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Eva von Angern zu TOP 16: Entwurf eines Gesetzes über das Verbot der Gesichtsverschleierung im öffentlichen Raum des Landes Sachsen-Anhalt

Gegenstand der heutigen Beratung ist der von der AfD eingebrachte Gesetzentwurf über das Verbot der Gesichtsverschleierung im öffentlichen Raum des Landes Sachsen-Anhalt. Dieser Gesetzentwurf wird am heutigen Tag nahezu wortgleich auch in den Landtag von Sachsen eingebracht, und ich gehe davon aus, dass er auch dort eine ähnliche Behandlung erfahren wird.

Ich nehme meine grundsätzliche rechtliche Einschätzung zu diesem Gesetzentwurf vorweg: Der vorliegende Gesetzentwurf ist sowohl formell als auch materiell verfassungswidrig und wird daher von meiner Fraktion selbstverständlich abgelehnt.

Er ist zum einen formell verfassungswidrig, weil die Zuständigkeit und der gewünschte Regelungsgegenstand nicht beim Land und damit nicht beim Landesgesetzgeber liegen. Und er ist zum anderen materiell verfassungswidrig, weil er entgegen Ihrer Behauptung in der vorliegenden Begründung sehr wohl in die durch Art. 4 des Grundgesetzes sowie Art. 9 Landesverfassung Sachsen-Anhalt garantierte Religionsfreiheit unverhältnismäßig eingreift.

Die Religionsfreiheit wird vom Grundgesetz vorbehaltlos gewährt, kann also durch ein einfaches Gesetz nicht eingeschränkt werden. Die Religionsfreiheit umfasst das Recht, sich eine Religion zu bilden und zu haben, seine Religion zu bekennen und nach seiner religiösen Überzeugung zu leben. Jeder und jede darf sein Verhalten somit ganz und gar an seinem/ihrem Glauben ausrichten. Der Staat darf niemanden wegen dieses Glaubens verfolgen, auch grundsätzlich keinen Einfluss auf weltanschauliche Überzeugungen nehmen. Unter den Schutz des Grundrechtes der Religionsfreiheit fällt damit nicht nur der private Glauben, sondern auch das öffentliche Bekenntnis zu der eigenen Religion. Und ich bin mir ganz sicher, dass kein Urteil des Bundesverfassungsgerichts existiert, welches die Faschingszeit oder die Folgen einer einzelnen Jahreszeit über die Religionsfreiheit stellt.

Der Grundsatz der staatlichen Neutralität gegenüber den verschiedenen Religionen ist ein ganz wesentlicher. Er sichert die friedliche Koexistenz der verschiedenen religiösen Überzeugungen.

Ihr Gesetzentwurf ist auch im Sinne des „juristischen Handwerkes“ mehr als schlechtgemacht, denn:

Wie ist „winterliche Kälte“ juristisch definiert?
Was ist mit dem Tragen eines Gesichtsschutzes z. B. beim Sport?
Was ist mit dem Tragen eines Schleiers bei einer standesamtlichen Hochzeit? Und, und, und.....

Jetzt könnte ich eigentlich meinen Redebeitrag beenden, wenn da nicht die Forderungen der CDU und ihrer Innenminister in der Öffentlichkeit bzw. Ihre eigentliche Motivation für das Einbringen des vorliegenden Gesetzentwurfes wären. So haben sich die Innenminister der Union darauf geeinigt, die Vollverschleierung in bestimmten Bereichen zu verbieten. De Maiziere sagte in diesem Zusammenhang: „Wir lehnen einhellig die Burka ab, sie passt nicht zu unserem weltoffenen Land.“

Ja, laut Umfragen befürworten ca. 80 % der Menschen in Deutschland ein solches Verbot.
Doch auch Sie, meine Damen und Herren von der AfD, haben als Teil eines Verfassungsorganes die Pflicht und Verantwortung, genau diese Verfassung zu verteidigen.

Und genau hier wird deutlich, welche Geistes Kind Sie sind. Sie schüren Ängste gegen Fremde und Fremdes. Sie erwecken mit Ihren Aktionen den Eindruck, der IS-Terror habe unter anderem seinem Ursprung im Tragen einer Burka. Absurd!

Mit solchen Scheindebatten, die Sie anzetteln und mit solchen abstrusen Verboten rüsten wir in Deutschland auf und nicht ab. Und jeder weiß, dass ein Aufrüsten noch nie Frieden hergestellt oder bewahrt hat.

Ich bin neben der Rechtspolitik in meiner Fraktion auch für die Gleichstellungspolitik zuständig.
Und wenn ich nicht wüsste, dass die AFD frauenfeindlich und homophob ist, hätte ich ihr vielleicht ein gleichstellungspolitisches Ansinnen mit diesem Gesetzentwurf unterstellt. Das ist natürlich absurd.

Und all jenen in diesem Haus, die ich durchaus für gleichstellungspolitische Gedanken offen einschätze, möchte ich klar sagen: Wer Frauen das Tragen der Burka verbieten will, kann sie auch gleich unter Hausarrest stellen. Eine Frau, die aus religiöser Überzeugung eine Burka oder einen Nikab trägt, wird ihre Wohnung nicht ohne diese verlassen. Und wer Burkas aus Schutzgründen verbieten will, sollte über ein generelles Kleidungsverbot nachdenken.

Wir leben in einer freiheitlichen Demokratie und die im Grundgesetz festgeschrieben Grundrechte sind ein hohes Gut, das es zu verteidigen gilt. Meines Erachtens ist es unsere Aufgaben, allen zu uns kommenden Menschen diese Grundrechte bekannt zu machen. Frauen müssen wissen, dass sie sich in Deutschland auch gegen das Tragen der Burka entscheiden können. Doch die Religionsfreiheit sagt eben auch, dass sie sich für das Tragen der Burka entscheiden können. Genau in dieser Entscheidungsfreiheit sollten wir Frauen stärken. Das entspricht dem grundrechtlich garantierten Staatsziel der Gleichstellung von Mann und Frau und dem Garantiegehalt der Menschenwürde. Jeder Mensch soll befähigt sein, sich selbst zu bestimmen und zu entfalten. Diese Auffassung teilt auch ausdrücklich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

Eine Befreiung durch ein Verbot ist unmöglich. Sie können sich sehr gern allesamt für die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern einsetzen, indem Sie sich für Lohngleichheit, für mehr Frauen in Führungspositionen oder auch für einen besseren Schutz von Frauen vor Gewalt einsetzen. Alles andere schürt nur Ressentiments und hat ausdrücklich nichts mit Gleichstellungspolitik zu tun.