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Hendrik Lange zu TOP 18: Entwicklung der Hochschul- und Wissenschaftslandschaft in Sachsen-Anhalt

Veränderungen im Wissenschaftsbetrieb gehören in das System. Wer weiß, dass sich die Naturwissenschaften aus der klassischen philosophischen Fakultät heraus entwickelt haben, der weiß, wie veränderungsfähig die Wissenschaftslandschaft ist.  
Es gibt Veränderungen, die sind wissenschaftsimmanent, wie die, die ich eben beschrieben habe. Aber es gibt auch Veränderungen, die aufgrund äußerer Bedingungen herbeigeführt wurden. Dazu zählt unter anderem die Strukturdebatte, die in den Jahren 2003 bis 2005 geführt wurde und die eine Umstrukturierung unserer Hochschullandschaft zur Folge hatte.  

Damals war die Annahme, dass die Studierendenzahlen sinken. Es hieß damals, dass die Studentenzahlen spätestens ab dem Jahr 2008 einbrechen. Es wurden 30 Millionen Euro aus dem Hochschulsystem herausgenommen, beispielsweise wurden die Ingenieurwissenschaften von Halle nach Magdeburg verlagert. Die Lehrerausbildung in Magdeburg wurde geschlossen und nach Halle verlagert. Man hat an den Fachhochschulen beispielsweise den sehr erfolgreichen Studiengang Chemie- und Pharmatechnik nach Köthen verlagert und ihm damit de facto den Todesstoß gegeben. Dies hat insgesamt durchaus zu erheblicher Kritik geführt, nicht nur seitens der Hochschulen und der Studierenden, sondern auch aus dem parlamentarischen Raum. Die Opposition hat sich an dieser Stelle sehr kritisch geäußert. Die Prämissen waren damals falsch. Die permanent prognostizierten sinkenden Studierendenzahlen sind nie eingetreten. Im Gegenteil: An unseren Hochschulen immatrikulieren sich mehr Studierende denn je. Sie fahren mit Überlast. Aber dass unsere Hochschulen für Studierende aus der ganzen Welt so attraktiv sind, ist natürlich eine Erfolgsgeschichte und daran sollten wir festgehalten.  

Die Verwerfungen der letzten Strukturdebatte sind immer noch zu spüren, die Auswirkungen der Fehlentscheidungen, die getroffen wurden. Beispielsweise die Schließung der Ingenieurwissenschaften im Süden Sachsen-Anhalts hat sogar die Industrie entsprechend kritisiert. Der Lehrermangel sollte eigentlich allen bekannt sein. Dass man vor diesem Hintergrund die Lehrerausbildung in Magdeburg geschlossen hat, war ebenfalls eine klare Fehlentscheidung; aber der Lehrermangel wird noch heute von der Landesregierung ignoriert.   
Inzwischen sind neue Zielvereinbarungen zwischen dem Land und den Hochschulen abgeschlossen worden. In diesen neuen Zielvereinbarungen wurde ein so genannter Strukturimpuls mit Blick auf das Jahr 2020 verankert. Dazu gab es eine Zeitschiene, die durchaus festgeschrieben ist. Dieser Strukturimpuls sollte Anfang des Jahres 2012 kommen. Danach sollten die Hochschulen ein Jahr Zeit haben, um ihre Entwicklungspläne zu erarbeiten und diese Entwicklungspläne dem Strukturimpuls entsprechend auszurichten. Das war angedacht. Jetzt ist es so, dass der Wissenschaftsrat erst vor kurzem beauftragt wurde, diesen Strukturimpuls vorzubereiten und eine Begutachtung unserer Wissenschaftslandschaft vorzunehmen. Damit geraten wir natürlich in erheblichen Zeitverzug, was ein ganz großes Problem sein wird; denn im Jahr 2013 müssen die neuen Zielvereinbarungen für die kommende Zielvereinbarungsperiode geschrieben werden.  
Ich fürchte, dass es mit der jetzigen Zeitverzögerung wieder so sein wird, dass die Zielvereinbarungen sehr hektisch zusammengeschrieben werden und wir als Parlament wieder nur wenig Möglichkeiten haben werden, an diesen Zielvereinbarungen mitzuarbeiten. Das halte ich im Hinblick auf die demokratischen Entscheidungen in unserem Lande für durchaus sehr schwierig.

