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Hendrik Lange zu TOP 06: Personalstruktur und wissenschaftlicher Mittelbau an den Hochschulen in Sachsen-Anhalt

Die Hochschulen sind einer der wesentlichen Innovationsmotoren in unserem Land. Gemeinsam mit den Außeruniversitären Forschungseinrichtungen treiben sie die wissenschaftliche und kulturelle Entwicklung Sachsen-Anhalts voran. Als Ort der akademischen Ausbildung bereichern sie das Land mit gut ausgebildeten und gebildeten jungen Menschen. Sie sind Anziehungspunkt für junge Menschen – Deutschlandweit und International. Wenn ich von den Hochschulen spreche, ist diese Zuschreibung als Bild sicher richtig. Das Bild, der Begriff – Hochschule – steht jedoch für die vielen Beschäftigten, die diese Leistungen für das Land erbringen. Mit hoher intrinsischer Motivation und viel Disziplin wird geforscht und gelehrt. Es sind die Beschäftigten unserer Hochschulen, die unser Land in Wissenschaft und Forschung voran bringen und Strahlkraft über die Landesgrenzen hinaus entwickeln.

Die Leistungen der Beschäftigten an unseren Hochschulen bedürfen höchster Anerkennung. Grund genug sich mit den Beschäftigungsbedingungen und deren Entwicklung an diesen staatlichen Einrichtungen auseinander zu setzen. Das Ziel unserer großen Anfrage war es, darüber einen Überblick zu bekommen, Trends zu erkennen und das Potential zum Umsteuern aufzudecken.

Folgt auch Sachsen-Anhalt dem Trend hin zu immer mehr Zeitverträgen mit immer kürzeren Laufzeiten? Sind unsichere Berufsperspektiven und unberechenbare Karrierewege auch an unseren Hochschulen ein Problem? Wie sieht es mit der Gleichstellung von Frauen und Männern aus?

Nicht alle Fragen konnten zur vollsten Zufriedenheit beantwortet werden. Trends und Probleme wurden gleichwohl aufgedeckt, welche die Landespolitik zum Umsteuern auffordern.

Denn tatsächlich folgt auch Sachsen-Anhalt dem Negativtrend hin zu immer mehr prekärer Beschäftigung an den Hochschulen besonders bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern. Immer mehr Personen befinden sich in Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen. Der Hintergrund dafür ist, dass aus fiskalischen Gründen die Stellen geteilt werden. Und ja, es gibt sie auch – die Beschäftigten, die weniger als eine halbe Stelle bekommen. Jedoch sind die halben Stellen in der Mehrzahl. Gleichwohl verringert sich der Arbeitsaufwand nicht. Im Gegenteil! Gerade von Doktorandinnen und Doktoranden wird oft erwartet, dass sie den Arbeitsumfang einer vollen Stelle erfüllen und darüber hinaus noch an ihrer Promotion arbeiten. Ich habe ja schon von der intrinsischen Motivation gesprochen. Und natürlich ist da auch viel Selbstausbeutung dabei. Gleichwohl berichten gerade Promovierende darüber, dass sie die Lehre aufrechterhalten, weil Dauerstellen nicht besetzt sind. Dass sie die Forschung im Wesentlichen betreiben, weil der Professor den nächsten Drittmittelantrag schreiben muss. Und dass das alles weit über das hinaus geht, was wirklich in den Arbeitsverträgen steht.  Ein wesentliches Druckmittel ist dabei die permanente Befristung. Denn an den Universitäten ist die Mehrzahl der Stellen befristet.

Und dieser Druck wirkt – wie immer wieder berichtet wird. Denn die Personen, die das betrifft befinden sich in einem permanenten Abhängigkeitsverhältnis vom Professor. Diese Bedingungen sorgen übrigens auch dafür, dass sich junge Menschen gegen eine wissenschaftliche Karriere entscheiden – was langfristig unseren Wissenschaftsstandort schadet. Und – was die große Anfrage noch ergeben hat – von diesen Bedingungen sind überwiegend Frauen betroffen: Lag die Zahl der teilzeitbeschäftigten Männer 2006 noch bei 21 % lag sie 2011 schon bei 25 % bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der teilzeitbeschäftigten Frauen von 25 % auf 37 %.  Und gleichbleibend hoch ist die Anzahl der Befristungen. 56 % der Männer hatten 2011 ein befristetes Arbeitsverhältnis und 67 % der Frauen.

