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Hendrik Lange zu TOP 7: Große Anfrage zum Schutz des Feldhamsters

Erneut erreicht eine Große Anfrage zu einem unter Schutz gestellten Tier das Parlament. Die heutige Debatte richtet also das Schlaglicht 70 Minuten lang auf den Feldhamster. Das sei ihm gegönnt – stand er doch in den letzten Jahren auch symbolisch für den Konflikt zwischen Artenschutz und Nutzungsinteresse durch den Menschen – Stichwort Sangerhausen.

Ich habe ja bereits in der letzten Debatte betont, dass es für den Biologen interessant ist, auch einmal eine Art im Parlament zu besprechen. Und wenn eine Anfrage an die Landesregierung sogar die Fortpflanzungsstrategie einer Art thematisiert, erweitert sich auch der Blick der Nichtbiologen – Sielmann hätte seine Freude dran.

Und die Antwort der Landesregierung dazu: „Der Feldhamster pflanzt sich geschlechtlich fort. Für Schutzmaßnahmen wäre es deshalb unabdingbar, dass sowohl männliche und weibliche Tiere vorkommen.“ Wird wohl noch lange im Kollektivbewusstsein des Landtags bleiben, sie zeigt eine bestechende Logik. Übrigens sind männliche Hamster Einzelgänger.

Und was die Landesregierung so freundlich als „artinterne Populationsmechanismen“ beschrieben hat, kann auch Kannibalismus bei Nahrungsmangel und Überpopulation bedeuten. Neuere Forschungen deuten übrigens darauf hin, dass Vitamin B3 Mangel durch einseitige Ernährung mit Mais auch Kannibalismus auslösen kann. – ein Hinweis vielleicht auch darauf, dass Maismonokulturen auch den Feldhamster gefährden können. –zumindest sollte man dem mal nachgehen.

Denn Artenschutz bedeutet immer auch den Lebensraum zu schützen. Und Hier kommen wir zu einem wesentlichen Kern, warum Debatten um einzelne Arten sicher ihre Berechtigung haben – jedoch oft zu kurz greifen. Es muss um den Maßvollen Umgang mit der Natur und den natürlichen Ressourcen insgesamt gehen.

Der Mensch verursacht weltweit eines der größten Artensterben der Erdgeschichte. Wissenschaftler sprechen schon von einer 6. Auslöschung. Und was bei der Flagschiffart – dem Nördlichen Breitmaulnashorn zu einem weltweiten Aufschrei gesorgt hat – nämlich das physische Erleben des Aussterbens einer Art, wenn künstliche Befruchtung nicht funktioniert. Das passiert im Kleinen, bei Insekten, Amphibien, Vögeln täglich und oft auch unbemerkt.

Übrigens zeigt das Beispiel Breitmaulnashorn die Korrektheit des durchaus zum Schmunzeln anregenden Satzes der Landesregierung. Denn es ist das letzte männliche Tier verstorben.

Übrigens meine Dame und Herren von der AfD: Sie sind doch völlig unglaubwürdig, wenn es um Natur- und Artenschutz geht. Weder Kritik an der industriellen Landwirtschaft noch an der rücksichtslosen Ausbeutung von natürlichen Ressourcen hört man von Ihnen – bis hin zur Lobhudelei der deutschen Autoindustrie selbst beim Dieselskandal. Und Ihre permanente Leugnung des menschengemachten Klimawandels ist nicht nur unwissenschaftlich und weltfremd – sie ist für die Belange des Naturschutzes geradezu gefährlich! Davon können auch noch so viele Kleine und Große Anfragen nicht ablenken. Sie sind die Partei der anachronistischen Naturzerstörer! (Prediger des fordistischen Fossilismus)

Zurück zum Feldhamster. Er ist an das bewirtschaftete Offenland angepasst. Das macht schon deutlich, dass es sich beim Schutz des Hamsters nicht um eine Landwirtschaftsfeindliche Haltung handelt. Denn ohne die Landwirtschaft wären viele Arten wie Feldhase, Feldlerche, Schafstelze oder Rebhuhn nicht heimisch. Was den Hamster schützt, nutzt also auch anderen Tierarten. Allerdings ist die rücksichtslose Intensivierung bis hin zur Industrialisierung der Landwirtschaft mittlerweile ein Problem für viele Tierarten. Insektensterben und der Verlust der Vogelfauna haben hier schon eine Rolle gespielt. Und auch der Schutz des Feldhamsters kann nur einhergehen mit Maßnahmen in der Landwirtschaft. Dazu gehören:

  • Sogenannte Hamsterstreifen (bewirtschaftete Ackerstreifen von mehreren Metern Breite mit einer abweichenden Kulturart); Streifen bieten Nahrung und Schutz in den Zeiten wenn ungünstige Bedingungen herrschen
  • Verspätete Umbruch der Stoppeln nach Abschluss der Ernte in den Sommermonaten
  • Anbau von Weizen, Hafer, Luzerne In Hamstersiedlungsgebieten möglichst viele Maßnahmen zum Schutz
  • Beschränkung der Bodenbearbeitung auf eine Tiefe von höchstens 25cm
  • Anlage der Streifen anderer Kulturarten als zusätzliche Nahrung und Deckung
  • Verzicht auf Feldarbeiten nach Einbruch der Dämmerung
  • Weitere Verbesserung der Humusbilanz im Boden

Und ja, das ein oder andere kann auch gefördert werden. Aber manches – wie den Stoppelumbruch – kann auch in der konventionellen Landwirtschaft mühelos umgesetzt werden – wenn man ein entsprechendes Bewusstsein für den Schutzzweck entwickelt. 

Ein weiterer Punkt ist die Versiegelung von Flächen. Es erstaunt schon, dass in unserem Bundesland die Flächenversiegelung trotz sinkender Bevölkerung dermaßen anhält. Zudem geht damit auch die Fragmentierung von Flächen einher – ein großes Problem für viele Arten.

Wenn man weiß, dass in der Magdeburger Börde in den 50er Jahren noch über 1 Mio Hamsterfelle gezählt wurden, bis in die 80er Jahre Hamster gejagt wurden und dieses Tier mittlerweile streng geschützt werden muss, damit es hierzulande nicht ausstirbt, dann macht es die Dimensionen dessen klar, was menschengemachtes Handeln für Auswirkungen hat.

Die Intensivierung der Landwirtschaft, Flächenversieglung und Fragmentierung zerstören die Lebensgrundlagen vieler Arten. Wir brauchen Regularien, die zum einen das Nutzungsinteresse des Menschen berücksichtigen – aber den Natur- und Artenschutz stärker in den Mittelpunkt rücken. Wir müssen Umdenken und an manchen Punkten Umkehren und einen Schritt zurück treten – wollen wir nicht weiter Teil der 6. Auslöschung sein. Danke!