Ich halte die Beauftragung des Wissenschaftsrates für einen durchaus gangbaren Weg. Er ist sogar sehr interessant; denn ein ausgewiesenes Expertengremium begutachtet erstmals das Hochschulsystem eines ganzen Bundeslandes, und es soll Empfehlungen für die Zukunft abgeben. Aber: Was sind die Prämissen für diesen Auftrag? Davon haben wir im Moment noch keine Kenntnis. Sind die Prämissen für diesen Auftrag, die Kürzungen und den Abbau von Studienplätzen vorzubereiten?

Ich sage nur: Es herrscht derzeit im Hochschulsystem eine erhebliche Nervosität; denn die Eckpunkte für den Haushalt 2014/2015 sind durchaus durchgedrungen. Dort heißt es, es sollen aus dem Einzelplan 06 60 Millionen Euro entsprechend herausgenommen werden. Wer den Einzelplan 06 kennt, der weiß, dass ganz viel Geld durch Verträge, die mit dem Bund abgeschlossen sind, gebunden ist. Da ist BAföG ein großer Punkt und natürlich die Hochschulen.  

Aus diesem Einzelplan 60 Millionen Euro herauszunehmen halte ich für illusorisch, wenn man gleichzeitig sagt, dass die Hochschulbudgets entsprechend fortgeschrieben werden sollen. Das wird nicht funktionieren. Deswegen ist es interessant, mit welchen Prämissen der Wissenschaftsrat an diese Begutachtung herangeht. Oder soll es doch tatsächlich - was ich mir sehr wünsche – eine bedarfs- und zukunftsorientierte Aufstellung unserer Hochschullandschaft werden?

Das Demografieargument war schon einmal falsch. Es kann nicht die Strategie des Landes sein, die Hochschulen möglichst so auszustatten, dass wir weniger Studierende haben, sondern wir sollten unsere Hochschulen so ausstatten, dass wir möglichst viele junge Menschen in unser Land holen, sie an unser Land binden und sie zu Botschaftern unseres Landes machen, wenn sie in die Welt hinausgehen und in internationalen Netzwerken arbeiten. Das muss das Ziel sein. Gut ausgestattete, attraktive Hochschulen locken mehr Leute ins Land als Babystrampler oder Comeback-Päckchen.  

Ich bin schon in einer meiner letzten Reden darauf eingegangen, dass sich das Bachelor-Master-System flexibilisiert. Es wird zukünftig so sein, dass junge Menschen mit einem Bachelorabschluss erst einmal aus der Hochschule gehen werden, vielleicht in der Wirtschaft arbeiten werden, um später ein Masterstudium an den Hochschulen aufzunehmen. Jetzt kommen die großen Kohorten derjenigen, die den Bachelorabschluss erstmals gemeinsam mit sehr vielen anderen Studierenden machen und den Zugang zum Masterstudium haben möchten. Wir müssen unsere Hochschulen so ausrichten, dass jeder, der ein Masterstudium aufnehmen möchte, dies auch tun kann. Dafür muss es Kapazitäten geben.

Sachsen-Anhalt ist ein Land mit einer sehr geringen Industrieforschung. Darum spielt die Forschung an den Hochschulen eine ganz besonders große Rolle, wenn es darum geht, Know-how für gesellschaftliche Entwicklung zu produzieren, sei es die soziale, sei es die technologische oder die wirtschaftliche Entwicklung. Dafür brauchen wir unsere Hochschulen und dafür müssen sie zukunftsfähig gestaltet werden. Da sehe ich zum Beispiel auch die Forschung in den Schwerpunkten, die derzeit auf der Kürzungsliste stehen. Ich sehe, dass wir zukünftig eine noch wesentlich stärkere Vernetzung mit unseren außeruniversitären Einrichtungen im Land brauchen.

Die Frage der Entwicklung der Hochschullandschaft ist zu wichtig, um im verschlossenen Kämmerlein beraten zu werden. Unser Antrag setzt deswegen darauf, das Parlament und die Öffentlichkeit in die Debatte einzubeziehen.
Die Beauftragung des Wissenschaftsrates mit der Begutachtung ist interessant, wenn sie ergebnisoffen ist und eine zukunftsorientierte Hochschullandschaft zum Ziel hat. Soll diese Begutachtung allerdings nur ein Feigenblatt für Kürzungen sein und das argumentative Hinterland schaffen, lehnen wir einen solchen Weg ab. Dafür sind Zeit und Geld einfach zu schade.