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Eva von Angern zu TOP 2: Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2024 (Haushaltsgesetz 2004 ‐ HG 2024)

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Landesregierung legt uns heute am 7. September einen Haushalt vor, der von den Verantwortlichen an Superlativen nur so überschüttet wird. Wieder mal soll es ein Rekordhaushalt sein, der dazu noch die Schuldenbremse einhält und das Land „zukunftssicher“ machen soll. Das, meine Damen und Herren, wurde bei den letzten Haushaltsentwürfen auch jedes Mal behauptet. Allerdings war das Einzige, was 2022 und 2023 rekordverdächtig gewesen ist, die Verspätung, mit der die Entwürfe eingebracht und die Haushalte beschlossen werden konnten – mit all den Wirkungen für die Fördermittelempfänger.

Wir erinnern uns: Offensichtlich waren diese Verspätungen der Uneinigkeit innerhalb der Koalition geschuldet, die auch immer wieder während der Verhandlungen sichtbar wurden.Der Finanzminister ist in solchen Fällen der Nutznießer der Uneinigkeit: Er kann sparen. Wenn ein Haushalt erst im April oder Juni in Kraft tritt; das muss ich Ihnen allen nicht vorrechnen; sind weniger Auszahlungen möglich und der Haushalt wird zulasten der Zuwendungsempfänger und der öffentlichen Infrastruktur zurechtsaniert.Das alles will Finanzminister Richter bzw. die Landesregierung dieses Mal besser machen und auf den ersten Blick ist mit der Einbringung des Haushaltes im September zumindest die Grundlage geschaffen, pünktlich vor Jahresbeginn 2024 diesen auch zu beschließen. Auf den zweiten Blick wird dann aber deutlich, welchen Preis die Bürgerinnen und Bürger Sachsen-Anhalts dafür bezahlen sollen.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

dieser Haushalt ist nämlich alles andere als fertig. Die Globalen Minderausgaben bilden mit 432 Millionen Euro fast 3% des Gesamthaushaltsvolumens. Das muss ich vielleicht kurz erklären für alle, die keine Finanzexperten sind: Globale Minderausgaben sind Sparvorgaben, bei denen sich die Koalition aber noch nicht einigen konnte, wo genau gespart werden soll. Fast 3 %, das ist wirklich rekordverdächtig, aber nicht im guten Sinne. Korrekt, Herr Heuer, 3 % sind definitiv zu viel! Globale Minderausgaben sind auch in Sachsen-Anhalt kein neues Instrument. Sie liegen allerdings normalerweise irgendwo zwischen 1 und 2 %.

Diesmal sind es aber fast 3% und damit vermutlich sogar über der Grenze dessen, was die Verfassung überhaupt erlaubt. Unterm Strich bleibt: Sie konnten sich nicht einigen, hoffen vielleicht entgegen der Prognosen der Wirtschaftsweisen auf unerwartete Steuereinnahmen. Hoffnung ist etwas Schönes, aber eben nicht planbar. Eine Steuerreform zugunsten der Länder ist aufgrund der Verweigerungshaltung der FDP im Bund allerdings nicht in Sicht und die Menschen in unserem Land wissen nicht, was auf sie zukommt. Haushaltsklarheit und -wahrheit sieht anders aus.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich bin der Meinung, dass Sie jetzt die Verantwortung haben, den Menschen in unserem Land zu sagen, wo Sie sparen wollen. Es geht hier nicht um das Stillen meiner Neugier, sondern darum, dass die Menschen in unserem Land ein Recht auf diese Transparenz haben. Insofern bedaure ich um so mehr, dass die CDU-Fraktion die Aktuelle Debatte „Demokratische Prozesse brauchen Achtung, Respekt und Akzeptanz“ zurückgezogen hat.

Ich hätte diese nicht genutzt, um mit Ihnen über die Schwindeleien Ihres Landtagspräsidenten zu diskutieren, sondern über die Verantwortung, die auch Sie als Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben. Die Debatte um den Haushalt wird begleitet von der fast unfassbaren Idee, für die öffentliche Verwaltung einen Einstellungsstopp bis zum 31. Mai 2024 zu veranlassen um 19 Millionen Euro einzusparen. Die Ministerien konnten noch bis zum 31. Juli dieses Jahres ausschreiben und zu diesem Zeitpunkt waren plötzlich über 300 Stellen im Landesportal online.  

Über 300 Stellen die alle aus demselben Personalpool schöpfen. Wie soll das gehen? Die Verwaltung jagt sich damit gegenseitig die Fachkräfte ab. Am Ende bleiben Stellen unbesetzt und dann tritt der Einstellungsstopp in Kraft. Diejenigen, die erst 2024 mit dem Studium fertig sind oder einen Job suchen, gehen leer aus. Ich wüsste da gern vom Finanzminister, was er sich vorstellt, was die Bewerberinnen und Bewerber in der Zeit machen?

