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Henriette Quade zu TOP 4: Aktuelle Debatte "Linkes Netzwerk durchlöchert Konsens der Demokraten"

Anrede,

eines gleich vorweg in dieser Debatte, die AfD-Fraktion will sich hier auf einen „Konsens der Demokraten“ berufen – die AfD-Fraktion, auf einen „Konsens der Demokraten“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sage es für meine Fraktion ganz unmissverständlich, diese AfD-Fraktion, diese Rechtsradikalen werden niemals Teil eines Konsenses von Demokraten sein, sie haben kein Recht sich darauf zu berufen. Denn es sind im Kern völkische Faschisten, die einer demokratischen Gesellschaft mit all ihren Unterschieden feindlich gegenüber stehen und diese vernichten wollen.

Wenn Sie einen Konsens von Demokraten sehen wollen, schauen Sie sich die Bilder von den 240.000 Menschen bei der Unteilbar-Demo in Berlin an, schauen sie sich an, wie sich der Bundestag vor einigen Tagen erneut geweigert hat, eine Vertreterin einer rechtsradikalen Partei zur Vizepräsidentin zu wählen und dass in Baden-Württemberg die Landtagspräsidentin nun schon die Polizei rufen musste, um ihr Hausrecht gegen Mitglieder der AfD durchzusetzen, zeigt doch mal wieder, wie das Verhältnis der AfD zur Demokratie und ihren Institutionen ist.

Und noch etwas, bevor ich zu den eigentlichen Inhalten dieser Aktuellen Debatte kommen kann: In der Begründung ihres Antrags schreibt die AfD-Fraktion, der Landtag hätte „mit Besorgnis“ die Proteste gegen die Innenministerkonferenz in Magdeburg zur Kenntnis genommen. Die Wahrheit ist jedoch: Der Landtag hat in dieser Sache keinerlei Beschluss gefasst – und er wird es übrigens auch nach dieser Aktuellen Debatte nicht –, so wenig wie die AfD und ihre Wähler „das Volk“ sind, so wenig ist die AfD-Fraktion „der Landtag“; ihre Behauptung ist schlicht eine Lüge und sie ist anmaßend gegenüber diesem Parlament.

Worum geht es also eigentlich, was ist denn passiert? In Magdeburg hat sich die Innenministerkonferenz getroffen, soweit ein normaler Vorgang, und ebenso normal ist es, dass dagegen demonstriert werden kann und dagegen demonstriert wird und dass Menschen ihre Rechte wahrnehmen, sich öffentlich zu versammeln und ihre Meinung zu sagen. Es gibt ja auch gute Gründe, gegen die Innenministerkonferenz, die intransparent und hinter verschlossenen Türen im Geheimen ohne ausreichende Kontrolle der Parlamente Innen- und Sicherheitspolitik macht, zu demonstrieren – wir haben diese Debatte rund um die vorherige Innenministerkonferenz in Quedlinburg geführt und werden als Fraktion DIE LINKE auch weiterhin dafür kämpfen, dass die IMK der parlamentarischen Kontrolle unterzogen wird.

Dass die AfD-Fraktion so gerne über angeblichen Linksextremismus spricht und diesen Landtag immer und immer wieder damit befasst, hat drei einfache Gründe. Erstens will die AfD-Fraktion damit politische Gegnerinnen und Gegner ins Abseits stellen und aus dem öffentlichen Gespräch in der Demokratie ausschließen, um sie noch vehementer angreifen zu können. Zweitens will sie sich selbst als rechtsstaatliche und demokratische Kraft tarnen und davon ablenken, dass ihr nicht nur das Handwerkszeug für die parlamentarische Arbeit in der Demokratie fehlt, sondern dass sie auch am demokratischen Prozess insgesamt kein Interesse hat. Und drittens ist ihr all dies nur möglich, weil sie insbesondere in der CDU und Teilen der Öffentlichkeit Verbündete findet, die darauf jedes Mal wieder einsteigen und wahllos mit einem Kampfbegriff auf alles einschlagen, was sie nicht verstehen und ablehnen, ohne dabei irgendeine valide Analyse zu betreiben.

Wenn wir uns einmal kurz die konkrete Demonstration in Magdeburg anschauen, so ist dort nichts passiert, dass Aufregung rechtfertigen würde. Die Demonstration ist im Wesentlichen ruhig verlaufen, nicht einmal die AfD-Fraktion behauptet etwas anderes – wohingegen, auch das sei an dieser Stelle gesagt, Teilnehmende der Proteste den Polizeieinsatz als einschüchternd beschreiben, was mindestens bedenklich ist. Nun, weil die Demonstration für sich genommen nicht zur Skandalisierung taugt, soll ein Skandal aus dem Aufruf und den Unterzeichnenden konstruiert werden, ein Skandal der auch noch geeignet sein soll, die Demokratie zu beschädigen und natürlich soll das alles linksextrem sein.

