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Eva von Angern zu TOP 23: Gegen die Schließung eines Standortes der Rechtsmedizin

Der Alternativantrag der Koalition ist schon etwas ganz besonderes und aus unserer Sicht äußerst bemerkenswert. Er ist die weichgespülte Variante und eigentlich der blauäugige Versuch mittels Außenstelle angeblich zwei Standorte der Rechtsmedizin in Halle und Magdeburg zu erhalten. Doch will man wohl eher sehenden Auges das Sterben auf Raten eines Standortes der Rechtsmedizin (wahrscheinlich der Standort in Magdeburg) in Kauf nehmen.

Zum einen wiederholen auch Sie im vorliegenden Antrag, zumindest versuchsweise im Ansatz (sonst hätten wir es ja auch nicht mit einem Alternativantrag zu tun), was bereits im letzten Jahr durch das Parlament beschlossen wurde. Das ist auch gut so. Des Weiteren - und jetzt kommt das große „aber“ unsererseits - verabschieden Sie sich von der Beibehaltung eines Institutes an zwei annähernd gleichberechtigten Standorten.

Eine durch die Landesregierung angekündigte Außenstelle der Universitätsklinik Halle in Magdeburg in Form einer Prosektur für die Durchführung von Obduktionen wird sich letztendlich zum Wurmfortsatz entwickeln. Zum anderen - und damit meine ich ausdrücklich Punkt 3 des vorliegenden Alternativantrages - fordern Sie ein Verfahren bei der Landesregierung ein, das doch eigentlich selbstverständlich sein sollte.

Aber richtig, manchmal muss der Landtag der Landesregierung eben ganz konkret und deutlich mittels Beschluss sagen, dass die einzelnen Ressorts im Kabinett sich gegenseitig informieren, zusammen arbeiten und abstimmen sollten. Und das Erlebte im Umgang mit dem Thema Rechtsmedizin hat uns insbesondere in den letzten Wochen gezeigt, dass wir als Parlament im Sinne der Gewaltenteilung der Landesregierung klar machen müssen, wer Ross bzw. Stute und wer Reiter bzw. Reiterin ist.

Rein an der Sache bzw. Beschlusslage hinsichtlich des Erhalts zweier Standorte der Rechtsmedizin orientiert, könnte man meinen, dass die heute zur Debatte stehenden Anträge nicht erforderlich und damit eigentlich überflüssig sind. Und rein nur an der Sache orientiert, kann ich Ihnen sagen und bestätigen: Das stimmt. Wir befinden uns in einer Wiederholungsschleife. Der Landtag von Sachsen-Anhalt hatte nämlich am 20.07.2013 beschlossen, dass „die positive Entwicklung des rechtsmedizinischen Institutes unter der Maßgabe der Beibehaltung eines Institutes an zwei Standorten weiterzuführen ist.“

Nun könnte man meinen, damit ist und wäre alles gut. Der Auftrag des Parlaments an die Landesregierung ist klar formuliert. Die bisher vergangene Zeit - immerhin bereits ein Jahr - ist mehr als ausreichend, um das zur Umsetzung Erforderliche zu tun. Mit dem kommenden Doppelhaushalt besteht grundsätzlich die Chance, die rechtsmedizinischen Institute Halle und Magdeburg in ein sicheres Fahrwasser zu bringen und sowohl den am Institut Arbeitenden als auch Lehrenden und Studierenden die Gewissheit zu geben, dass ihre Arbeit qualitativ hochwertig und sowohl für die Lehre, als auch für die Strafverfolgung und -ermittlung in Sachsen-Anhalt unentbehrlich ist.

Doch weit gefehlt! Was bedeutet schon ein Beschluss des Landtages?

Diese Landesregierung - allen voran ihr Minister für Wissenschaft und Wirtschaft - hat entschieden, diesen Beschluss des Parlaments müssen wir nicht ernst nehmen.
„Wir, also das MWW, erarbeiten ein Konzept, welches wir für richtig halten. Der Landtag wird schon begreifen, dass seine Entscheidung - im Übrigen von ALLEN Fraktionen dieses Hauses getragen - die Falsche war. Da muss halt das Parlament seinen Beschluss wieder aufheben und ändern.“

Die Landesregierung in Gänze beschloss auf ihrer Klausur, dass es zukünftig nur noch einen Standort der Rechtsmedizin geben soll - auch wenn manch Anwesender oder Anwesende der Klausur den Beschluss nicht so recht mitbekommen (oder wohl eher aus seinem Gedächtnis verdrängt) hat.

Sehr geehrte Damen und Herren der Landesregierung, ist es das, was Sie unter einem respektvollen Umgang mit der Legislative verstehen?

Wenn ich an die letzte Sitzung des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung zurück denke, fehlt mir nicht nur der Respekt im Umgang mit dem Parlament, sondern mit dem Thema an sich. Da wird vom Wissenschaftsminister mal eben ein Konzept vom Vortag aus dem Ärmel gezogen, bei dem sich herausstellt, das weder die Justizministerin noch sämtliche im Raum befindliche Staatssekretäre des Innenministeriums, Sozialministeriums und des Finanzministeriums dieses kennen. Aber gut, das Ende des Streits, ob das Konzept überhaupt zwischen den Ressorts abstimmungspflichtig ist, wird wohl heute beschlossen werden.

