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Eva von Angern zu TOP12: Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt

Der vorliegende Gesetzentwurf folgt dem Grunde nach der Logik, dass bei einer verbesserten parlamentarischen Kontrolle der Verfassungsschutzbehörde die Qualität, die Effektivität, aber vor allem die Transparenz der Arbeit dieser Behörde steigen.

Noch vor einem Jahr hätte meine Fraktion ein solches Vorhaben sicher unterstützt, wenn nicht gar selbst parlamentarisch initiiert. Außerdem haben wir mit Beschluss des Landtages vom 12. Juli 2012 gemeinsam die Geschäftsordnung des Landtages auch dahingehend geändert, dass durch die Aufnahme eines neuen § 17a „Parlamentarische Kontrollkommission“ die Landesregierung auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes der Kontrolle durch den Landtag mittels der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) als Ausschuss des Landtages unterliegt. Und dies war eine gute Entscheidung.

Noch im letzten Jahr hätten auch wir uns - wie im vorliegenden Gesetzentwurf aufgeführt - gewünscht, dass Minderheitenvoten von einzelnen PKK-Mitgliedern abgegeben werden können. Wir hätten auch begrüßt, dass eine Herabstufung des Geheimhaltungsgrades der PKK-Sitzung möglich sein soll. Ebenso hätten wir den Einsatz eigener MitarbeiterInnen in der PKK befürwortet.

Doch seitdem ist inzwischen schon wieder einige Zeit verstrichen. Und wir sind vor allem seit dem um einiges Wissen reicher. Wenn die letzten Monate eines klar zu Tage gebracht haben: Geheimdienste sind so konstruiert, dass sie sich gerade nicht kontrollieren lassen, auch nicht durch ein im Geheimen tagendes Gremium von Parlamentariern, wie der PKK, mögen ihre Kompetenzen vermeintlich noch so weitreichend sein.

Entsprechend wird meine Fraktion auch nicht der Logik dieses Gesetzentwurfes folgen. Meine Fraktion verfolgt daher nicht das Ziel, den Verfassungsschutz und seine parlamentarische Kontrolle im bestehenden Kontext zu reformieren. Aus unserer Sicht zwingt vor allem, aber auch nicht nur, das skandalöse Versagen aller Sicherheitsbehörden und insbesondere aller Inlandsgeheimdienste in Bezug auf den braunen Terror des NSU zu einem grundlegenden Neuanfang.

Und wann, wenn nicht jetzt?

Bundesamt wie auch Landesämter haben sich in eine schwere Legitimationskrise gebracht. Und wir sind somit fest überzeugt davon, dass unsere gewachsene, an demokratischer Reife gewonnene Gesellschaft einen entschiedenen Bruch mit diesen - im Kalten Krieg und im Antikommunismus - wurzelnden Strukturen ermöglicht und auch zwingend erfordert. Unsere grundlegende Zielrichtung besteht deshalb bekanntermaßen in der Abschaffung des Inlandsgeheimdienstes Verfassungsschutz.

Auf dem Weg dorthin wird zu entscheiden sein, welche staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen mit welchen demokratischen Institutionen und rechtsstaatlichen Verfahren an die Stelle des bisherigen Inlandsgeheimdienstes treten sollen. Auf dem Weg dorthin wird man auch im Sinne von Veränderungen im bestehenden Kontext über Reformschritte beraten können und müssen.

Sehr geehrte KollegInnen von Bündnis 90 / DIE GRÜNEN, aus den bisher genannten Gründen möchte ich insbesondere einen Punkt Ihres Gesetzentwurfes herausgreifen, der aus Sicht meiner Fraktion - selbst mit der Begründung eines Reformschrittes - höchst problematisch ist: Mit Ihrem Änderungsvorschlag zu § 7 Abs. 3 des Verfassungsschutzgesetzes beabsichtigen Sie, dass die PKK zukünftig im Einzelnen das Recht erhält, eine nachrichtendienstliche Maßnahme abbrechen zu lassen. Dazu sage ich Ihnen ganz klar, meine Fraktion befürwortet eine solche Befugnis ausdrücklich nicht.