Wer sich aufmerksam angeschaut hat, wer diesen Aufruf unterzeichnet hat, wird feststellen, dass Gruppen aus sehr unterschiedlichen Spektren der radikalen Linken, mit unterschiedlichen politischen Theorien, mit unterschiedlichen Verhältnissen zur Militanz. Alle diese Gruppen unterschiedlos unter dem Label „linksextrem“ zusammen zu binden, zeigt wie leer und wie aussagelos dieser Begriff ist. Denn auch aus linker Perspektive ist hier Kritik geboten und wird auch geübt. Es ist eine Kritik die auf Analyse beruht, statt auf Kampfbegriffen, Kritik etwa an linkem Antisemitismus – oder jedenfalls einem irritierend indifferenten Verhältnis – einzelner Gruppen. Doch nichts ist extrem an dem, was hier zu sehen war, einiges ist nicht mal radikal. Schon gar nicht ist, mit Blick auf die tatsächlichen gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse, irgendein Indiz zu erkennen, dass die Unterzeichnung dieses Aufrufs gegen überbordende Überwachung und Repression die Demokratie gefährden könnte, im Gegenteil. Denn die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in den wir leben, werden, so realistisch muss man sein, ja gerade nicht wesentlich durch die radikale Linke geprägt, was sich schon unschwer daran erkennen lässt, welche politische Wirksamkeit die extreme Rechte in den letzten Jahren erreicht hat. Dass Antifagruppen, Magazine und Einzelpersonen lange vor großen Medien oder gar den Inlandsgeheimdiensten und Sicherheitsbehörden auf die zunehmende Vernetzung aufmerksam gemacht haben, Material vorgelegt, Zusammenhänge aufgezeigt haben, führte ja (und ich sage leider) nicht zu einer Veränderung des gesellschaftlichen Mainstreams.

Der Innenminister bezieht sich immer wieder auf die von Eckhard Jesse geprägte Extremismustheorie und tanzte zuletzt an dieser Stelle ein U vor, um eine sehr simple Perspektive auf die politische Landschaft zu veranschaulichen. Eine Annahme, die ernsthaft ein Hufeisen zum Erklärmodell von Politik macht und dabei nicht nur einfältig bleibt, sondern vor allem relativierend. Was gut passt bei Jesse, dessen Band über den Nationalsozialismus mit Zitelmann und Backes Heribert Prantl von der Süddeutschen noch freundlich beschrieben hat mit der Bezeichnung, es handle sich um „gemäßigten Geschichtsrevisionismus“. Und wenn wir uns anschauen, dass dieser Jesse gern gelesener und gekaufter Publizist deutscher Inlandsgeheimdienste ist, während ihm Historiker eine Nähe zur Neuen Rechten attestieren, dann mag es kaum überraschen, wie oft gerade der Verfassungsschutz Teil des Problems ist. Jesse, Patzelt und andere liefern ihm das, was politisch gewünscht ist, statt einer wissenschaftlich fundierten Auseinandersetzung, die zu etwas anderem führen würde, als einem politischen Linksextremismusbegriff.

Dass nach dem NSU, nach rechten Terrorgruppen in Freital, in Chemnitz, nach rechten Anschlägen in der gesamten Bundesrepublik, nach den bisherigen ersten Erkenntnissen zum Netzwerk Hannibal – das politische Gegner in Bundeswehr-LKWs zu Hinrichtungen karren wollte –, nach den vorläufigen Erkenntnissen zum NSU 2.0 in der Frankfurter Polizei (übrigens alles Dinge über die die IMK nicht sprach) und dem Erstarken von Rechtsradikalen in Parlamenten wie diesem hier, „Linksextremismus“ immer noch reflexhaft als spiegelbildliches Problem zu rechtem Terror dargestellt wird, ist nicht nur eine intellektuelle Zumutung, sondern auch eine Relativierung realer rechter Gewalt, ihrer gesellschaftlichen Entstehungsbedingungen und, ja, auch eine Gefahr für die Sicherheit. Das zeigte sich nicht zuletzt beispielsweise in Berlin sehen müssen, wo offenbar Polizeikräfte von Anis Amri abgezogen wurden, um etwas gegen diesen angeblichen Linksextremismus zu tun.

Meine Damen und Herren, über den in Rede stehenden Demonstrationsaufruf kann man diskutieren und man kann unterschiedlicher Auffassung dazu sein, doch wie immer ging es der AfD darum nicht und es wäre auch bizarr, mit Anti-Demokraten über die Demokratie zu verhandeln, die mit diesem Aufruf keinerlei Schaden genommen hat. Und weil sich die AfD beschwert, sie würde als extremistisch diskreditiert, komme ich noch mal zum Beginn meiner Rede: Die AfD als extremistisch zu beschreiben geht am Problem schlichtweg vorbei. Die richtige Beschreibung der AfD ist völkisch, rassistisch, antisemitisch und faschistisch.