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Eva von Angern zu TOP 02: Aktuelle Debatte: Frauenrechte und Gleichstellung weiter voran bringen

Erlauben Sie mir zu Beginn meiner Rede einen Blick zurück: Wir schreiben das Jahr 1919. Es ist der 19. Februar 1919. Wir befinden uns in der Berliner Nationalversammlung und es spricht die Abgeordnete Marie Juchacz: „Meine Herren und Damen!“ Schon hier vermerkt der stenografische Dienst: "Heiterkeit im Plenum" „Es ist das erste Mal, dass in Deutschland die Frau als freie und gleiche im Parlament zum Volke sprechen darf, und ich möchte hier feststellen, und zwar ganz objektiv, dass es die Revolution gewesen ist, die auch in Deutschland die alten Vorurteile überwunden hat. Die Frauen besitzen heute das ihnen zustehende Recht der Staatsbürgerinnen. Gemäß ihrer Weltanschauung konnte und durfte eine vom Volk beauftragte sozialistische Regierung nicht anders handeln, wie sie gehandelt hat. Sie hat getan, was sie tun musste, als sie bei der Vorbereitung dieser Versammlung die Frauen als gleichberechtigte Staatsbürgerinnen anerkannte. Ich möchte hier feststellen – und glaube damit im Einverständnis vieler zu sprechen -, dass wir Frauen dieser Regierung nicht etwa in dem alt hergebrachten Sinne Dank schuldig sind. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: Sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist.“

Frau Juchacz wird in ihrer weiteren Rede zu verschiedenen fachpolitischen Themen, vom Öffentlichen Dienst, über Bildungs- und Sozialpolitik bis zur Wirtschaftspolitik, Stellung beziehen und damit die Selbstverständlichkeit des aktiven und passiven Frauenwahlrechts unterstreichen und vor allem deren verfassungsgemäße Notwendigkeit.

Doch nun begleiten Sie mich wieder zurück in die Gegenwart. AKTUELLE DEBATTE - Vielen Dank an die SPD-Fraktion für die Möglichkeit, heute über das Thema Frauen- und Gleichstellungspolitik reden zu können. Der Nachteil einer Aktuellen Debatte liegt auch in diesem Satz klar auf der Hand: Wir REDEN mal drüber. Entscheidender sind aus meiner Sicht aber die Handlungen, an denen wir uns gerade in diesem Bereich ganz konkret bei den Erfolgen messen lassen können. Da werden wir diese Debatte natürlich nicht ungenutzt verstreichen und den Finger in die Wunde bzw. in die Differenzen innerhalb der Koalitionsfraktionen legen.

Frauen in Führungspositionen/ Frauenquote - Die Volksstimme titelte ihren Beitrag mit den Worten: „Regierung sägt an Frauenquote“ und den Kommentar: „Vertragsbruch mit Ansage“. Nun kann man – wie der Redakteur der Volksstimme – sagen, unrealistische Ziele muss man als unrealistisch benennen und eigentlich wusste man doch schon bei Unterschriftsetzung, dass das Ziel, namentlich die 50% Frauenquote in Führungspositionen in Sachsen-Anhalt, unrealistisch ist. Ich sage allerdings: ich bin mir sehr sicher, dass diejenigen (und vermutlich waren es Frauen), die sich für die Aufnahme dieses Zieles in der Koalitionsvereinbarung eingesetzt haben, sich sehr wohl etwas dabei gedacht haben und auch konkrete Vorstellungen für eine realistische Umsetzung hatten.

Was passiert hier also tatsächlich? Die für Gleichstellung zuständige Ministerin höchst selbst macht den Vorschlag, die Quote von 50 auf 30 Prozent herab zu setzen. Wir erinnern uns: das war die Quote, die auf Initiative der SPD bereits in der letzten Wahlperiode in der Koalitionsvereinbarung verankert war und unterm Strich nicht erreicht wurde. Bis auf einige Ausnahmen, wie bspw. das Sozialministerium, das auch in dieser Wahlperiode positiv voran geht: eine Ministerin und zwei Staatssekretärinnen.

Da sind die grundsätzlichen Bedingungen schon weitaus günstiger. Wir reden hier nicht über irgendein Ziel, sondern über eines, das ganz eng mit unserer Landesverfassung verbunden ist. Namentlich mit der Förderung des Staatszieles der Gleichstellung von Mann und Frau. Und durch die Festschreibung der Zahl 50 ist für jeden und jede auch ganz deutlich ablesbar, ob die Koalition erfolgreich ist oder nicht. Fällt dieses „vermeintliche Opfer“ daher der zuständigen Ministerin so leicht? Oder ist  die Motivation gar verheerender?

Frau Ministerin Keding, wollen Sie eine paritätische Besetzung der Gremien oder wollen Sie diese nicht? Wenn Sie als zuständige Ministerin die 50% anstreben, dann zeigen Sie die Probleme bei der Umsetzung auf, aber kapitulieren Sie nicht. Sie werden keine Begeisterungsstürme mit dieser Forderung in der männergeprägten politischen Welt auslösen. So verstehe ich Ihren Job aber auch nicht. Ich erwarte von Ihnen Engagement in der Ihnen übertragenen Aufgabe und erinnere Sie daran, dass Sie Ihren Amtseid auf die Landesverfassung abgelegt haben. Welche Botschaften senden Sie mit Ihrem Agieren aus? Und was passiert in der außerparlamentarischen Diskussion?

