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Eva von Angern zu TOP 11: Entwurf eines Gesetzes zum Beitritt des Landes Sachsen-Anhalt zum Staatsvertrag der Länder ... über die Einrichtung einer Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder

Meine Fraktion wird heute der Überweisung dieses Gesetzentwurfes in den Ausschuss zustimmen. Aber ich kann Ihnen jetzt schon sagen, wir werden letztlich auch nur der Überweisung zustimmen. Der Grund dafür, dass wir der Überweisung zustimmen lautet, dass wir im Ausschuss eine Anhörung zu dem Gesetzentwurf beantragen werden, die die Landesregierung bisher nicht durchgeführt hat.  

Natürlich haben wir als Landtag wenig Spielraum. Wir können entweder Ja oder Nein zur Unterzeichnung dieses Staatsvertrages sagen. Aber es ist ganz wichtig, dass wir im Ausschuss eine Anhörung durchführen. Denn der Datenschutzbeauftragte des Landes ist nicht einmal im Rahmen eines schriftlichen Anhörungsverfahrens angehört worden. Als Begründung dafür wurde im Gesetzentwurf angeführt, es seien keine Belange Dritter berührt. Ich denke, das ist nicht korrekt. Es geht bei der Erhebung von Daten bzw. ganz klar bei der Beobachtung von Menschen sehr wohl um datenschutzrechtliche Belange; und diese sind auch nicht nur berührt.  

Ich möchte auch auf das hinweisen, was der Datenschutzbeauftragte in seinem letzten Bericht zum Ausdruck brachte: Es ist eine Rechtsmaterie, die auf sehr wackligen Beinen steht. Wir haben noch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu erwarten.  

Wir als Land begeben uns natürlich auch hier in das hessische Landesrecht hinein. Das sollten wir uns im Ausschuss durchaus intensiv anschauen. Die Ministerin verwies darauf, dass sich das Hohe Haus bereits mit dem Thema elektronische Fußfessel beschäftigt habe. Aber der jetzige Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung hat dies noch nicht getan. Wir haben im Rahmen der Diskussion selbstverständlich auch darüber zu reden, wie es sich überhaupt mit unserer Meinung zur so genannten elektronischen Fußfessel verhält. Es ist richtig, es ist eine Bundesregelung im Strafgesetzbuch, die wir umzusetzen haben. Aber ich denke, dass wir uns sehr wohl die konkreten Abläufe und die im Gesetzentwurf benannten Ziele, die mit der so genannten elektronischen Fußfessel verfolgt werden, anzuschauen haben.

Der Gesetzentwurf selbst spricht davon, dass es um den Schutz der Bevölkerung vor rückfallgefährdeten Straftätern gehe. Es geht um die Stärkung der Selbstkontrolle der Verurteilten und um eine Hilfestellung zur Resozialisierung. Ich denke, das müssen wir uns dringend sehr genau ansehen und darüber diskutieren. Sie haben schon aus dem von der Ministerin genannten Ablauf gehört, dass es sich hierbei um einen massiven Eingriff in die Grundrechte handelt. Auch wenn wir im Ausschuss und in der zweiten Lesung zu diesem Gesetzentwurf nicht über die elektronische Fußfessel dem Grunde nach entscheiden, so sollten wir uns die Überwachungsstelle dennoch sehr intensiv anschauen.

Es ist nichts Neues, dass DIE LINKE das Konstrukt und den Einsatz der so genannten elektronischen Fußfessel ablehnt. Wir sagen ganz klar: Die elektronische Fußfessel ist ein Zwangsmittel, das mit der Menschenwürde nicht vereinbar ist.  Die elektronische Fußfessel bedeutet eine Totalüberwachung, die in einer freiheitlich basierten Gesellschaft nicht zugelassen werden darf. Sie erschwert im Gegensatz zu dem, was in der Begründung zu dem Gesetzentwurf steht, die Resozialisierung von Menschen. Denn freigelassene überwachte Menschen fühlen sich nicht frei und verhalten sich dann auch nicht so.  

Die elektronische Fußfessel ist natürlich auch eine zusätzliche Bestrafung für jemanden, der seine Strafe bereits verbüßt hat. Ich verweise darauf, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Zusammenhang mit der Sicherungsverwahrung eben noch nicht über das Konstrukt der elektronischen Fußfessel entschieden hat. Ich bin gespannt, was diesbezüglich in Zukunft noch auf uns zukommt.  

Darüber hinaus ist die Effektivität der elektronischen Fußfessel sehr fraglich. Eine Aufenthaltsbestimmung verhindert keinerlei Straftaten. Hinzu kommt, dass die Durchsetzung von Aufenthaltsverboten beispielsweise in der Nähe von Kitas oder Schulen insbesondere in Großstädten schwer bzw. gar nicht umsetzbar ist.  

Ähnlich argumentiert im Übrigen auch die Gewerkschaft der Polizei auf der Bundesebene. Sie lehnt die elektronische Fußfessel ganz klar ab. Sie hält es übrigens auch für eine riskante Beruhigungspille und ein hohes Wagnis, das die Länder eingehen.  
Sie weist darauf hin, dass elektronische Fußfesseln eben nicht warnen, wenn eine Straftat begangen wird. Und sie tun dies erst recht nicht, wenn Straftaten im zulässigen Aufenthaltsbereich geschehen. Wenn ein ehemaliger Straftäter dort, wo er sich laut Gerichtsbeschluss aufhalten darf, eine Straftat begeht, passiert nichts. Es gibt auch keinen Vibrationsalarm. Selbst wenn eine Reaktion ausgelöst wird, dauert es im Regelfall viel zu lange, bis die Polizei vor Ort ist und reagieren oder gar die Straftat verhindern kann. DIE LINKE stimmt diesen Aussagen der Gewerkschaft der Polizei zu. Die elektronische Fußfessel ist eine Scheinlösung, die uns von tatsächlichen und ganz konkreten Handlungsspielräumen bzw. Handlungsnotwendigkeiten ablenkt.

Ich sage es nicht zum ersten Mal: Wir müssen schauen, was in den Strafvollzugsanstalten in Sachsen-Anhalt geschieht. Wir brauchen motiviertes, ausreichend junges Personal in den Strafvollzugsanstalten. Resozialisierung beginnt nicht mit dem Fuß außerhalb der Justizvollzugsanstalt, sondern schon vorher. Ich halte es für grob fahrlässig, wenn man genau das nicht beachtet.