Finanzielle Beteiligung am Ausbau erneuerbarer Energien für Gemeinden und Einwohner:innen im Land ermöglichen
Wulf Gallert, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, betont in der Diskussion um die finanzielle Beteiligung von Gemeinden und Einwohner:innen am Ausbau erneuerbarer Energien:
„Das heute von der Fraktion DIE LINKE vorgelegte Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Ausbau der erneuerbaren Energien in Sachsen-Anhalt hat zwei klare Zielstellungen. Es geht um Zukunftsfähigkeit und es geht um Gerechtigkeit, zwei Grundwerte in der Politik, die für uns als Linke oberste Priorität besitzen.
Wenn wir hier ein Gesetz vorlegen bzw. der Landtag eine Gesetzesregelung beschließt, sollte im besten Fall damit ein Problem gelöst werden, statt ein neues zu erfinden. Ich will im Folgenden beschreiben, welche Probleme wir mit diesem Gesetz angehen wollen. Das erste Problem, um das es hier geht, ist der leider schleppende, aber extrem notwendige Ausbau der erneuerbaren Energien in Sachsen-Anhalt. Die Verfügbarkeit dieser Energien entscheidet ganz maßgeblich, über die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt. Zwar gab es hier im Landtag in den letzten Monaten immer wieder Debatten um die Energiepolitik, die den Eindruck erweckten, als wären wir kurz nach der Erfindung der Dampfmaschine. Es dürfte aber allen, die sich ernsthaft mit der Ökonomie der Zukunft beschäftigen, klar sein, dass die Zeit der billigen fossilen Energie vorbei ist. Das hat natürlich auf der einen Seite mit den damit verbundenen CO2-Emmissionen und einer drohenden Klimakatastrophe zu tun, zum anderen aber, dass der globale Handel mit fossilen Energiequellen aus ökonomischen und politischen Gründen derart unsicher geworden ist, dass eine verlässliche wirtschaftliche Entwicklung auf dieser Basis kaum mehr zu planen ist. Im Kontext dieser Diskussion kann man Wind und Sonne durchaus als die neuen Heimatenergien bezeichnen, die die Braunkohle ablösen. Und Industrien haben sich in der Geschichte immer dort angesiedelt, wo Energie zur Verfügung stand. Dass es diesen Zusammenhang gibt, beweist nicht nur die Intel-Ansiedlung. Wer hier zu spät kommt, den bestraft das Leben.
In unserem kleinen Sachsen-Anhalt stehen mit über 2.800 jetzt schon mehr Windräder als in den beiden Ländern Bayern und Baden-Württemberg, die zusammen fünfmal so groß sind. Es bringt überhaupt nichts, so zu tun, als würden die Windräder keine Belastung für die Menschen, die dort wohnen, bringen. Während wir es also bei Wind mit einer Flächenkonkurrenz von Windrädern und Wohnraum zu tun haben, haben wir es bei der Photovoltaik mit einer Flächenkonkurrenz zwischen Solaranlagen und landwirtschaftlicher Nutzfläche zu tun. Und es ist überhaupt nichts Verwerfliches daran, wenn sowohl die Einwohnerinnen und Einwohner als auch die Kommunen aus diesem Grund skeptisch gegenüber dem Ausbau erneuerbarer Energien sind. Dazu kommt noch ein besonderes Phänomen. Die Umstellung der Stromnetze auf eine dezentrale Energieproduktion ist teuer und wird dann auf diejenigen umgelegt, die ohnehin schon die Windräder vor der Nase haben, währenddessen der großstädtische Raum und Regionen mit überwiegend fossiler Energienutzung davon verschont bleiben und geringere Netzentgelte bezahlen. Da ist es doch logisch, dass solche Umstände zu Frust gegenüber dem Ausbau erneuerbarer Energien führen.
Nun lassen sich solche Probleme mit einem besonderen Mittel vielleicht nicht immer lösen, aber doch zumindest deutlich erträglicher machen. Und dieses Mittel heißt Geld. Und hier setzt unser Gesetz an, weil wir nämlich zusätzlich ein besonderes ostdeutsches Problem haben. Schauen wir uns insbesondere die Windenergie an. Da ist es so, dass etwa 40 Prozent der Windkraftanlagen, die im EEG des Bundes erfasst worden sind, sich in privatem Besetz befinden. Ein weiterer großer Teil ist im Besitz von Projektgesellschaften, bei denen man Anteile erwerben kann. Gucken wir uns aber die Situation zur Beginn der 2000er Jahre an, als der Bau von Windrädern boomte. Die Masse der Menschen in Sachsen-Anhalt hatte überhaupt nicht die Rücklagen, um für mehrere Tausend Euro sich in dieses lukrative Geschäft einzukaufen. Dazu kam noch eine fatale politische Fehlentwicklung in Sachsen-Anhalt. Mit dem Zweiten Investitionserleichterungsgesetz beschlossen CDU und FDP 2003 ein faktisches Investitionsverbot von kommunalen Unternehmen in diesem Bereich. Ich kann mich noch gut erinnern, wie der damalige Wirtschaftsminister Rehberger, wie er formulierte, den damaligen kommunalen Kombinaten den Kampf ansagte.