Tee trinken und Socken stricken? Nein, die meisten werden sich anderweitig, das heißt anderswo, bewerben. Sie sind wahrscheinlich für unseren Arbeitsmarkt verloren, denn gut ausgebildete Leute werden bundesweit gesucht. (Sogar Ostdeutsche und Frauen.) Vermutlich wird Sachsen-Anhalt bis auf weiteres kein kompetentes Fachpersonal in IT, Bau und Medizin anziehen können.

Ich sage: DANKE für nichts! Das ist genau der Stillstand, den ich dem Ministerpräsidenten vorwerfe. Er ist als MP aber nicht für Stillstand, sondern für Entwicklung im Interesse der Menschen unseres Landes verantwortlich und verpflichtet.

Der leise Verdacht drängt sich auf, dass CDU, SPD und FDP keine Koalition der Zukunft, sondern eine des Stillstands, des Phlegmas ist.

…und daher ein klares NEIN, ich kann diese bundesweit erste Deutschlandkoalition (oder Mickymauskoalition?) nicht zum Nachahmen empfehlen.

Zurück zum Personal: Sie hinterlassen in meiner Fraktion nicht den Eindruck, auch nur ansatzweise einen Überblick zu haben, wo Über- oder Unterkapazitäten bei ihrem Personal bestehen. Sie müssen dringend diesen Überblick bekommen. Erstellen Sie ein zukunftsfähiges Personalentwicklungskonzept! Finden Sie heraus, wer in Ihren Behörden was macht und wie sich die Aufgaben der Verwaltung in den letzten Jahren verändert haben. Dann können Sie eine seriöse Finanz- und Personalplanung vornehmen. Das ist ausdrücklich Ihr Job als Landesregierung. Gerade in Zeiten der sich überlagernden globalen Krisen, darf der Staat sich nicht dünne machen.

Kurz- oder mittelfristig steigende Zinsen dürfen nicht als Rechtfertigung dienen, den Rechten Demagogen unsere Demokratie auf dem Silbertablett zu servieren.

Das tut man aber und da spreche ich jetzt ausdrücklich SPD und FDP an, wenn man Programmen zur politischen Bildung, zur Gewalt- und Radikalisierungsprävention die Mittel streicht. Das ist, was der Bund aktuell betreibt, indem er: der Bundeszentrale für politische Bildung 20 Millionen streicht die Zuschüsse für HateAid, für die Amadeu-Antonio-Stiftung und das Anne-Frank-Zentrum kürzt bzw. streicht. Einsparungen in Höhe von 25 Millionen bei den Freiwilligendiensten sind ein grober Fehler! 2,8 Millionen Einsparungen bei den Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch von Kindern machen mich fast sprachlos. Was ist das für ein Signal in Berlin? Die AWO skandiert nicht ohne Grund in den sozialen Medien: „Der letzte macht das Licht aus“ gegen den Sparhaushalt des Bundes. Der Bundeshaushalt 2024 sieht einen Kahlschlag im sozialen Bereich vor.  Stattdessen plant der Bund nach dem 100 Milliarden Subventionspaket für die deutsche Rüstungsindustrie weitere 17 Millionen mehr für den Verteidigungshaushalt ein. Wenn die Landesregierung wirklich etwas für die Stärkung demokratischer Kultur in Sachsen-Anhalt tun möchte, könnte sie da ansetzen und diesen Wegfall der Mittel kompensieren. Noch besser wäre es natürlich, wenn unsere geschätzten Kollegen von SPD und FDP sich bei ihren Ampelkollegen im Bund dafür einsetzen, dass es nicht erst so weit kommt. Sie sind doch nah dran, Sie wissen genau, was all diese Einsparungen für die Menschen vor Ort bedeuten und Sie wissen auch, dass wir schon jetzt jeden, der nicht bei drei auf dem Baum ist, anflehen müssen, für ein kommunales Mandat zur Wahl am 9. Juni 2024 anzutreten.

Das ist der letzte Landeshaushalt vor den Kommunalwahlen 2024 und Sie entscheiden, welches Signal an die kommunalen Vertreterinnen ausgesandt werden. Sie entscheiden, ob unsere kommunalen Mandatsträgerinnen in ihrer Sorge bestärkt werden, nur noch über die Erhöhung von Kita- und Friedhofsgebühren entscheiden zu können oder ob sie noch Spielraum für die Gestaltung lebenswerter Kommunen haben.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Zudem ist das Armutsrisiko in Sachsen-Anhalt weiterhin eklatant höher als im Durchschnitt der Bundesrepublik, höher als im Rest von Ostdeutschland. Das ist alarmierend, insbesondere wenn man sich anschaut, wer zuerst davon betroffen ist.  Mehr als die Hälfte der Alleinerziehenden Menschen in unserem Land sind von Armut betroffen, das belegen Zahlen des Statistischen Bundesamtes und das ist seit vielen Jahren so. Diese Zahlen verändern sich aktuell von Jahr zu Jahr nicht mehr sonderlich aber sie pendeln sich auf einem sehr hohen Niveau ein.  Das höchste Armutsrisiko besteht für Alleinerziehende, junge Erwachsene, Erwerbslose und Menschen mit Migrationsgeschichte. Morgen reden wir im Rahmen unserer Aktuellen Debatte darüber, dass jeder und jede gebraucht wird. Wir können es uns wirtschaftlich und auch fiskalisch nicht mehr leisten, auch nur ein Kind in Armut zurückzulassen!

