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Henriette Quade zu TOP 15: UNHCR-Aufruf folgen - Dublin-Überstellungen nach Ungarn aussetzen

Die Situation für Asylsuchende in Ungarn, die schon zuvor Anlass zu großer Sorge gab, hat sich noch einmal verschlechtert, seit ein neues Gesetz in Kraft getreten ist, das Asylsuchende zwangsweise interniert“, sagte UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi Anfang April und weiter:

„Angesichts der sich verschlechternden Situation von Asylsuchenden in Ungarn, fordere ich die Staaten dazu auf, Dublin-Überstellungen solange auszusetzen, bis die ungarischen Behörden ihre Praktiken und Gesetze in Einklang mit europäischem und internationalem Recht gebracht haben“. Genau diese Forderung ist Gegentand unseres Antrages. Wir wollen, dass Sachsen-Anhalt sich dafür einsetzt, dass Dublinüberstellungen nach Ungarn ausgesetzt werden, weil dort europäisches und internationales Recht gebrochen wird, weil dort rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze nicht eingehalten werden.

Und die Situation in Ungarn ist keineswegs neu. Bereits Mitte letzten Jahres berichteten Menschenrechtsorganisationen, Journalisten, Hilfsorganisationen und eben auch der UNHCR von unhaltbaren und hochproblematischen Zuständen für Asylsuchende in Ungarn und belegten diese umfangreich.

Zu dieser Zeit befanden sich nach UN-Angaben über 1.400 Flüchtlinge und Migranten an der serbisch-ungarischen Grenze, die meisten davon Frauen und Kinder. Ihnen wurde der Zugang zur Transitzone und auch zur Flüchtlingshilfestation genauso wie der Zugang zum Asylverfahren über lange Zeit verwehrt. Grenzkontrollen bis zu acht Kilometer nach der ungarischen Grenze, das sofortige Zurückbringen der in diesem Gebiet von der Polizei aufgegriffenen Personen, in das Gebiet jenseits der ungarischen Grenze, oftmals Gebiet ohne Infrastruktur - genau das ist eine illegale Push-Back-Praxis. Daran ändern auch die Transitzonen nichts - wenn es entlang einer 175 km langen Grenze nur 2 solche Transitzonen gibt, in denen laut UNHCR täglich 15 Anträge bearbeitet werden, ist doch völlig klar, dass der Großteil der Menschen dabei auf der Strecke bleibt.

Die, die darauf warteten, in eine Transitzone zu kommen, waren gezwungen im Freien zu schlafen. Das betrifft allein reisende Personen genauso wie Familien, Schwangere und Kleinkinder, Kranke und Behinderte, unbegleitete Minderjährige und andere mit besonderem Schutzbedarf. Weitgehend ohne medizinische Versorgung, ohne Zugang zu Sanitäreinrichtungen unter inakzeptablen hygienischen Bedingungen. Hilfe bekamen sie von NGOs, Hilfe bekamen sie ein wenig von der serbischen Regierung, die Hilfsangebote des UNHCR wurden wiederholt von der ungarischen Regierung ignoriert.

Meine Damen und Herren, viel wurde über Schlepperbanden und was dagegen zu tun sei auch hier n Sachsen-Anhalt geredet. Ich stimme dem Flüchtlingskommissar zu, dass es genau diese Bedingungen, diese nicht rechtmäßige Abriegelung und der Einsatz von Gewalt sind, die Menschen dazu bringen, sich in die Hände von Schleppern und Schleusern zu begeben, wo sie noch größeren Gefahren ausgesetzt sind. Wie gesagt, das ist nicht neu, neu ist aber eine noch weitere Verschärfung der Situation Geflüchteter in Ungarn:

Mit der Novelle des Asylgesetzes werden die sogenannten „Notfallmaßnahmen“ nun aktuell ausgeweitet: Asylsuchende werden interniert, werden zwangsweise in Frachtcontainer gesperrt, dürfen sich nicht frei bewegen und werden ausgewiesen - das verletzt die internationalen Verpflichtungen auf deren Grundlage die Dublinabkommen überhaupt nur zustande kommen konnten. Und nun ist es keine Geheimnis, dass meine Fraktion von Dublinverfahren so oder so nichts hält- spätestens mit dem jüngsten Appell der Vereinten Nation an die Mitgliedsstaaten sind auch diejenigen, die das grundsätzlich anders sehen, zum Handeln aufgerufen. Aus humanitären Gründen und eben auch aus rechtlichen, denn das Dublinabkommen entlässt Deutschland nicht aus der Verantwortung für Menschen, die sich hier aufhalten. Dublinüberstellungen, wie Abschiebungen in andere EU-Länder im Amtsdeutsch heißen, sind nur dann zulässig, wenn garantiert werden kann, dass rechtsstaatliche Standards im Zielland eingehalten werden, wenn faire Asylverfahren und soziale Versorgung garantiert werden können. Das ist nachweislich in Ungarn nicht der Fall und genau deshalb soll sich Sachsen-Anhalt auf Bundesebene dafür einsetzen, dass Abschiebungen auf Grundlage der Dublinverordnung nach Ungarn bis auf weiteres ausgesetzt werden und hilfsweise Aufenthaltsgewährung aus humanitären Gründen praktizieren. 2011 hatte eine solche Aussetzung der Europäische Gerichtshof erwirkt, um der augenscheinlichen Überforderung Griechenlands Rechnung zu tragen. Im Falle Ungarns handelt es sich nicht um Überforderung, sondern um ein politisches Programm. Das politische Programm von Rechtspopulisten.

Und nun kann man sagen, unerfreulich aber weit weg. Weit weg mag stimmen, aber genauso stimmt der kausale Zusammenhang. Denn die beschriebene Situation ist nichts anderes als der Preis der Schließung der Grenzen, sie ist der Preis des Rückgangs der Geflüchtetenzahlen in Deutschland - das Elend an der ungarischen Grenze ist der Preis der Obergrenze wie sie auch hierzulande gefordert wurde und wird. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu.

Und nun las ich mit Interesse vom Treffen des Ministerpräsidenten mit dem ungarischen Präsidenten Viktor Orban. Dabei wurde offenbar über vieles gesprochen, aber scheinbar nicht über genau diese unhaltbaren Zustände, zumindest war davon nichts zu lesen. Meiner Fraktion wäre wichtiger, dass endlich humanitäre und rechtsstaatliche Standards gewährt werden, als dass möglichst viel Ungarn zum Reformationsjubiläum kommen. Das hätte ein Ministerpräsident deutlich thematisieren müssen, wenn er sich in diesen Tagen mit Viktor Orban trifft.