Die nachrichtendienstliche Tätigkeit ist aufgrund der aktuellen Rechtslage die Domäne der Exekutive, die Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit der Landesregierung ist wiederum die Domäne des Landtages. Diese Rechtslage folgt dem Prinzip der Gewaltenteilung, und wir tun gut daran, dies zu beachten und dem Folge zu leisten. Und bevor hier die allbekannten Zwischenrufe aus den Reihen der CDU unter Verweis auf unsere nicht alleinige, aber besondere Verantwortung für das Scheitern der DDR kommen: Ja, auch und insbesondere aus diesem Zusammenhang leiten meine Partei und unsere Fraktion ihre Sicht und besondere Verantwortung für die Bewahrung derartiger Grundfesten des demokratischen Staates ab. Für uns ist das Verfassungsschutz im wahrsten Sinne des Wortes.  
 
Die dem Landtag zugewiesene demokratische Kontrolle des sachsen-anhaltischen Inlandsgeheimdienstes dient letztendlich auch der Machtbegrenzung des Verfassungsschutzes. Aber einem parlamentarischen Kontrollgremium die letztlich exekutive Entscheidung zukommen zu lassen, den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel im konkreten Einzelfall abzubrechen, geht nach meiner Auffassung von parlamentarischer Kontrolle doch weit über das Gebotene hinaus. Nach welchen Maßstäben, Auswahlmodalitäten oder auf welcher Grundlage soll die PKK im Einzelnen über konkrete Einsätze nachrichtendienstlicher Mittel bzw. dann deren Abbruch entscheiden und dafür die Verantwortung tragen?

Ich bin seit der letzten Wahlperiode in der PKK tätig. Und aus dieser Erfahrung heraus frage ich mich, wie ICH künftig verantwortungsbewusst und vor allem korrekt bewerten soll, welche Einsätze nachrichtendienstlicher Mittel ich abbrechen lassen will und welche nicht. Da fehlen mir als Parlamentarierin rein objektiv die Fachkompetenz und das entsprechende Wissen. Und auch hier bin ich auf das angewiesen, was mir die Abteilung 4 vorlegt.

Daher muss das die Verantwortung derer bleiben, die die Entscheidung über den Einsatz dieser Mittel getroffen haben: also des Leiters der Verfassungsschutzbehörde, der deshalb aus gutem Grund jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden kann und letztlich ist es die politische Verantwortung des zuständigen Staatssekretärs, des Innenministers und schließlich des Ministerpräsidenten.

Aus Sicht meiner Fraktion existieren effektive und wirkliche Kontrollen geheimdienstlicher Aktivitäten im Sinne von Grundrechtsschutz und Demokratie nicht. Auch die Ausweitung der Kontrollbefugnisse der Parlamente stellt kein echtes Gegengewicht dar. Parlamentarische Kontrollgremien können am grundsätzlichen Problem nichts ändern. Geheimdienste lassen sich nicht ernsthaft kontrollieren, ändern oder sogar verbessern. Sie entziehen sich qua Zuständigkeit selbst der parlamentarischen Kontrolle, insofern sie selbst darüber entscheiden, welche Informationen dem parlamentarischen Kontrollorgan übermittelt werden. Nur die schrittweise Auflösung des Verfassungsschutzes kann perspektivisch zu einer Lösung führen. DIE LINKE fordert deshalb in letzter Konsequenz die Auflösung der Verfassungsschutzbehörden.

Trotz aller grundsätzlichen Kritik beantragen wir die Überweisung des Gesetzentwurfes von Bündnis 90/ DIE GRÜNEN in den Innenausschuss, den Rechtsausschuss und den Finanzausschuss mit dem Ziel einer konstruktiven Diskussion im Sinne unserer Problemdarstellung und unseres Lösungsansatzes.