Auch an staatlichen Einrichtungen wie den Hochschulen nimmt prekäre Beschäftigung zu und sie trifft besonders die Frauen – Es ist ein Skandal, dass der Staat diesem gesamtgesellschaftlichen Trend folgt. Und prekäre Beschäftigung ist längst kein Phänomen der schlecht ausgebildeten mehr. Sie kommt zunehmend bei den gut ausgebildeten an und der Staat ist hier ein Wegbereiter. Und das muss sich ändern.

Warum auch der Anteil der befristet Beschäftigte an den Fachhochschulen zu nimmt, wird von der Landesregierung nicht weiter erläutert. Es könnte sein, dass zunehmend befristete Stellen mit den Mitteln des HS-Pakts geschaffen werden, um die Überlast in der Lehre zu kompensieren. – Aber das ist zu diesem Zeitpunkt eine zu hinterfragende Spekulation.
In den Hochschulbereichen gibt es mit Ausnahme der Professoren eine große und steigende Zahl (FH) problematischer Arbeitsverhältnisse,

Das ist auch Ausweis dafür, dass ein starker wissenschaftlicher Mittelbau fehlt und wissenschaftliche Arbeit fast ausschließlich im Zusammenhang mit der akademischen Gradifikation oder als temporäre Projektarbeit verstanden wird, nicht als längerfristige Profession. Auch die Aufgaben in der Lehre werden so bewältigt. In dieser Frage nimmt Deutschland eine spezifische Stellung ein, die sehr unterschiedlich bewertet wird. Auch im Landtag hat das schon öfter eine Rolle gespielt. Die Debatte über die personelle Struktur des Hochschulsystems und die Entwicklung neuer akademischer Karrierewege muss weiter geführt werden.

Folge des derzeitigen Umbaus ist, dass sich die Betreuungsrelationen bezogen auf Dauerstellen verschlechtert haben. Aber noch gravierender ist die Tatsache, dass die Hochschulen ihr finanzielles Defizit dadurch kompensieren indem Sie hauptberufliches Wissenschaftliches Personal durch Lehrbeauftragte ersetzen. Nun haben Lehraufträge durchaus auch ihre Berechtigung. Es können Spitzen abgefangen werden. Es können kurzeitige Vertretungen für vakante Stellen die Lehre absichern. Oder auch bei den Fachhochschulen eine praxisnahe Ausbildung mit nebentätig Lehrenden aus der Wirtschaft angestrebt werden. Allerdings antwortet die Landesregierung, dass 13,5 Mio. € nötig wären, um die Pflichtangebote nicht durch Lehraufträge, sondern durch hauptberufliches Wissenschaftliches Personal abzusichern. Dabei sollen Lehrbeauftragte nach § 50 LHG das Pflichtangebot lediglich ergänzen. Eine Hochschule outet sich auch indem sie ausdrücklich auf den nicht ausfinanzierten Stellenplan hinweist und die hohe Zahl der Lehraufträge damit begründet.

Lehrbeauftrage sind oft Menschen, die einen Lehrauftrag nach dem nächsten annehmen und dabei äußerst schlecht bezahlt werden. Manchmal treibt das Blühten bis dahin, dass Privatdozenten kostenlos Lehre machen, um ihre anerkannte Lehrbefähigung nicht zu verlieren. Denn dann gäbe es für sie nie die Chance auf eine Professur. Das ist Ausbeutung auf höchstem Niveau und das muss sich ändern.