Es findet eine Debatte über die Frauenquote mit alt bekannten Argumenten und Ressentiments statt: Diese werden im Übrigen bezeichnenderweise vor allem durch Männer geführt. Es werden so „überzeugende“ Fragen gestellt, wie: Möchtest du wirklich eine Quotenfrau sein? Warum vertraut man nicht darauf, dass sich gut qualifizierte Frauen durchsetzen? Warum mischt sich Politik in das Zusammenleben von Mann und Frau ein? Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier zum einen Tatsachen nicht wahrgenommen bzw. negiert werden und zum anderen tradierte Rollenbilder gepflegt werden, um Macht nicht gerecht zu verteilen. Denn Tatsache ist: Mädchen haben zwar nachgewiesenermaßen die besseren Schulabschlüsse und Frauen verlassen höher qualifiziert die Hochschulen. Doch in den Führungspositionen kommen nur wenige von ihnen an. Doch das, meine Damen und Herren Abgeordnete, ist kein Naturgesetz. Das ist gesellschaftlich gewachsen und wird billigend in Kauf genommen. In Zeiten des Fachkräftemangels entdeckt man die qualifizierte Frau, das unbekannte Wesen, wieder neu und freut sich, dass sie da ist. Das hat jedoch ausdrücklich nichts mit Gleichstellung von Mann und Frau zu tun.

Helene Weber, eine der Mütter des Grundgesetzes und Mitglied der CDU sagte: „Die Frau muss in der Politik stehen und muss eine politische Verantwortung haben.“ DIE LINKE sagt ganz klar und selbstverständlich: Gleichstellung von Mann und Frau bedeutet eine paritätische Besetzung aller Gremien und Entgeltungleichheit.

Einmal im Jahr begehen die Frauenverbände den sogenannten „Equal Pay Day“. Es ist übrigens auch den Frauenverbänden maßgeblich zu verdanken, dass dieses Thema nicht nur jährlich erneut skandaliert wird, sondern dass es überhaupt thematisiert und kritisch hinterfragt wurde. Dabei möchte ich daran erinnern, dass eine der Mütter des Grundgesetzes, Frieda Nadig, Mitglied der SPD, sich bereits in den Nachkriegsjahren für eine gesetzlich verankerte Lohngleichheit zwischen Mann und Frau einsetzte. Trotz der Unterstützung ihrer Kollegin Helene Weber von der CDU scheiterten sie gegen die Mehrheit der im Bundestag vertretenen Männer. Wir wissen, dass sich bis heute diese Ungleichheit fortsetzt, wenn nicht gar manifestiert hat. DIE LINKE sagt ganz klar und selbstverständlich: GLEICHER LOHN FÜR GLEICHE ARBEIT!

Jede Dritte Frau erlebt einmal in ihrem Leben Gewalt durch einen Mann. Hinzu kommen sexuelle Belästigung und Nachstellung. Wie wir wissen, sind das alles nur schwer justitiable Delikte, weil sie häufig ohne Zeugen stattfinden. Der Reformbedarf ist erkannt und der Staat ist sicher auch nicht allein in der Verantwortung. Wir alle müssen hinschauen, wenn Späße nicht mehr Späße sind und vor allem, wenn wir Gewalt wahrnehmen.

Ich möchte diese Debatte nutzen, um einen Punkt aus der morgigen Haushaltsdebatte vorweg zu nehmen: Wir haben gemeinsam den Weg frei gemacht, damit in allen Frauenhäusern unseres Landes eine Kinderbetreuung angeboten wird. Endlich. Nach so vielen Jahren. Wir alle wissen schon lange, wie wichtig es ist, die Gewaltspirale für die von Gewalt unmittelbar oder mittelbar betroffenen Kindern zu durchbrechen, damit sie als Erwachsene nicht selbst zum Täter oder Opfer werden. Das Parlament hat hier aus meiner Sicht mit großem Weitblick gehandelt und ich erwarte, dass die zuständige Ministerin zügig agiert, um das Angebot für Kinder schnellstmöglich zu realisieren.

Langfristig sollten wir uns jedoch gemeinsam dafür einsetzen, dass wir auf Bundesebene die bereits seit langem von den Frauenverbänden und auch von der GFMK geforderte bundesweite Frauenhausfinanzierung zu hohen Standards realisieren. Das entspricht dem Schutzauftrag des Staates.

Sehr geehrte Abgeordnete, sehr geehrte Frau Ministerin, ich bin eine überzeugte Frauen- und Gleichstellungspolitikerin und ich habe nicht das Gefühl, dass man mich deshalb weniger ernst nimmt. Für mich sind Frauen, wie Marie Juchacz und auch die vier Mütter des Grundgesetzes – gleich welcher Partei sie angehören – sehr respektable Persönlichkeiten. Sie alle stehen für einen Wert, der meiner Partei und mir sehr wichtig ist: GERECHTIGKEIT. Gerechtigkeit kennt kein Geschlecht. Ungerechtigkeit schon!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!