Kommen wir aber zurück zum eigentlich Thema und zum vorgelegten Konzept. Erstaunlich ist, dass dem Konzept schon zu entnehmen ist, dass die derzeitigen Flächen der Toxikologie in Magdeburg bereits für anderes verplant sind. Wie kann das sein? Denn der Landtag seinerseits hatte immer den Erhalt beider Standorte öffentlich vertreten.
Im Übrigen fragt man sich, wer die vorhandenen Bedingungen an der MLU kennt, wo denn dort ab dem 01.01.2015 bzw. ab 2017 die Toxikologie arbeiten soll? Der Investitionsbedarf beträgt dort mehr als drei Millionen Euro. Bemerkenswerter Weise ist der Investitionsbedarf in Magdeburg laut Aussage im Konzept weder benenn- noch bezifferbar. Das hat schon einen merkwürdigen Beigeschmack.

Offen ist übrigens auch nach wie vor, welche Mehrkosten - bspw. durch erforderliche Transporte - für das Innen bzw. Justizministerium entstehen. Welche tatsächlichen Einsparungen werden beim Personal realisiert, wenn man davon ausgeht, dass das momentan tätige Personal jeweils Arbeitsverträge mit der Otto-von-Guericke Universität  bzw. mit der MLU hat und ggf. nicht gewillt ist, Änderungsverträge zu unterschreiben?

Unterm Strich soll laut Berechnungen des MWW die bisherige Unterfinanzierung der Rechtsmedizin von 1,1 Millionen Euro auf ca. 900.000 Euro gesenkt werden. Fragen über Fragen.

Positiv ist grundsätzlich, dass an den Gewaltschutzambulanzen festgehalten werden soll.
Wenn wir den Opferschutz jedoch tatsächlich ernst nehmen wollen, sollten wir den niedersächsischen Weg gehen und an jedem Standort eine Personalstelle hierfür vorhalten. Im Übrigen erklärt sich das derzeitige Defizit auch an dem - ja fast caritativen -Engagement der Rechtsmediziner. Die Begutachtung, sprich gerichtsfeste Dokumentation von Verletzungen und die Spurensicherung bspw. nach sexueller oder häuslicher Gewalt der Opfer findet ohne Kostenrechnung statt. In Niedersachsen wird dies vom Sozialministerium finanziert. In Sachsen-Anhalt wehren sich verständlicherweise die Kliniken gegen die Kostentragung, da weder Patientengelder noch Forschungsmittel oder Hochschulmittel hierfür vorhanden sind.

Insgesamt ist festzustellen, dass das, was uns hier als Konzept vorgelegt wurde, keinesfalls zu den erwünschten Kosten- bzw. Defizitsenkungen führen wird. Doch das ist der alleinige Grund für die strukturellen Änderungen. Aber eines sollte uns klar sein: die kostendeckende Arbeit der Rechtsmedizin im Jahr 2017 mit dem bisher vorliegenden Konzept ist eine Illusion. Dies wäre allenfalls über eine weitere Änderung des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz und auch durch eine finanzielle Kostenübernahme des Sozialministeriums bei den Gewaltopferuntersuchungen realisierbar.

Aus unserer Sicht ist klar zu sagen, wir streben keine Kostendeckung des Institutes an (das ist illusorisch und nicht machbar), sondern wir sehen hier selbstverständlich die öffentliche Hand in der Pflicht. Das Problem der Defizite bei den Kosten der Rechtsmedizin hat übrigens auch nicht nur Sachsen-Anhalt. Eine Aufstellung, die der Finanzausschuss vor zwei Jahren bekam, zeigt, dass es in allen Ländern nur mit Zuschuss läuft. Entscheidend ist für uns bei der Arbeit der Institute, dass diese ihren Beitrag zur Aufklärung von Verbrechen leisten und im Übrigen auch nicht ständig Verunsicherungen bei den MitarbeiterInnen durch vermeintliche Schließungspläne verursacht werden. Für uns alle ist selbstverständlich, dass weder ein Gericht, noch eine Staatsanwaltschaft oder eine Polizeistation kostendeckend arbeitet.

Nun haben wir hier mit einer besonderen Zuständigkeit, nämlich der Einbettung der Rechtsmedizin an den Unikliniken zu tun. Dennoch sage ich, verabschieden Sie sich vom Ansatz der Kostendeckung allein aus Kräften der Rechtsmedizin und lassen Sie uns gemeinsam gegenüber der Landesregierung den klaren Auftrag formulieren, darzustellen, wodurch welche Kosten an den Instituten entstehen und wer jeweils die finanzielle Verantwortung dafür trägt bzw. zukünftig zu tragen hat. Diese Verantwortung allein den Unikliniken oder dem Wirtschafts- und Wissenschaftsministeriums zuzuschieben, ist verantwortungslos. Ein Zuständigkeitsstreit hilft hier überhaupt nicht. Genauso wenig, wie ein Verstecken hinter den einzelnen Eckwerten der Ressorts. Denn Sie haben völlig Recht, wenn Sie schreiben, dass sowohl die hoheitlichen Aufgaben als auch Forschung und Lehre in hoher Qualität sicher gestellt sein müssen. Insofern nehmen wir uns und unsere Beschlüsse ernst und bekräftigen wir diese heute durch Zustimmung zu unserem Antrag.