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Eva von Angern zum TOP „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Zusammensetzung der Parlamentarischen Kontrollkommission und der G 10-Kommission“

Liest man Ihren Gesetzentwurf – Herr Kollege Schröder, Frau Kollegin Budde und Frau Kollegin Dalbert -, kommt mir in den Sinn, dass die Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes viel einfacher umzusetzen ist, als bisher von mir angenommen. Wie Sie in Ihrer Gesetzesbegründung schreiben, trägt dazu bereits die Erhöhung der Mitgliederzahl von vier auf fünf Mitglieder bei. Das frei nach dem Motto: „Fünf Augenpaare sehen mehr als vier.“ Fast wäre ich geneigt, Sie zu fragen, warum es nicht sechs oder  – wie in Bayern – gar sieben Ausschussmitglieder sein sollen, wenn man die parlamentarische Kontrolle so ressourcensparend verbessern kann. Ihre Botschaft ist letztendlich: Mehr Abgeordnete kontrollieren auch mehr.

Auch die Medien haben diese Ansage recht unkritisch übernommen. So titelt die Volksstimme: „Verfassungsschutz soll besser kontrolliert werden“ und führt als Beleg Ihre Sitzvermehrung sowie – unter Bezugnahme auf eine Aussage von Ihnen, Herr Schröder, – die Verlagerung der Geschäftsstelle der PKK vom Verfassungsschutz zur Landtagsverwaltung an.

Dabei geht es hier nicht um ein Mehr an tatsächlicher Kontrolle, sondern vor allem um eines: Um unser Selbstbewusstsein als Abgeordnete. Denn das „P“ im Kürzel steht für parlamentarisch. Und wir haben uns hier seit Verabschiedung des Verfassungsschutzgesetzes den Missstand geleistet, es als einziges Parlament in Deutschland hinzunehmen, dass ein parlamentarisches Gremium nicht durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der eigenen, der Parlamentsverwaltung, sondern durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zu kontrollierenden Behörde geschäftsstellenseitig betreut wird. Dafür haben wir - die Kontrolleure -  es billigend in Kauf genommen, dass uns die zu Kontrollierenden bei der Kontrolle zuarbeiten.
Nirgendwo in Deutschland dulden das freie und vor allem unabhängige Parlamente.
Sachsen-Anhalt befindet sich jedoch seit zwei Jahrzehnten in diesem „Ausnahmezustand“. Das Signal ist ein fatales.  

Worum geht es Ihnen also tatsächlich mit Ihrem Gesetzentwurf?

Sie wollen die Zahl der Sitze von vier auf fünf erhöhen. In der Besetzung der PKK ist jedoch die Mehrheit des Landtages auch künftig frei, sieht man vom der größten Oppositionsfraktion ab, der ein Sitz garantiert wird.
Darüber hinaus entscheidet die Mehrheit der Mitglieder – also die Mehrheit der Koalition -, wie die verbleibenden vier Sitze besetzt werden. Nun haben Sie, Frau Dalbert, den Gesetzentwurf sicher in der Hoffnung mit unterschrieben, dass Ihrer Fraktion einer der fünf Sitze „zugestanden“ wird. Doch sicher ist das nicht, denn Sie sind an „an den guten Willen“ der Koalition gebunden. Verbunden mit der Hoffnung, dass Ihnen entgegen der bei den Landtagswahlen am 20. März 2011 entstandenen realen Sitzverhältnisse im Landtag ein Sitz „abgetreten“ wird. Denn würde man diese fünf Sitze nach dem Höchstzahl- oder nach dem Rangmaßzahlverfahren verteilen, erhielten CDU und Linke je zwei Sitze, die SPD einen und die Grünen gingen leer aus. So etwas nennt man einen guten Deal, zu dem sich drei Parteien zu Lasten einer Vierten da verständigt haben.   

Die Arbeit des Verfassungsschutzes in Deutschland ist gegenwärtig wegen des eher zufälligen Aufdeckens der rechtsextremistischen Terrorzelle in aller Munde. Dass diese Zelle so lange unerkannt in Deutschland operieren konnte, ist nicht nur ein Versagen der Sicherheitsbehörden, sondern indirekt auch ein Versagen der parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes. Der gesamte Kontrollmechanismus des Verfassungsschutzes gehört also auf den Prüfstand, wenn man das Gesetz in einer solchen politisch sensiblen Situation ohnehin anfasst.

Meine Erwartung an uns alle ist, dass wir – insbesondere mit Blick auf eine erfolgreiche Bekämpfung des Naziterrors - vor allem unsere Kontrollinstrumente evaluieren, um z. B. prüfen und feststellen zu können, ob und inwieweit die Verfassungsschutzbehörde unseres Landes in der Vergangenheit Fehler gemacht hat. Deshalb fordere ich vehement eine Evaluierung der Kontrollinstrumente und eine Auswertung der Erfahrungen auf der Grundlage einer modernen demokratisch-parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes.

Wir müssen hier in Sachsen-Anhalt daran gehen, die Kontrollinstrumente zu überprüfen, die anderen parlamentarischen Kontrollgremien in Deutschland mit ihren gesetzlichen Regelungen und den darauf basierenden Erfahrungen unverzüglich anzuhören, um ein gutes und vor allem ein Mehr an parlamentarisch-demokratischer Kontrolle des Verfassungsschutzes bringendes Gesetz zu verabschieden. Denn parlamentarische Kontrolle bedeutet eben auch Mitverantwortung der Kontrollierenden.

Dass eine solche Evaluation nicht wirklich gewollt ist, zeigt jedoch Ihr Zeitplan: Einbringung heute, Innenausschussberatung auch noch heute, danach unverzügliche Verteilung der Beschlussempfehlung wegen der Fristen, Gesetzesbeschluss am Freitag.
Um eine neue PKK wählen zu können, hätten wir dieses „Scheinverfahren“ nicht gebraucht.

Ich kann Ihnen schon heute versichern, dass meine Fraktion im nächsten Jahr  eine Änderung des Verfassungsschutzgesetzes mit dem Ziel neuer Kontrollinstrumente auf den parlamentarischen Weg bringen wird. Die Änderungsanträge meiner Fraktion berücksichtigen dies heute noch nicht, sondern stellen lediglich sicher, dass die Opposition in beiden Gremien vertreten ist.

Das NPD-Verbot wird – wenn es denn tatsächlich gelingen sollte – nicht der große Schlag im Kampf gegen Rechtsterrorismus sein. Viel wesentlicher ist, dass Politik, Behörden, Justiz und vor allem jeder höchstpersönlich, rechte Menschenfeindlichkeit nicht bagatellisiert, sondern ernst nimmt und sich damit in jedem Fall auseinandersetzt.