Zwar wurden diese entsprechenden Regelungen später wieder flexibilisiert, aber da war der große Boom schon wieder vorbei. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist, dass der Anteil an installierten erneuerbaren Energieanlagen, die sich in Sachsen-Anhalt befinden, aber gleichzeitig Menschen oder Gemeinden unseres Landes gehören, sehr gering ist. Die Menschen in Sachsen-Anhalt haben die Windräder vor ihrer Nase, sie bezahlen höhere Netzentgelte, aber die Gewinne steckt der Zahnarzt aus Baden-Württemberg ein. Damit muss jetzt endgültig Schluss sein. Wir brauchen endlich Gerechtigkeit, nicht nur im Interesse der erneuerbaren Energien, sondern auch im Interesse der Menschen in Ostdeutschland.
Die von mir geschilderte Situation mit Ausnahmen des Investitionsverhinderungsgesetzes von CDU und FDP gab es aber auch in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Auch hier fand der massive Ausbau insbesondere von Windkraft durch Kapitalanleger von außerhalb statt. Dort hat man allerdings anders als in Sachsen-Anhalt längs darauf reagiert. Ein solches Beteiligungsgesetz gibt es in Mecklenburg-Vorpommern bereits seit über sieben Jahren, in Brandenburg seit vier Jahren. Insbesondere das Gesetz in Mecklenburg-Vorpommern stand als erstes seiner Art massiv unter Beschuss: Man dürfe als Land so etwas überhaupt nicht, die Vorschrift für eine Beteiligung der Gemeinden würde das Recht der Investoren verletzen und überhaupt, was ist das für ein sozialistischer Kram. Interessanter Weise sind alle Klagen gegen dieses Gesetz bis zum Bundesverfassungsgericht gescheitert. Man kann also die Kommunen und die Menschen vor Ort beteiligen, wenn man will. Das Problem hierzulande ist aber, dass Sachsen-Anhalt nicht wollte. Erst seit Beginn dieses Jahres kündigt der Energieminister in regelmäßigen Abständen von sechs bis acht Wochen ein solches Gesetz an. Irgendwann im nächsten Jahr soll es dann wohl geschehen.
In Thüringen hat die dortige Koalition ein Gesetz vorgelegt, dass wir als Grundlage für unseren Vorschlag herangezogen haben. Zurzeit gibt es auch Diskussionen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein, in Nordrhein-Westfalen, und man glaubt es nicht, sogar in Bayern. Die erste Regelung unseres Gesetzes betrifft ausdrücklich eine Möglichkeit, die das EEG auf Bundesebene im Artikel 6 einführt. Dort steht im Wesentlichen drin, dass betroffene Gemeinden pro verkaufter Kilowattstunde von großen Windkraftanlagen und Freiflächenphotovoltaik 0,2 Cent in die eigene Kasse bekommen sollen. Zahlen soll das Geld derjenige, der die Energieanlagen besitzt. Der interessante Umstand dabei ist allerdings, dass er diese Sonderabgabe dem Netzbetreiber in Rechnung stellen kann, das für den Produzenten also nur ein durchlaufender Posten ist. Nun könne man sich allerdings die Frage stellen, ob das nicht wiederum zu höheren Netzentgelten führt. Also das, was die Gemeinde bekommt, die Menschen über höhere Strompreise vorher bezahlen müssen. Dies ist allerdings nicht so, denn der Netzbetreiber kann sich dieses Geld wiederum aus dem Klimafonds des Bundes holen, der aus dem CO2-Emmissionshandel gespeist wird. Die Möglichkeit dieser Zahlung steht ohnehin schon im Bundes-EEG drin und auch die Refinanzierung. Unser Gesetz macht aber aus der Möglichkeit eine zwingende Vorschrift und zwar für Windkraft und Freiflächensolaranlagen.
Unser Gesetzesentwurf geht aber noch darüber hinaus. Zusätzlich sollen betroffene Einwohnerinnen und Einwohner, die im Umkreis von 2,5 Kilometern von Windrädern leben, auch 0,2 Cent pro verkaufter Kilowattstunde bekommen. Das Gesetz macht eine ganze Reihe von Möglichkeiten auf, wie das konkret passieren kann. Das können Sparguthaben sein oder auch reduzierte Stromrechnungen. Lassen Sie uns darüber diskutieren. Da gibt es sicherlich eine ganze Reihe von guten Wegen. Ich will hier präventiv schon einmal darauf aufmerksam machen, vor dem Hintergrund der Flughöhe vergangener energiepolitischer Debatten in diesem Haus, dass es nicht bedeutet, dass der Strompreis für den Einzeln um 0,2 Cent pro Kilowattstunde reduziert wird, sondern dass 0,2 Cent in einen solchen Fonds eingezahlt werden. 0,2 Cent bedeuten in etwa, dass pro neuem Windrad die betroffene Gemeinde 30.000 Euro Sonderzahlung erhält und die betroffenen Menschen im Umkreis von 2,5 Kilometer alle zusammen ebenfalls so viel. Bei den Solaranlagen auf Freiflächen sind das etwa 2.000 Euro pro ha. Die werden nach unserer Regelung den Einwohnern in der Gemeinde zugeführt. Wie viel der Einzelne bekommt, hängt davon ab, wie viel Windräder in der Nähe stehen und wie viel Einwohnerinnen und Einwohner davon betroffen sind. Klar bevorteilt das den dünnbesiedelten ländlichen Raum, aber gerade dort gibt es andererseits ja auch eine Menge Zusatzkosten. Da ist es unterm Strich ausgleichende Gerechtigkeit.“
Magdeburg, 12. Oktober 2023