar 2016 haben sich einige Menschen zusammengetan um ein Zeit leer stehendes Gebäude und das angrenzende Gelände zu öffnen, zu nutzen und auch für andere zugänglich und nutzbar zu machen. Dazu wurde das Gelände kurzzeitig besetzt, aber sehr schnell kam es zu einer Vereinbarung mit der HWG als Eigentümerin des Geländes und seitdem haben wir es, anders als die Antragsüberschrift es suggeriert, nicht mehr mit einer Hausbesetzung zu tun, sondern mit einer vertraglich geregelten Nutzung, die erst letzten Monat nochmal verlängert wurde.

Die Hasi versteht sich als offenes, selbstverwaltetes soziokulturelles Zentrum, das Raum für nichtkommerzielle Arbeit bietet, das nicht genutzte Räume und Gelände erschließt, das Hallensern, Vorbeikommenden und Zugezogenen Möglichkeiten eröffnet und so gesellschaftlichen Mehrwert schafft. Mittlerweile haben sich die Menschen, die damals die Initiative ergriffen, in einem Verein zusammengefunden, sie haben Müll vom Gelände entfernt, sie haben Wege begehbar gemacht, Räume eingerichtet und Gärten angelegt.

So gibt es mittlerweile eine Lesecafé, Theater und Musikproberäume, Sporträume, Werkstatträume, einen offenen Nachbarschaftstreff, mehrere Beete im Garten und nutzbare Gartenflächen. Wenn man in das Programm schaut findet man Hinweise auf Lesezirkel, ein regelmäßig stattfindendes Elterncafé, ein Nachbarschaftscafé, Theatergruppen, verschiedene Sportgruppen, Tanzgruppen und Diskussionsveranstaltungen. Das, was halt so in soziokulturellen Zentren stattfindet. Gewohnt wird, anders als die AfD das behauptet, dort nicht.

Nichts davon ist kriminell. Nichts davon ist verwerflich. Auch wenn es eine Ausschlussklausel gibt für Personen die der rechtsextremen Szene zuzuordnen oder durch rassistische Äußerungen oder Verhaltensweisen aufgefallen sind, ist das auch nicht zwangsläufig besonders links und schon gar nicht linksextrem, genau wie eine Aktion von Schülerinnen in Osterburg gegen Rassismus keine antidemokratische Indoktrinierung ist. Wenn rechte Parolen und Erzählungen immer mehr öffentlichen Raum greifen und bekommen, ist es gut verständlich und in meinen Augen dringend notwendig, dass es Räume gibt, in denen Menschen davor geschützt sind. Wenn Schülerinnen und Schüler ein Statement für Vielfalt und gegen Rassismus abgeben, ist das kein Skandal, sondern sollte Vorbild für andere, gerade auch Erwachsene, sein.

Die Behauptung, dass von der Hasi Gewalt ausgehen würde, ist schlichtweg falsch. Vielmehr wurde die Hasi zum ersten Schutzraum für diejenigen, die am 1. Mai in Halle Opfer eines brutalen Angriffes von Teilnehmern der verhinderten Neonazidemo wurden.

Das Projekt in der Hafenstraße ist tatsächlich offen, um hinzugehen, sich zu informieren was dort passiert, zu schauen was möglich ist, ob und wie man sich einbringen will. Das tat es auch von Anfang an. Zahlreich genutzt wurde diese Möglichkeit z.B. bei einer der öffentlichen Vollversammlungen, zu der die Gründer des Projektes explizit die Anwohnerinnen und Anwohner, die direkte Nachbarschaft also, angesprochen haben und eingeladen haben. Und die Nachbarn kamen auch, genauso übrigens wie zahlreiche andere Menschen. Dort wurde vieles ausgetauscht und zu vielem gab es unterschiedliche Sichtweisen. Was es entgegen der Erzählungen der AfD, und auch anders als teilweise medial dargestellt, nicht gab, waren Anwohner die sich tatsächlich beschwert hätten. Im Gegenteil, gab es viele Stimmen, gerade aus der unmittelbaren Nachbarschaft, die sich bedankt haben, die sagten, dass sie froh sind, dass es die Hasi gibt, die sagten, dass sich ihr Wohnen und Alltagsleben durch die Hasi nicht verschlechtert, sondern verbessert haben.

Genauso haben sich viele Mieterinnen und Mieter der HWG im Zuge der Diskussion in Halle an die HWG gewandt und sich für eine Einigung mit der Hasi und den Erhalt der Hasi ausgesprochen. Ich will es nicht ausschließen, dass es Nachbarn gibt, die sich gestört fühlen, und die natürlich Rechte haben und wo geschaut werden müsste, wie sich Interessenkonflikte, wenn es sie denn gibt, lösen lassen. Aber Fakt ist: Die Erzählung von der Nachbarschaft, die in der Vielzahl gegen die Hasi sei, die Angst hätte und die sich gestört fühlen würde, ist eben nicht mehr als eine Erzählung und zwar eine politisch motivierte Erzählung.