Die Zahl der Promotionen hat zugenommen. Das ist ein gutes Zeichen. Es gibt auch einige kooperative Promotionsverfahren mit den FHs, allerdings sollten wir gerade bei dieser Kooperation mehr erwarten. Hier sind besonders die Unis gefordert, ihre Promotionsordnungen anzupassen.
Allerdings fallen weitere Aussagen zur Beschäftigung der DoktorandInnen schwer. Aber auf den Zahlensalat der Landesregierung komme ich noch zu sprechen.

Tenure Track Optionen gibt es kaum – auch darüber haben wir hier schon debattiert. Denn die sklavische Abhängigkeit vom Professor bis zur Habilitation ist ein System, dass sich international längst überholt hat. Es wird Zeit auch in Deutschland diese Reform durchzusetzen.

Fakt ist auch, dass ein erheblicher Teil der sich Qualifizierenden auf Drittmittelstellen sitzt. Es ist ja erfreulich, dass sie wenigstens eine Stelle haben. Oftmals werden diesen Wissenschaftlerinnen jedoch nur kurzzeitige Arbeitsverträge ausgehändigt. Aus Sicht der Landesregierung steht dem wichtigen Ziel, Arbeitsverträge über die Gesamtlaufzeit eines Projekts abschließen zu lassen, oft der Haushaltsvorbehalt entgegen. Hier kann gehandelt werden… unser antrag zielt darauf ab.

Bei aller Freude über eingeworbene Drittmittel lassen Sie mich doch auch etwas Kritisches zu dieser Umsteuerung im Hochschulsystem sagen. Die zunehmende Abhängigkeit von Projektförderung schafft auch eine Kurzatmigkeit im System. Gerade die Grundlagenforschung – die nun einmal Basis für anwendungsorientierte Forschung ist, leidet oftmals darunter. Es gibt ernstzunehmende Stimmen die warnen, dass dadurch die Innovationsfähigkeit des Landes mittelfristig massiv geschädigt wird. Deswegen braucht es eine Aufgabengerechten Grundfinanzierung der Hochschulen damit dann auch die Drittmittel entsprechend weiter eingeworben werden können.

Die Altersstruktur an den Hochschulen zeigt, dass in den nächsten Jahren sehr viele Professuren neu besetzt werden müssen. Das eröffnet große Chancen. Zum einen kann dadurch die Hochschulstruktur im Sinne einer intelligenten Profilierung angepasst werden. Und es kann endlich der Frauenanteil Bei den Professuren erhöht werden!
Die Situation birgt aber auch große Gefahren. Denn bei dem angekündigten Maß an Kürzungen wird den Hochschulen nur übrig  bleiben, freie Stellen einfach nicht wieder zu besetzen. Und dann findet hier keine Profilierung sondern eine Kürzung mit dem Rasenmäher statt. Und das muss unbedingt verhindert werden.
In Bezug auf die Gleichstellung von Frauen und Männern bleibt die Analyse, dass Frauen in den Führungspositionen fehlen und die gläserne Decke – die homosoziale Kooptation weiter als Problem begriffen werden muss. Wir haben darüber ja schon ausführlich diskutiert.

Die Einschätzungen der Landesregierung zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz teilen wir ausdrücklich nicht. Die alltägliche Anwendung dieses Gesetzes schafft ungeheuren bürokratischen Aufwand. Sie setzt WissenschaftlerInnen unnötig unter Druck. Denn solange Dauerstellen Mangelware sind ist dieses Gesetz völlig kontraproduktiv. Zudem verstößt die Tarifsperre gegen die Tariffreiheit. Meine Damen und Herren der CDU – Sie wollen doch die Tarifparteien und deren Autonomie immer stärken – fangen Sie beim Wissenschaftszeitvertragsgesetz an und streichen Sie die dort verankerte Tarifsperre.

