Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

Eva von Angern zu TOP 06: Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Justizvollzuges in Sachsen-Anhalt

Die Änderungen der Landschaft der Justizvollzugsanstalten in Sachsen-Anhalten - in Form von Umstrukturierungen und Schließungen - sind inzwischen (auch mit unseren Stimmen) schon längst auf den Weg gebracht. Die Strukturen stehen damit, zumindest vorerst.

Nun wird mit dem heutigen Tag, immerhin 9 Jahre nach der Föderalismusreform, erstmalig auf der Landesebene in Sachsen-Anhalt der Strafvollzug auch inhaltlich geregelt. Ob damit tatsächlich Weichen für einen modernen Strafvollzug in Gänze gestellt werden, mag ich zumindest anzweifeln.

Wie ich bereits in meiner Rede zur ersten Lesung zum Gesetzentwurf erwähnte, weicht der vorliegende Gesetzentwurf vom bisherigen Musterentwurf der Bundesländer an einigen Stellen und meiner Fraktion vor allem wichtigen Stellen deutlich ab.

Mir sind dabei zwei Punkte besonders wichtig, wo es deutliche Differenzen zu anderen Bundesländern gibt.

Leider wurden im Prozess der parlamentarischen Beratung diesbezüglich auch keine Änderungen vorgenommen, ein Änderungsantrag meiner Fraktion - gestellt im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung - fand keine Mehrheit.
Strafgefangene in Sachsen-Anhalt werden zunächst grundsätzlich im geschlossenen Vollzug untergebracht, um ihre Eignung für den offenen Vollzug sachgerecht prüfen zu können.

Und: Sachsen-Anhalt behält die Arbeitspflicht für erwachsene Strafgefangene und Jugendliche im Justizvollzug bei. Diese gesetzliche Regelung ist für meine Fraktion von grundlegender Bedeutung und Entscheidung und kann so nicht mitgetragen werden. Deshalb haben wir im Ausschuss auch einen entsprechenden Änderungsantrag gestellt. Leider durch die Mehrheit der Ausschussmitglieder abgelehnt.

Dabei vertreten wir folgende Auffassung: Arbeit muss dem Angleichungsgrundsatz Rechnung tragend, freiwillig sein. Von der Aufnahme einer allgemeinen Arbeitspflicht für Straf- und Jugendstrafgefangene soll unserer Ansicht nach abgesehen werden, da stattdessen der gezielte Einsatz individueller Arbeitsmaßnahmen, welcher der Resozialisierung stärker Rechnung trägt, im Vordergrund stehen muss.

Untersuchungsgefangene können schon wegen der Unschuldsvermutung nicht zur Arbeit verpflichtet werden, jedoch muss ihnen im Interesse einer sinnvollen Haftgestaltung soweit wie möglich Arbeit angeboten oder Gelegenheit zur Beschäftigung gegeben werden.

Die vorgesehene Zuweisung einer Arbeit ermöglicht es den Gefangenen, Geld für die Erfüllung von Unterhaltsverpflichtungen, den Schuldenabbau, den Ausgleich der Tatfolgen oder den Einkauf zu verdienen.

Auch wenn Arbeit im Gegensatz zu Arbeitstraining und arbeitstherapeutischen Maßnahmen keiner spezifisch behandlerischen Zielsetzung dient, so werden hierdurch doch positive Effekte für die Resozialisierung und die Eingliederung erzielt, da die Gefangenen einen strukturierten, ausgefüllten Tag haben und ihre Arbeit als sinnvoll erleben.

Mit Blick auf die Erfahrungen in Mecklenburg Vorpommern und Brandenburg kann ich uns nur dazu ermuntern, diesen Weg zu gehen. Dort wird es mit Erfolg, mit einer hohen Arbeitsquote und vor allem - weil von Anfang am Resozialisierungsziel orientiert - nachhaltig diese Praxis ausgeübt.

Sollte unser Änderungsantrag heute wie schon im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung keine Mehrheit finden, werden wir daher und auch mindestens aus einem weiteren Grund den vorliegenden Gesetzentwurf ablehnen.

Eine weitere Fehlausrichtung sehen wir in dem Versuch, vollzugsöffnende Maßnahmen durch den Einsatz der sogenannten Elektronischen Fußfessel in ihrer Anwendung zu erhöhen. Grundsätzlich: Ja, wir haben ein ganz erhebliches Problem bei den Lockerungsmaßnahmen und bei der Auslastung des offenen Vollzugs. Und ja, da besteht dringender Handlungsbedarf. Im Übrigen auch zum Schutz der Bevölkerung.

Im Vergleich mit allen anderen Ländern befinden wir uns jeweils im letzten Drittel.
Und auch hier kann ich nur sagen, schauen Sie auf ein Land wie Brandenburg, dass in dieser Frage viel mutiger ist und damit keinesfalls schlechte Erfahrungen in Form von Missbrauch der Lockerung gemacht hat.

Doch weitaus entscheidender ist für uns die Tatsache, dass zukünftig der Anstaltsleiter die Entscheidung über das Tragen der Elektronischen Fußfessel treffen soll. Es stört Sie ganz offenbar, dass die Vollstreckungskammer in Stendal das Mittel der Elektronischen Fußfessel nicht zum Einsatz bringt. Doch anstatt solche Schlupflöcher beim Richtervorbehalt zu beschließen, sollten Sie vielleicht lieber mal fragen, warum die RichterInnen in Stendal so entscheiden. Da kann ich nur auf meinen Redebeitrag zur Elektronischen Fußfessel verweisen, in dem ich bereit die Unsinnigkeit dieses Instruments dargestellt habe.

Abschließend noch ein Wort zum Thema „Einzelunterbringung“: Ja, es gibt Dank des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung und auch unserer Stimmen eine Abmilderung der Übergangsvorschrift zur Einzelunterbringung. Doch auch das ist nicht das, was aus Sicht meiner Fraktion einem menschenwürdigen Strafvollzug entspricht, der auch den Auftrag hat Gewaltpotential im Vollzug zu minimieren.