Das ist im Übrigen auch einer der entscheidenden Unterschiede zu einem anderen Haus in Halle, das derzeit viel Aufmerksamkeit findet. Das ist das Haus der Identitäten Bewegung. Und bevor Sie wieder schreien: ich weiß dass es diese Woche einen Angriff auf dieses Haus gab, Steine sollen geworfen worden sein, Farbe gesprüht und Buttersäure ausgebracht worden sein. Das sind weder in meinen Augen noch in den Augen meiner Fraktion Mittel der demokratischen Auseinandersetzung. Wir heißen weder Angriffe auf Menschen noch Angriffe auf Häuser gut - auch nicht wenn es um IB, AfD oder sonst wen geht.

Auch das unterscheidet uns von der Identitären Bewegung. Mindestens 3 Angriffe auf Personen die dem linken Spektrum zugeordnet wurden sind der IB zu zurechnen. Zur Attacke auf das Migrantenwahllokal hat sich die IB freimütig bekannt. Die Nachbarschaft und Passanten werden datenschutzwidrig mit Kameras überwacht und eingeschüchtert.

Aktuell gibt es Verleumdungen und vehemente Drohungen gegen Einzelpersonen, die sich auf demokratische Weise mit Kundgebungen, Demos, Vorträgen und Flyern mit der IB auseinandersetzen. Denn natürlich stört der Verweis auf die Einbindung der IB in ein faschistisches Netzwerk. Natürlich stört der Verweis auf Nazikader in den Reihen der IB, auf rassistische und völkische Leitideen der IB, auf mehrfach wegen Körperverletzung vorbestrafte Akteure und letztlich darauf, dass die IB am Ende weder neu noch originell ist, sondern eine mehr oder weniger normale Nazikameradschaft, die auf modern macht. Das alles stört bei der Inszenierung als nette Nachbarn die immer nur ausgegrenzt werden.

Auch wenn es nicht gut zu heißende Attacken auf das IB Haus gibt: die Identitäre Bewegung ist eine Bedrohung für die Sicherheit von Menschen, das IB Haus ist ein Problem in Halle, gegen das sich über 200 Anwohner tatsächlich namentlich und mit Ihrem Gesicht einsetzen, die Hasi ist es nicht.

Es ist wieder mal der Versuch, das für die AfD so wichtige Thema Linksextremismus mit irgendwas real existierenden zu verbinden - richtiger wird es dadurch nicht.

Tatsächlich gibt es zu klärende Fragen in Zusammenhang mit der Hasi. Es sind z.B. Fragen des Denkmalschutzes, natürlich ist weiter an einer guten Einbettung in die Nachbarschaft und an Harmonie zwischen den Anwohnern und Nutzern zu arbeiten, die Kontamination des Bodens ist ein ungelöstes Problem und natürlich müssen die Eigentums- und Nutzungsverhältnisse dauerhaft und für alle Seiten zufriedenstellend geklärt werden.

Das, meine Damen und Herren, ist aber nicht die Aufgabe des Landtages. Und wer sich an der Art und Weise stört, wer sagt ‚man kann doch nicht einfach ein Haus besetzen‘ und wer sagt ‚hier eine Lösung zu finden ist ungerecht gegenüber den Vereinen die für Räume Miete zahlen müssen, dem sage ich: Letztlich verweist die Geschichte der Hasi doch darauf, wie wichtig es ist, dass die Kommunen überhaupt die Chance haben, Räume für Freiräume zur Verfügung stellen zu können, die sich eben nicht rechnen- weder können, noch wollen, noch sollten. Diese Chance haben die aller wenigsten, denn der politische Druck zur Haushaltskonsolidierung schränkt die Freiräume der Kommunen so ein, dass vieles an soziokulturellen Angeboten, an Sozialarbeit, an Kinder- und Jugendarbeit, an Beratungs- und Bildungsarbeit als freiwillige Aufgabe gilt und damit im Zweifel als verzichtbar bzw. unter Rentabilitätsdruck steht.

In einer Gesellschaft und im Leben einer Kommune gibt es Dinge, die sich nicht rechnen und die dennoch von großem Wert sind. Die Hasi ist ein Beispiel dafür, sie ist ein wichtiger Teil des soziokulturellen Lebens in Halle geworden und sie ist zugleich eine Form ehrenamtlicher gesellschaftlicher Arbeit. Sie taugt nicht als Aufhänger einer Aktuellen Debatte. Die Frage wie wir die Kommunen in die Lage versetzen, gelebte Soziokultur möglich zu machen und so Lebensqualität tatsächlich zu verbessern, ist sehr wohl ein drängende aber auch mitnichten neue Frage. Für meine Fraktion darf ich Ihnen versichern, dass wir sie auch in Zukunft, insbesondere wenn wir über die Kommunalfinanzen reden, stellen werden.