Nun noch ein paar abschließende Anmerkungen zur Beantwortung der Großen Anfrage durch die Landesregierung. Herr Robra: Was haben Sie denn da unterschrieben. Also so viele Ungereimtheiten, so viele Fehler, so viel Unlogik das habe ich nicht erwartet! Zahlensalt hat das eine Gewerkschafterin völlig zu Recht genannt. Ich gebe mal ein paar gravierende Beispiele. So behauptet die Landesregierung, dass die beiden Unis und die Kunsthochschule  insgesamt 2011 – 15202 Personen beschäftigten. Ein Anstieg um immerhin über 1300 Beschäftigten seit 2006.

Wo sind die denn alle? Was sind das denn für Zahlen? Sie behaupten es gebe 6820 Personen als wissenschaftliches und künstlerisches Personal. Vielleicht, und dann behaupten Sie dass es 8382 Personen im Verwaltungs-, technischem und sonstigen Personal gäbe. 55%. Hochschulen machen weniger Wissenschaft als Verwaltung? Damit ließen sich Kürzungen gut argumentieren. Aber keine Angst – so ist es nicht. Ich vermute, dass Sie einfach die Beschäftigten der Unikliniken dazugerechnet haben. Dann kommt man auf diese Zahlen. Das ist natürlich falsch, dass die Kliniken seit 2006 eigenständige Einheiten sind. Aber einen Satz dazu zur Erläuterung gab es dazu nicht. Herr Möllring, glauben Sie mal nicht die Zahlen die da stehen – Sie können das noch nicht wissen. Aber da können Sie mal wirklich falsche Zahlen lesen. Dem entgegen steht die durch die Landesregierung festgestellte Anzahl der in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden wissenschaftlichen Mitarbeiter. Da sind an der MLU 17 Frauen und 19 Männer gezählt worden. Na, da lässt sich Wissenschaft machen! Absurd!

Die Berechnungen der Betreuungsrelationen sind teilweise überhaupt nicht nachvollziehbar.
Und sehr schön ist auch die Tabelle, die uns helfen sollte mal das Berufungsgeschehen an den Hochschulen hinsichtlich der Gleichstellung zu bewerten. Hier gibt die Landesregierung den Frauenanteil in Prozent an. Das geht in einigen Einrichtungen auf. Allerdings: Anteil der Bewerbungen auf eine Professur nach Angabe der Landesregierung an der OVGU 2010 in den Kultur- und Sprachwissenschaften liegt bei 116 %. Höhere Mathematik, Herr Robra? Auch an der HS Anhalt geht seltsames vor! 0% Bewerbungen, 0% Vergabe der Listenplätze an Frauen, 100% Stellenbesetzung durch eine Frau. Ich meine, nicht dass das unmöglich wäre. Aber mir ist kein Fall bekannt, bei dem das Ministerium eine Berufung an der Liste vorbei gemacht hat. Aber vielleicht hat sich das Prof. Orzessek ja doch gefallen lassen.

Zum Schluss: Gucken sie mal dieses Papier an. Das ist eine Auswertung die wir vorgenommen haben. Auch außerparlamentarische Interessensgruppen, Die Gewerkschaften, Studierende Personalräte, die Hochschulleitungen haben sich mit diesem Material beschäftigt. Die sitzen alle da und müssen die Zahlen aus den Tabellen abtippen, damit Querbezüge hergestellt werden können. Mein Kollege Wagener wird einen solchen Antrag in die nächste Sitzung einbringen. Das ist finsterstes Mittelalter. Es wird Zeit, dass die Landesregierung solch ein Zahlenmaterial in einem offenen und vor allem maschinenlesbaren Format zur Verfügung stellt.

Die Beschäftigungsbedingungen in der Wissenschaft müssen wieder sicherer werden! Defizite dürfen nicht auf dem Rücken der Beschäftigten kompensiert werden. Die Anfrage meiner Fraktion hat hier offene Wunden sichtbar gemacht. Sie ist aber auch teilweise oberflächlich und geradezu offensichtlich falsch beantwortet worden. Ich wünsche mir bei der Beantwortung von Fragen aus dem Landtag mal dieselbe intrinsische Motivation der Ministerien, wie sie täglich von den Wissenschaftlern erwartet wird.