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Eva von Angern zu TOP 09: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Justizvollzugsanstalten in Sachsen-Anhalt

Nun ist es am 1. Oktober dieses Jahres soweit: Das Vorhaben, das die Landesregierung bereits zu Beginn der Wahlperiode ankündigt hat, namentlich die JVA-Strukturreform, geht mit der Schießung der JVA Dessau (zumindest hinsichtlich des geschlossenen Vollzuges) in die nächste Etappe. Bereits zu Beginn der Wahlperiode - und ich erinnere Sie gern daran, dass auch zu dieser Zeit bereits eine Koalition aus CDU und SPD bestand - diskutierten alle Fraktionen dieses Hauses zunächst mit der Arbeitsebene des Justizministeriums über den Rückgang der Gefangenen entgegen früherer Erwartungen und Prognosen, über die bestehenden gravierenden Personalprobleme und über einen möglichen Drei-Standort-Vollzug in Sachsen-Anhalt.

Und eben weil die Diskussionen inhaltlich schon sehr konkret geführt worden sind, und eben weil man im parlamentarischen Raum durchaus den Eindruck haben konnte, besser haben musste, dass das alles ernst gemeint war, forderte meine Fraktion schon frühzeitig, den zweiten nicht vor dem ersten Schritt zu machen.

Wir forderten zunächst vordergründig über Inhalte zu reden. Wir forderten eine Verständigung darüber, wie Strafvollzug in Sachsen-Anhalt in Zukunft modern und mit einem vordergründigen Resozialisierungsziel konzeptionell ausgestaltet werden kann und muss. Aber weit gefehlt. Das Pferd wurde vom Schwanz aus aufgezäumt.

Wir hielten und wir halten es nach wie vor für einen grundlegenden Fehler, dass dieses hohe Haus erst über die Strukturen und dann über Inhalte -namentlich in Form des vorliegenden und noch zu beschließenden Strafvollzugsgesetzbuches - diskutiert und entscheidet. Genaugenommen sollte vor der Strukturentscheidung noch eine weitere, folgende Entscheidung fallen bzw. hätte fallen müssen: die Entscheidung bzw. die Antwort auf die Frage, wie viel Personal müssen,  können und ja auch wollen wir uns im Strafvollzug leisten. Bzw. wie viel Strafvollzugsbedienstete brauchen wir, um einen Strafvollzug zu gestalten, der den modernen Anforderungen an einen Resozialisierungsstrafvollzug gerecht wird.

Nicht mehr und nicht weniger können im Übrigen auch die Bürgerinnen und Bürger von Sachsen-Anhalt von uns verlangen, die verständlicherweise auch ein großes Interesse an ihrer Sicherheit haben. Doch davor haben wir uns alle mit jedem Haushaltsbeschluss in diesem Haus gedrückt. Auch die Ministerin, für die die Zahlen des PEK (Personalentwicklungskonzept) das „Non plus ultra“ stets waren. Es gab nie Forderungen nach Personalaufwuchs, Kompensationsmöglichkeiten sah man bzw. Frau nur in Personalverschiebungen. Aber dafür sind halt letztendlich JVA-Schließungen nötig und stehen und standen auf der Tagesordnung.

Quasi ist die Entscheidung allerdings sehr wohl gefallen. Die Ministerin hat trotz anders lautender Darstellungen gegenüber der Enquetekommission der letzten Wahlperiode das Personalentwicklungskonzept im Kabinett abgenickt und hat obwohl der Schuh massiv drückte, was insbesondere in der Anhörung zu diesem Gesetzentwurf seitens der Bediensteten deutlich gemacht wurde, zu keiner Zeit ernsthaft das PEK in Frage gestellt.
Und auch die Rufe aus den Koalitionsfraktionen verhallten im Nichts.

Der Neueinstellungskorridor der nächsten Jahre wird das Problem nicht lösen. Zu lange ist gewartet worden. Zu hoch ist der Altersdurchschnitt im Allgemeinen Vollzugsdienst. Zu hoch sind die Belastungen und die damit einhergehenden Krankentage bzw. Schichtuntauglichkeitsmeldungen. Diese Last haben die Bediensteten allein zu tragen.

Und wer nochmal die letzte Anhörung in Ruhe Revue passieren lässt, bemerkt schnell: Es ist nicht fünf vor zwölf. Es ist fünf nach zwölf. Das ist im Übrigen auch der Grund, warum ich meiner Fraktion letztendlich empfohlen habe, diesem Gesetzentwurf trotz massiver fachlicher Zweifel zuzustimmen. Es ist eine Zustimmungsempfehlung mit erheblichen Bauchschmerzen. Und nicht jede und jeder meiner Fraktion kann diese Zustimmung am heutigen Tag teilen. Es gibt jedoch aus meiner Sicht keine andere Möglichkeit, um für einen gewissen Zeitraum eine Entlastung für die Bediensteten zu schaffen. Und sehr geehrte Frau Ministerin, dafür tragen vor allem Sie, aber auch der Ministerpräsident dieses Landes die Verantwortung.

Denn Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident verkündeten in ihrer Regierungserklärung im Jahr 2014 noch vor der Sommerpause, dass am Ziel der Landesregierung, dem Drei-Standort-Vollzug, festgehalten wird. Doch Sie haben es tatsächlich fertig gebracht, Ihren Gesetzentwurf hierzu erst nach dem letzten regulären Haushalt dieser Koalition in der Wahlperiode einzubringen. Insofern war schon zu diesem Zeitpunkt mit hoher Wahrscheinlichkeit absehbar, dass dieser Gesetzentwurf diesen Landtag nicht so verlassen wird, wie er hineingekommen ist. Sehr geehrte Koalitionäre, Sie haben mit diesem Trauerspiel einmal mehr gezeigt, dass diese Koalition ausgedient hat, weil sie diesem Land, ihren Menschen keine langfristigen Perspektiven aufzeigt. Viele Wege enden leider in einer Sackgasse. Diese Regierung ist ein Auslaufmodell.
Und ja, das lässt sich eben auch an einer Entscheidung wie dieser über eine Schließung eines Gefängnisses fest machen.

Meine Fraktion stellt bekanntermaßen nicht die Regierung. Leider und noch nicht. Daher kann ich schon jetzt offen darstellen, dass aufgrund meiner dargelegten Bedenken nur ein Teil meiner Fraktion dem Gesetzentwurf zustimmen wird. Es wird des Weiteren Gegenstimmen aber auch Enthaltungen geben.