Genau deshalb kämpfen wir als LINKE hier in Sachsen-Anhalt inzwischen seit Jahrzehnten für eine bessere Kinderbetreuung, für bessere Bildungschancen in Schulen, die nicht aussortieren, sondern alle Kinder in ihren Kompetenzen stärken. Dafür brauchen wir motivierte Lehrkräfte, aber eben auch Schulsozialarbeit an allen Schulen. Ringen Sie sich endlich zu einem Landesprogramm für die Schulsozialarbeit durch. Es ist längst überfällig! Um es vielleicht in neoliberaler Denklogik zu übersetzen: Jeder Euro in Bildung ist das sicherste Investment.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

die unsägliche Debatte um die Kindergrundsicherung ist das Eine. Das andere ist und da zitiere ich kurz und bündig die Präsidentin des DKSB, Frau Prof. Andresen: „Das, was die Bundesregierung vorschlägt, ist enttäuschend. Das ist keine Kindergrundsicherung.“ Korrekt.  …und ich sage Ihnen: das ist genau der falsche Punkt zum Sparen, der falsche Punkt, um gegenüber Christian Lindner einzuknicken und viele Kinder, Jugendliche und Heranwachsende in Sachsen-Anhalt sind die Leidtragenden dieser Entscheidung.In der Haushaltsdebatte des Bundestages konnte man aus den Rängen der Ampel viel über eine angebliche Normalisierung der Lage hören. Angeblich könnten die Vorgaben der sogenannten Schuldenbremse wieder eingehalten werden, weil sich alles wieder auf Normal einpendle. Auch hier im Haus gibt es etliche Fans der schwarzen Null. Immerhin, liebe Kolleginnen von SPD und FDP, lobt Sie sogar Nikolaus Blome mit den Worten, „dass ab sofort wieder vernünftig Politik gemacht wird.“

Na herzlichen Glückwunsch!

Ich erinnere mich „gerne“ an seine Aussage, dass es keinen Gender Pay Gap gäbe, wenn Frauen eben die richtigen Berufe wählen würden.

Mann, Mann, Mann….

Ich muss mich wirklich fragen, in welcher Welt die Bundesregierung lebt.

 

Die Inflationsrate mag aktuell wieder sinken, aber das Preisniveau stabilisiert sich dennoch aus Sicht der Geringverdiener (Mehrheit der Menschen in unserem Land) auf einem extrem hohen Niveau. Und wissen Sie, was da nicht mit angehoben wurde? Die Einkommen der Menschen. Die höheren Erlöse kommen fast ausschließlich den Aktionären aus Industrie und Handel zugute. Und genau da will der Bundesfinanzminister noch die Steuern senken! Bei den Unternehmen!

Meine Damen und Herren,

ich frage Sie, wie man das den Menschen in Sachsen-Anhalt und der Bundesrepublik erklären soll. Bürgergeld, Mindestlohnerhöhung und Kindergrundsicherung sind die reinsten Mogelpackungen, die den ärmsten Haushalten im Land kaum zum Leben reichen, auf jeden Fall nicht vor Armut schützen und nach den Rekord-Dividenden der letzten Jahre sollen nun auch noch die Unternehmenssteuern gesenkt werden.

Ich finde das absolut nicht nachvollziehbar und es geht bestimmt nicht nur mir so. Die Haushaltsberatungen im Parlament gehen nun los. Wir werden uns nicht nur im Finanzausschuss, sondern auch in den Fachausschüssen engagiert daran beteiligen. Wir werden u.a. die Schulsozialarbeit im Land verteidigen, die Gesundheitsversorgung und dabei die KKH-Finanzierung und den  Fachärztemangel im Fokus haben und selbstverständlich all die Vereine und Verbände, die das Leben in Sachsen-Anhalt kulturell, sozial lebenswert machen.

Da in der Wirtschaftspolitik nicht nur die Big Player im Vordergrund stehen dürfen, sagen wir deutlich: wir unterstützen die KMU, denn sie sind das Rückgrat des Landes.

Und abschließend fordere ich Sie auf:

Sorgen Sie dafür, dass die Kommunen aufgabengerecht finanziert werden und nicht nur den Mangel verwalten müssen! Sorgen Sie für Haushaltsklarheit- und Wahrheit und verkaufen die Menschen nicht weiter für dumm! Erarbeiten Sie ein Personalentwicklungskonzept für unser Land, dass seinen Namen verdient und vor allem den Menschen in unserem Land dient! Setzen Sie sich im Interesse der Kinder und Jugendlichen in unserem Land für eine Echte Kindergrundsicherung im Bund ein! Und nicht zuletzt: Wir brauchen eine echte Steuerreform: Vermögenssteuer, Erbschafts- und Schenkungssteuer. Das stellt unser Land langfristig auf starke finanzielle Füße.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit